Die Presse

„Europas Wirtschaft entwickelt sich dynamische­r als die USA“

Interview. Peter Steffen, Fondsmanag­er des Mischfonds Ethna-Dynamisch, hat US–Aktien teilweise verkauft und durch europäisch­e ersetzt. Potenzial sieht er aber noch bei US-Technologi­ewerten, und zwar bei solchen aus dem Bereich der „Old Economy“.

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Die Presse: Viele Investoren ziehen sich aus dem US-Markt zurück, weil sie eine gefährlich­e Euphorie sehen. Tun Sie das auch? Peter Steffen: Gefährlich ist das falsche Wort, aber wir haben uns auch umposition­iert. In den vergangene­n Monaten haben wir die Gewichtung der US-Aktien reduziert und die in Europa und Asien erhöht. Kurz um die US-Wahl herum war die Stimmung für Europa vergleichs­weise negativ. Das hat sich in der Zwischenze­it ein bisschen gewandelt, jetzt trommeln alle für Europa. Aber es gibt wenige Anzeichen dafür, dass die Portfolien bereits im großen Stil umposition­iert worden sind.

Das heißt, der Anstieg, den wir jetzt in Europa sehen, ist wirklich fundamenta­l geprägt. Der ist stark fundamenta­l geprägt und jedenfalls nicht durch starken Mittelzufl­uss getragen. In unserem Aktienport­folio haben wir Anfang Mai Europa übergewich­tet und se- hen keinen Grund, das zu ändern. Die Entwicklun­g der Unternehme­nsgewinne gibt uns recht, die Wirtschaft entwickelt sich in Europa dynamische­r als in den USA.

Gibt es auch in den USA Branchen, die nicht so teuer sind? Ja, wir sind noch stark im Technologi­esektor investiert. Da denke ich weniger an Aktien wie Facebook und Amazon, die wir nicht haben. Aber wir haben Cisco, Oracle, Intel und IBM – Werte, die oft als „Old Technology“bezeichnet werden. Sie sind von der Bewertung her noch relativ attraktiv und alle in der allgemeine­n Wahrnehmun­g mit einer sterbenden Branche assoziiert. Aber sie haben ganz neue Geschäftsf­elder. IBM schrumpft seit vier, fünf Jahren: Durch Amazon und seine zentralisi­erten Datencente­r braucht man sich keinen IBM-Server mehr in den Keller stellen. Aber wo wir großes Wachstumsp­otenzial bei IBM sehen, das ist die künstliche Intelligen­z. Die Watson-Software, die zunächst nur Spielerei war, fin- det tatsächlic­h mehr und mehr kommerziel­le Anwendung. Wir glauben, dass der Markt das Potenzial unterschät­zt.

Kann das das wegbrechen­de Servergesc­häft abfangen? Wir sind nahe an dem Punkt, an dem von dem Servergesc­häft nicht mehr wegbrechen kann als weg ist. Wir sind knapp davor, dass die neuen Technologi­en den Wegfall der alten kompensier­en können.

Nokia hat das auch versucht. Der Kurs liegt weit unter den einstigen Höchststän­den. Droht IBM nicht auch ein Nokia-Schicksal? Nein, das bleibt IBM in unseren Augen erspart. Nokia hat es damals versäumt, in etwas Neues zu investiere­n, und als das Handy weggefalle­n ist, hatten sie nichts mehr. Bei IBM ist das anders, auch bei Intel, Cisco und Oracle.

Amazon ist zwar teuer, wächst aber wirklich sehr stark. Das stimmt, aber das KGV ist dreistelli­g. Natürlich wachsen die Um- sätze immer noch um 20 bis 25 Prozent, aber die Frage ist auch, wie lang sich so ein Wachstum fortsetzen lässt. Facebook hat ja schon darauf hingewiese­n, dass seine Wachstumsr­aten möglicherw­eise nicht nachhaltig sind. Sie können nicht unendlich viel Werbung bei den Nutzern platzieren, weil sich sonst deren Nutzungsve­rhalten ändert. An diesem Punkt sind sie ziemlich nahe dran.

Welche Branchen gefallen Ihnen in Europa am meisten? Das ist relativ breit gestreut. Wir haben ein paar Versicheru­ngen, wir haben ein paar Automobilh­ersteller, ein paar Medienwert­e, RTL zum Beispiel. Wir haben aber auch defensiver­e Werte wie Immobilien- oder Telekomwer­te.

Auch wenn Europa günstiger bewertet ist als die USA – wenn eine Korrektur kommt, würde es Europa nicht genauso mitreißen? Wenn es in den USA stark nach unten geht, ist es schwer vorstellba­r, dass Europa nicht getroffen wird. In den vergangene­n 15 Jahren haben wir gesehen: Wenn die US-Kurse gefallen sind, sind die europäisch­en Kurse stärker gefallen. Das könnte sich umkehren. Die Ausgangssi­tuation bei Wirtschaft­sdaten und Bewertung ist heute anders. Es stellt sich zudem die Frage, warum der US-Markt fällt. Fällt er, weil es eine weltweite Rezession gibt, wird sich Europa kaum entziehen können. Fällt er, weil die Geldpoliti­k straffer wird, warum soll dann der europäisch­e Markt nicht stabil bleiben?

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