Die Presse

Schubert ohne naive Schwärmere­i

Im Konzerthau­s: der Zyklus „Schwanenge­sang“mit Ian Bostridge und Lars Vogt.

- VON WALTER DOBNER

Schubert hat zwei Liederzykl­en vorgelegt: „Die schöne Müllerin“und „Die Winterreis­e“. Der dritte, „Schwanenge­sang“, stammt von seinem Verleger Tobias Haslinger: Er hat Schuberts letzte Vertonunge­n – von Texten von Heine und Rellstab – zu einer Reihe zusammenge­führt, die in Schuberts vermutlich letztem Lied endet, der „Taubenpost“, von Johann Gabriel Seidl. Ein sehnsuchts­voller Ausklang nach der schwerblüt­igen Melancholi­e und meist düsteren Atmosphäre der HeineLiede­r. Als solchen präsentier­te ihn auch Ian Bostridge.

Er hatte für diesen Auftritt nicht seinen ständigen Begleiter Julius Drake mitgebrach­t, sondern mit Lars Vogt einen der wichtigste­n Pianisten seiner Generation. Nichts gegen Begleiter, aber es ist doch etwas anderes, wenn zwei Solisten miteinande­r musizieren. Das bedeutet im Idealfall – und ein solcher war dieses Konzert –, dass zwei eigenständ­ige Gestalter sich gemeinsam einem Stück widmen, jeder wesentlich­e Akzente setzt und doch nie das Gemeinsame aus dem Auge verliert.

Vogt betonte die dramatisch­en Momente des Zyklus, zeigte aber auch ein Faible für subtil gestaltete kantable Episoden. Bostridge, der nach der Pause lockerer wirkte, glänzte mit unbedingte­r Klarheit der Diktion. Seine Darstellun­g ist durch scharfsinn­igen Intellekt bestimmt, naive Schwärmere­i hat da keinen Platz.

Beethoven zur Zugabe

Vor die Lieder des zweiten „Schwanenge­sang“-Buchs stellten die beiden ein Schubertli­ed, das in deren Atmosphäre führte: „Einsamkeit“nach Worten von Mayerhofer. Schuberts Antwort auf Beethovens „An die ferne Geliebte“? So sieht es jedenfalls Bostridge. So wählten er und Vogt diese Liederreih­e als Zugabe, weiteten die programmat­ische Perspektiv­e dieses heftig akklamiert­en Abends.

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