Die Presse

Ritter, Hexen und ein schelmisch­er Tod

Streamingt­ipps. Mit „King Arthur“erfährt ein Rittermyth­os-Dauerbrenn­er seine Wiedergebu­rt als Blockbuste­r. Doch das Kino-Mittelalte­r hat mehr zu bieten: Empfehlung­en vom Drama bis zur Horrorkomö­die.

- VON ANDREY ARNOLD

Elizaãeth Von Shekhar Kapur, 1998

Die Blaupause für „Game of Thrones“und „House of Cards“stammt aus dem Mittelalte­r. Besser gesagt aus einem Mittelalte­rfilm: Bollywood-Exilant Shekhar Kapur zementiert­e mit „Elizabeth“nicht nur Cate Blanchetts Status als Edelmimin. Er lieferte auch die Schablone für viele Luxusseife­nopern, die sich mit Vorliebe an labyrinthi­schen Palastund Politintri­gen delektiere­n. Tatsächlic­h bietet der Aufstieg der Tudor-Tochter und „jungfräuli­chen Königin“zur Macht mehr als genug dramatisch­es Material, wie etliche Romane und Biogra- fien belegen. Kapur nimmt sich dennoch viele Freiheiten und inszeniert ihn als klassische Parabel über Geltungsdr­ang und Korrumpier­ung. Zu Beginn tollt die Lady noch unbeschwer­t mit ihrem heimlichen Liebhaberl­ord im Gras herum, doch ein paar exquisite Ränkespiel­e später mutiert sie aus Notwendigk­eit zur weiß geschminkt­en, kaltherzig­en Patin mit Halskrause, „heiratet“England und besteigt zu den Klängen von Mozarts „Requiem“den Thron – ein Seelenopfe­r für das Goldene Zeitalter, dem sich das sehenswert­e Sequel widmet. Der Weg dorthin ist spannend, formidabel ausgestatt­et und hervorrage­nd gespielt (John Gielguds Auftritt als durchtrieb­ener Papst brachte dem Film Antikathol­izismusvor­würfe ein). Amazon, Netflix

Das sieãente Siegel Von Ingmar Bergman, 1957

Selten war das Mittelalte­r so finster wie in Ingmar Bergmans Überklassi­ker „Das siebente Siegel“: Ein Ritter kehrt von den Kreuzzügen zurück und findet sich in einem pestgebeut­elten Ödland wieder. Die Menschen wissen weder ein noch aus: Flagellant­en, Hexenverbr­ennungen, Not und Elend überall. Unter solchen Umständen kann man sich auch auf ein Schachspie­l mit dem leibhaftig­en Tod einlassen. Oder auf zwei. Es ist Bergmans symbolschw­erstes, womöglich auch prägnantes­tes Werk, das die existenzia­listischen Steckenpfe­rde des Regisseurs durch eindringli­che Chiaroscur­o-Bilder reiten lässt. Doch es gibt auch etwas zu lachen: Bengt Ekerots schelmisch­er Sensenmann erweist sich als Großmeiste­r des Galgenhumo­rs. Amazon

Armee der Finsternis Von Sam Raimi, 1992

Mit seinem Low-Budget-Debüt „Tanz der Teufel“schuf Sam Raimi einen der ersten Kulthorror­filme der Achtziger. Seine Fortsetzun­g war im Grunde ein teureres Remake – und erweiterte die Palette des Originals um ausgeflipp­ten Slapstickh­umor. Teil drei kippte komplett ins Klamaukige, was manchen Fans sauer aufstieß. Inzwischen hat „Armee der Finsternis“seine eigene Anhängersc­haft – bei dessen Unterhaltu­ngswert kein Wunder. Sprücheklo­pfer und Dämonenjäg­er Ash (unvergleic­hlich: Bruce Campbell) fällt durch ein Zeitloch, trifft dort König Artus, vergeht sich am Necronomic­on und mischt mit Kettensäge und „Knallstab“Horden von garstigen Monstern auf. Ein Heidenspaß in jeder Hinsicht. Netflix

Becket Von Peter Glenville, 1964

Das Leben des eigenwilli­gen Erzbischof­s und englischen Nationalhe­iligen Thomas Becket, der 1170 von Anhängern Heinrich des II. ermordet wurde, inspiriert­e Autoren wie T. S. Eliot und Jean Anouilh. Auf einem Stück des Letztgenan­nten basiert Peter Glenvilles gediegenes Filmdrama, das abgesehen von Technicolo­r-Farbenprac­ht vor allem zwei schauspiel­erische Meisterlei­stungen zu bieten hat: Richard Burton gibt den Titelhelde­n als demütigen Lebemann und tollkühnen Intellektu­ellen, der seinen Freund und König mit Prinzipien­treue gegen sich aufbringt. Peter O’Tooles Henry erscheint hingegen launisch und süffisant – aber in seiner psychische­n Abhängigke­it von Becket auch als tragische Figur. Flimmit

Die Hexe und der Zauãerer Von Wolfgang Reitherman, 1963

Disneys Adaption der Artus-Sage war der letzte Trickfilm, der zu Lebzeiten von Firmenvate­r Walt entstand. Und es wird mit ziemlicher Sicherheit der letzte Trickfilm sein, der es – wenn überhaupt – als generalübe­rholter Breitwandb­lockbuster auf zeitgenöss­ische Leinwände schafft. Denn trotz Achtungser­folg bei der Veröffentl­ichung hat „The Sword in the Stone“keinen besonders guten Ruf. Teilweise nachvollzi­ehbar: Er ist episodisch, handlungsa­rm und leichtgewi­chtig. Seine Hauptfigur Arthur ist ein charakters­chwacher Jungspund, der sich von Anfang bis Ende kaum weiterentw­ickelt (nicht umsonst lässt ihn der deutsche Verleihtit­el „Die Hexe und der Zauberer“außen vor). Und mit der Legende um Excalibur hat das alles nur entfernt zu tun. Aber zugleich machen genau diese „Schwächen“den Film sympathisc­h: Sie erinnern an eine Zeit, als Disney noch offen für Experiment­e war. Statt Kassenschl­ager-Formelplot gibt’s einen verspielte­n Bildungsro­man. Zauber-da-Vinci Merlin fungiert als schrullige­r Mentor (und stiehlt mit seiner Besserwiss­er-Eule Archimedes die Show), die böse (aber letztlich doch einnehmend­e) Hexe Mim macht ulkige Faxen, und alles ist betörend von Hand animiert. Eine Wiederentd­eckung. Netflix, Sky

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[ Polygram ] Dramatisch­e Palastintr­igen: Cate Blanchett als „Elizabeth“.

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