Ritter, Hexen und ein schelmischer Tod
Streamingtipps. Mit „King Arthur“erfährt ein Rittermythos-Dauerbrenner seine Wiedergeburt als Blockbuster. Doch das Kino-Mittelalter hat mehr zu bieten: Empfehlungen vom Drama bis zur Horrorkomödie.
Elizaãeth Von Shekhar Kapur, 1998
Die Blaupause für „Game of Thrones“und „House of Cards“stammt aus dem Mittelalter. Besser gesagt aus einem Mittelalterfilm: Bollywood-Exilant Shekhar Kapur zementierte mit „Elizabeth“nicht nur Cate Blanchetts Status als Edelmimin. Er lieferte auch die Schablone für viele Luxusseifenopern, die sich mit Vorliebe an labyrinthischen Palastund Politintrigen delektieren. Tatsächlich bietet der Aufstieg der Tudor-Tochter und „jungfräulichen Königin“zur Macht mehr als genug dramatisches Material, wie etliche Romane und Biogra- fien belegen. Kapur nimmt sich dennoch viele Freiheiten und inszeniert ihn als klassische Parabel über Geltungsdrang und Korrumpierung. Zu Beginn tollt die Lady noch unbeschwert mit ihrem heimlichen Liebhaberlord im Gras herum, doch ein paar exquisite Ränkespiele später mutiert sie aus Notwendigkeit zur weiß geschminkten, kaltherzigen Patin mit Halskrause, „heiratet“England und besteigt zu den Klängen von Mozarts „Requiem“den Thron – ein Seelenopfer für das Goldene Zeitalter, dem sich das sehenswerte Sequel widmet. Der Weg dorthin ist spannend, formidabel ausgestattet und hervorragend gespielt (John Gielguds Auftritt als durchtriebener Papst brachte dem Film Antikatholizismusvorwürfe ein). Amazon, Netflix
Das sieãente Siegel Von Ingmar Bergman, 1957
Selten war das Mittelalter so finster wie in Ingmar Bergmans Überklassiker „Das siebente Siegel“: Ein Ritter kehrt von den Kreuzzügen zurück und findet sich in einem pestgebeutelten Ödland wieder. Die Menschen wissen weder ein noch aus: Flagellanten, Hexenverbrennungen, Not und Elend überall. Unter solchen Umständen kann man sich auch auf ein Schachspiel mit dem leibhaftigen Tod einlassen. Oder auf zwei. Es ist Bergmans symbolschwerstes, womöglich auch prägnantestes Werk, das die existenzialistischen Steckenpferde des Regisseurs durch eindringliche Chiaroscuro-Bilder reiten lässt. Doch es gibt auch etwas zu lachen: Bengt Ekerots schelmischer Sensenmann erweist sich als Großmeister des Galgenhumors. Amazon
Armee der Finsternis Von Sam Raimi, 1992
Mit seinem Low-Budget-Debüt „Tanz der Teufel“schuf Sam Raimi einen der ersten Kulthorrorfilme der Achtziger. Seine Fortsetzung war im Grunde ein teureres Remake – und erweiterte die Palette des Originals um ausgeflippten Slapstickhumor. Teil drei kippte komplett ins Klamaukige, was manchen Fans sauer aufstieß. Inzwischen hat „Armee der Finsternis“seine eigene Anhängerschaft – bei dessen Unterhaltungswert kein Wunder. Sprücheklopfer und Dämonenjäger Ash (unvergleichlich: Bruce Campbell) fällt durch ein Zeitloch, trifft dort König Artus, vergeht sich am Necronomicon und mischt mit Kettensäge und „Knallstab“Horden von garstigen Monstern auf. Ein Heidenspaß in jeder Hinsicht. Netflix
Becket Von Peter Glenville, 1964
Das Leben des eigenwilligen Erzbischofs und englischen Nationalheiligen Thomas Becket, der 1170 von Anhängern Heinrich des II. ermordet wurde, inspirierte Autoren wie T. S. Eliot und Jean Anouilh. Auf einem Stück des Letztgenannten basiert Peter Glenvilles gediegenes Filmdrama, das abgesehen von Technicolor-Farbenpracht vor allem zwei schauspielerische Meisterleistungen zu bieten hat: Richard Burton gibt den Titelhelden als demütigen Lebemann und tollkühnen Intellektuellen, der seinen Freund und König mit Prinzipientreue gegen sich aufbringt. Peter O’Tooles Henry erscheint hingegen launisch und süffisant – aber in seiner psychischen Abhängigkeit von Becket auch als tragische Figur. Flimmit
Die Hexe und der Zauãerer Von Wolfgang Reitherman, 1963
Disneys Adaption der Artus-Sage war der letzte Trickfilm, der zu Lebzeiten von Firmenvater Walt entstand. Und es wird mit ziemlicher Sicherheit der letzte Trickfilm sein, der es – wenn überhaupt – als generalüberholter Breitwandblockbuster auf zeitgenössische Leinwände schafft. Denn trotz Achtungserfolg bei der Veröffentlichung hat „The Sword in the Stone“keinen besonders guten Ruf. Teilweise nachvollziehbar: Er ist episodisch, handlungsarm und leichtgewichtig. Seine Hauptfigur Arthur ist ein charakterschwacher Jungspund, der sich von Anfang bis Ende kaum weiterentwickelt (nicht umsonst lässt ihn der deutsche Verleihtitel „Die Hexe und der Zauberer“außen vor). Und mit der Legende um Excalibur hat das alles nur entfernt zu tun. Aber zugleich machen genau diese „Schwächen“den Film sympathisch: Sie erinnern an eine Zeit, als Disney noch offen für Experimente war. Statt Kassenschlager-Formelplot gibt’s einen verspielten Bildungsroman. Zauber-da-Vinci Merlin fungiert als schrulliger Mentor (und stiehlt mit seiner Besserwisser-Eule Archimedes die Show), die böse (aber letztlich doch einnehmende) Hexe Mim macht ulkige Faxen, und alles ist betörend von Hand animiert. Eine Wiederentdeckung. Netflix, Sky