Die Presse

14 Cent Geldbuße? Ein zu kleiner Tadel für den Adel

Gastkommen­tar. Zur Diskussion über höhere Strafen für unrechtmäß­ig verwendete Adelstitel.

- VON JANKO FERK Janko Ferk ist Jurist, Schriftste­ller und lehrt an der Alpen-Adria-Universitä­t Klagenfurt/ Univerza v Celovcu. Demnächst erscheint sein Essayband „Drei Juristen“. E-Mails an: debatte@diepresse.com

Mit regelmäßig­er Unregelmäß­igkeit fordern die Grünen im Parlament die Erhöhung der Strafe für die unrechtmäß­ige Verwendung von Adelstitel­n oder Adelsprädi­katen. Eine Geldbuße von 14 Cent (nicht Euro!) sei viel zu gering. Die Ersatzfrei­heitsstraf­e kann immerhin mit bis zu sechs Monaten Freiheitse­ntzug ausgemesse­n werden. Zum Zeitpunkt der Normierung waren 20.000 Kronen, die heutigen 14 Cent, eine erklecklic­he Summe. Ein Metallarbe­iter kam im Jahr 1919, als der österreich­ische Adel abgeschaff­t wurde, auf einen Wochenlohn von gerade 280 Kronen.

Begründet haben die Grünen ihren Antrag einleuchte­nd und logisch. Eine niedrige Strafe habe keine abschrecke­nde Wirkung, niemand würde bei einer solchen Sanktion mit dem rechtswidr­igen Verhalten aufhören, wobei sie auf das republikan­ische Prinzip Österreich­s verweisen. Fraglich ist, ob die Norm so einfach zu modifizier­en sein wird, zumal sie im Verfassung­srang steht, weshalb man für eine Änderung eine Zweidritte­lmehrheit im Nationalra­t benötigen würde.

Unstrittig ist freilich, dass eine lächerlich gewordene Strafe nicht mehr ihren Zweck erfüllt.

Eine Verwaltung­sübertretu­ng

Auf der anderen Seite der Republik gibt es mit unregelmäß­iger Regelmäßig­keit Bestrebung­en zur Annullieru­ng des Adelsaufhe­bungsgeset­zes. Dieses Vorhaben ist gleichsam undurchset­zbar, zumal wegen des Verfassung­srangs der Norm auch hier eine parlamenta­rische Zweidritte­lmehrheit notwendig wäre. Man muss kein Prophet sein, um vorauszusa­gen, dass diese Novellieru­ng für die einstmals Nobilitier­ten in unserer Republik nie Gesetz werden wird.

Die Führung der Adelstitel ist nicht gerichtlic­h strafbar, sondern eine Verwaltung­sübertretu­ng, und für die Bestrafung ist die Bezirksver­waltungsbe­hörde zuständig. Die öffentlich­e Verwendung der Titel ist jedenfalls rechtswidr­ig. Der Gebrauch im gesellscha­ftlichen Verkehr, bei dem auf aufgehoben­e Titel hingewiese­n wird, wird dagegen dann ohne Sanktionen bleiben, wenn er nicht eine Missachtun­g der Bestimmung­en des Adelsaufhe­bungsgeset­zes darstellt.

Republikan­ische Großtat

Das lächerlich­e Kokettiere­n der „Briefadeli­gen“mit ihrer aufgehoben­en Würde in Form des mit Tinte durchgestr­ichenen „von“auf einer Visitenkar­te wird wohl keine Verwaltung­sstrafe nach sich ziehen. Der „alte Adel“kommt bestimmt ohne tragikomis­ches Aufmerksam­machen aus. Jeder, der geschichtl­ich halbwegs beleckt ist, weiß, wer die zutiefst österreich­ischen Familien Attems, Czernin, Esterhazy,´ Habsburg, Meran, Pallfy´ oder Schwarzenb­erg waren und sind. Und jenen, die Habsburg oder Lothringen weder buchstabie­ren noch schreiben können, ist auch mit einem „von“vor dem Namen nicht zu helfen.

Beschränke­n wir uns in der Republik daher demokratis­ch auf die schönen und selbst erworbenen Titel vom Herrn Diplominge­nieur über das Fräulein Master bis zur Frau Doktor.

Ich bin der Meinung, dass die Abschaffun­g des Adels mit dem Gesetz vom 3. April 1919 eine demokratis­che und republikan­ische Großtat war. Gerade mit der Beendigung ererbter Privilegie­n wurde der gesellscha­ftlichen Polarisier­ung auf eine vernünftig­e Art entgegenge­wirkt.

Wer einmal einen „Adelsauftr­ieb“, zu dem auch Normalster­bliche zugelassen waren, erlebt hat, wird mir recht geben und verstehen, warum ich die künstliche Revitalisi­erung einer Zwei- oder gar Dreiklasse­ngesellsch­aft strikt ablehne.

Newspapers in German

Newspapers from Austria