Das Rebhuhn muss Bauprojekten weichen
Rebhühner brauchen intakte landwirtschaftliche Flächen, ohne Chemiecocktail und mit insektenreichen Feldrainen. Forscher der Boku erkunden nun erstmals, wo sich die kleinen Hühnervögel in Wien noch wohlfühlen.
In Irland, Norwegen und der Schweiz ist das Rebhuhn schon fast ausgestorben“, sagt Sabine Hille, Wildbiologin der Boku Wien. Während man dort versucht, den kleinen Hühnervogel zu retten, kommen Rebhühner in Wien noch natürlich vor. „Weil es große landwirtschaftliche Nutzflächen und offene Flächen gibt, wo die Steppenvögel und Bodenbrüter leben können“, sagt Hille. Für Rebhühner, die kaum größer als Wachteln und bis auf den orangefarbenen Kopf und dunklen Brustfleck unauffällig graubraun sind, ist das Vorkommen von Insekten lebensnotwendig. „Ab dem Frühjahr bis zum Herbst brauchen sie Insekten als Nahrung für sich und die Jungvögel, die sofort losrennen, sobald sie geschlüpft sind“, erklärt Hille. Im Winter fressen Rebhühner Getreide und andere harte Körner, die sie – wie Fasane und Hühner auch – in einem Kaumagen zermahlen.
Im Gegensatz zum Fasan, der dreimal so groß ist, sind Rebhühner in ganz Europa heimisch und an die karge Winterzeit angepasst. Fasane, ursprünglich aus Asien, wurden für die Jagd regelmäßig ausgesetzt und könnten den Winter hier ohne Zufütterung kaum überstehen. „Doch wie alle Feldvögel ist auch das Rebhuhn stark im Rückgang: In den vergangenen 20 Jahren sind 83 Prozent des Bestands in Europa verloren gegangen“, sagt Hille. Ihr Team am Institut für Wildbiologie und Jagdwirtschaft der Boku untersucht erstmals das Vorkommen in Wien: Wie beschaffen sind Flächen, auf denen sich Rebhühner wohlfühlen, und wie viele Rebhühner gibt es noch?
Ruf klingt wie Fahrradkette
„Die genauen Zahlen können wir erst im Herbst auswerten. Bisher haben wir drei Begehungen der potenziellen Flächen gemacht und dokumentieren, wo die Vögel vorkommen.“Neben dem Rebhuhn- Projekt, das vom Jubiläumsfonds der Stadt Wien gefördert wird, erstellt das Team auch einen Index aller Vögel, die in der heimischen Landwirtschaft vorkommen.
Ausgangspunkt waren unverbaute Flächen im Süden und Osten von Wien, meist am Stadtrand. Die Organisation Bird Life Österreich hat bis 2012 kartiert, wo Rebhuhnvorkommen möglich sind. „Wenn man diese Flächen heute aufsucht, ist vieles schon verbaut. Wir haben neue Kartierungen gemacht und im Winter die erste Begehung: Man sieht die Rebhühner am besten, wenn Schnee liegt“, verrät Hille. Dann rotten sich die Tiere zusammen und watscheln in „Rebhuhnketten“Feldraine entlang. Von 34 potenziellen Flächen waren 23 tatsächlich mit Rebhühnern besetzt.
Im Frühling wurden die Stellen wieder besucht, um Brutplätze zu finden: Eine Stunde vor Sonnenaufgang geht jede Exkursion los. Die Forscher suchen auch mit den Ohren: „Der Ruf klingt, wie wenn eine Fahrradkette quietscht.“Man kann Rebhuhnmännchen auch zum Rufen animieren, wenn man den Sound eines anderen Männchens laut vorspielt: Der ansässige Hahn markiert in der Rufantwort sein Revier als „bereits besetzt“.
„Wir wollen die Tiere nicht im Lebensraum stören, sondern herausfinden: Auf welchen Flächen geht es Rebhühnern so gut, dass sie sich vermehren? Welche Kulturen sind auf den Feldern? Wie intensiv wird bewirtschaftet? Wird dort bio angebaut? Führen Straßen durch die Fläche? Gibt es Brachen und Feldraine?“, zählt Hille auf.
Tiere flüchten vor Baustellen
Erstes Ergebnis: Die Bebauung ist ein großes Problem. „Vor allem im Gebiet der Seestadt Aspern gab es noch bis zur letzten Zählung im April Brutpaare. Wir wissen nicht, wo sie nach den neuen Grabungs- arbeiten hingewandert sind“, sagt Hille. Weiters sind auf 80 Prozent der Flächen freilaufende Hunde das Problem: Dort, wo sich Rebhühner wohlfühlen, gehen auch Hundebesitzer gern in die Natur. Die Bodenbrüter fliehen aber vor Hunden, auch wenn diese die Rebhühner oft gar nicht antreffen.
Am schwerwiegendsten ist aber das Fehlen von Insekten als Nahrung auf den Kulturflächen: Daran sind fehlende Saumstrukturen und Pestizide schuld. Laut Hille vernichten moderne Chemiecocktails mehr Insekten auf den Feldern als etwa die Pestizide der 1980er-Jahre. Dies schadet dem Rebhuhn ganz klar: „Es kommen nur rund um Bioflächen und Brachen weit weg vom Siedlungsbereich Rebhühner vor. Eigentlich wären die Rebhühner die besten Insektenvernichter, denn sie fressen viele Schädlinge.“
Die Forscher sind nun eine Kooperation mit dem Landesjagdverband Wien eingegangen, um Schutz- und Hegemaßnahmen zu fördern. Auch das Zusammenleben mit dem wichtigsten natürlichen Feind, dem Fuchs, kann von Jägern gemanagt werden. „Der Fuchs allein ist für das Rebhuhn nicht bedrohend. Aber wenn es durch den Lebensraumverlust schon gefährdet ist, kann es kritisch werden.“