Stirbt die Hauskatze aus, weil es eine Kastrationspflicht gibt?
„Katze zu verschenken“. Diese Anzeigen werden rar, da nur Züchter ihre Katzen nicht kastrieren bzw. sterilisieren lassen müssen.
Einfach ist es heutzutage nicht mehr, eine normale Katze als Haustier zu bekommen. Früher erfuhr man über Anschlagbretter oder Kleinanzeigen, wenn ein Katzenbesitzer den Nachwuchs der Hauskatze verschenkte. Eine Novelle zum Tierschutzgesetz besagt nun, dass sogar Katzen in bäuerlicher Haltung verpflichtend kastriert bzw. sterilisiert werden müssen. Die Kastrationspflicht galt bereits seit 2008 für jede Hauskatze, die sich im Freien aufhält: Ausgenommen sind reine Wohnungskatzen und Katzen, die zur Zucht verwendet werden. Die im April bestätigte Novelle weitet die Kastrationspflicht auf Bauernhofkatzen aus.
Eine Leserin fragte die „Presse“: „Wenn sich Hauskatzen nicht mehr normal vermehren dürfen, sterben sie dann in wenigen Jahren aus?“Jörg Aurich, Leiter der Geburtshilfe an der Klinik der Veterinärmedizinischen Universität Wien, sagt: „Das ist nicht zu befürchten.“
Erstens kann sich jeder, der seine Hauskatze trächtig werden lassen will, als Züchter bei der Bezirksverwaltung registrieren lassen. Dann darf die Katze weiterhin Junge bekommen. Mit dem neuen Gesetz ist es auch nur den registrierten Züchtern erlaubt, Anzeigen im Internet oder an Anschlagbrettern im Supermarkt aufzugeben.
Streunerkatzen vermehren sich
„Zweitens gibt es fast überall Streunerkatzen, die sich unkontrolliert vermehren. Die Hauskatze stirbt bestimmt nicht aus“, sagt Aurich. Auch wenn – wie in Wien und anderen Städten – Streunerkatzen regelmäßig eingefangen und die Männchen kastriert, die Weibchen sterilisiert werden, wird es immer wieder Katzenjunge geben. „Denn man erwischt nie alle Tiere. Eine gute Kontrolle hat man über die Population, wenn man 70 Prozent der Tiere kastriert“, erzählt Aurich.
Er befürwortet die Kastrationspflicht, da sich Katzen einfach sehr schnell vermehren: Bereits vier Monate junge Kätzchen können trächtig werden. Ab dann werfen Katzen bis zu dreimal im Jahr jeweils zwei bis fünf Jungkatzen. Laut der Organisation Vier Pfoten hat ein Katzenpaar bei unkontrollierter Vermehrung in fünf Jahren über 12.000 Nachkommen. „Demnach wird es immer mehr Katzen geben, als es gute Plätze für Katzen gibt. Auch im Tierquartier der Stadt Wien sind zwei Drittel der Tiere Katzen. Oft wird ein ganzer Wurf junger Kätzchen in einer Pappschachtel nahe einem Tierheim ausgesetzt“, erzählt Aurich.
Eine vorsorgliche Minimierung des Nachwuchses sei wichtig, auch weil es nicht erlaubt ist, überschüssige Kätzchen einfach einschläfern zu lassen. „Ohne medizinischen Grund darf kein Tierarzt ein Tier einschläfern“, sagt Aurich. Aus Gesprächen mit Kollegen in anderen Ländern, etwa Belgien, die schon seit vielen Jahren eine Kastrationspflicht für Katzen haben, weiß Aurich, dass es dort für Familien nicht mehr so leicht möglich ist, junge Hauskatzen zu bekommen.
Er empfiehlt, sich in Österreich an das nächste Tierheim zu wenden, wo es stets junge Katzen gibt. Hierbei fallen jedoch Kosten an. Der Aushang „Katze zu verschenken“wird auch bei uns immer seltener.
In der Tierklinik an der Vet-Med stellen jedenfalls Katzen und Hunde die größte Gruppe der Patienten in der Geburtshilfe. Jörg Aurich ist in der Forschung auch stark auf die Geburt bei Pferden und auf Fohlenkrankheiten spezialisiert.
„Es wird immer mehr Katzen geben als gute Plätze für Katzen.“ Jörg Aurich, Vet-Med Wien