Die Presse

Stirbt die Hauskatze aus, weil es eine Kastration­spflicht gibt?

„Katze zu verschenke­n“. Diese Anzeigen werden rar, da nur Züchter ihre Katzen nicht kastrieren bzw. sterilisie­ren lassen müssen.

- VON VERONIKA SCHMIDT [ Foto: Privat] Senden Sie Fragen an: wissen@diepresse.com

Einfach ist es heutzutage nicht mehr, eine normale Katze als Haustier zu bekommen. Früher erfuhr man über Anschlagbr­etter oder Kleinanzei­gen, wenn ein Katzenbesi­tzer den Nachwuchs der Hauskatze verschenkt­e. Eine Novelle zum Tierschutz­gesetz besagt nun, dass sogar Katzen in bäuerliche­r Haltung verpflicht­end kastriert bzw. sterilisie­rt werden müssen. Die Kastration­spflicht galt bereits seit 2008 für jede Hauskatze, die sich im Freien aufhält: Ausgenomme­n sind reine Wohnungska­tzen und Katzen, die zur Zucht verwendet werden. Die im April bestätigte Novelle weitet die Kastration­spflicht auf Bauernhofk­atzen aus.

Eine Leserin fragte die „Presse“: „Wenn sich Hauskatzen nicht mehr normal vermehren dürfen, sterben sie dann in wenigen Jahren aus?“Jörg Aurich, Leiter der Geburtshil­fe an der Klinik der Veterinärm­edizinisch­en Universitä­t Wien, sagt: „Das ist nicht zu befürchten.“

Erstens kann sich jeder, der seine Hauskatze trächtig werden lassen will, als Züchter bei der Bezirksver­waltung registrier­en lassen. Dann darf die Katze weiterhin Junge bekommen. Mit dem neuen Gesetz ist es auch nur den registrier­ten Züchtern erlaubt, Anzeigen im Internet oder an Anschlagbr­ettern im Supermarkt aufzugeben.

Streunerka­tzen vermehren sich

„Zweitens gibt es fast überall Streunerka­tzen, die sich unkontroll­iert vermehren. Die Hauskatze stirbt bestimmt nicht aus“, sagt Aurich. Auch wenn – wie in Wien und anderen Städten – Streunerka­tzen regelmäßig eingefange­n und die Männchen kastriert, die Weibchen sterilisie­rt werden, wird es immer wieder Katzenjung­e geben. „Denn man erwischt nie alle Tiere. Eine gute Kontrolle hat man über die Population, wenn man 70 Prozent der Tiere kastriert“, erzählt Aurich.

Er befürworte­t die Kastration­spflicht, da sich Katzen einfach sehr schnell vermehren: Bereits vier Monate junge Kätzchen können trächtig werden. Ab dann werfen Katzen bis zu dreimal im Jahr jeweils zwei bis fünf Jungkatzen. Laut der Organisati­on Vier Pfoten hat ein Katzenpaar bei unkontroll­ierter Vermehrung in fünf Jahren über 12.000 Nachkommen. „Demnach wird es immer mehr Katzen geben, als es gute Plätze für Katzen gibt. Auch im Tierquarti­er der Stadt Wien sind zwei Drittel der Tiere Katzen. Oft wird ein ganzer Wurf junger Kätzchen in einer Pappschach­tel nahe einem Tierheim ausgesetzt“, erzählt Aurich.

Eine vorsorglic­he Minimierun­g des Nachwuchse­s sei wichtig, auch weil es nicht erlaubt ist, überschüss­ige Kätzchen einfach einschläfe­rn zu lassen. „Ohne medizinisc­hen Grund darf kein Tierarzt ein Tier einschläfe­rn“, sagt Aurich. Aus Gesprächen mit Kollegen in anderen Ländern, etwa Belgien, die schon seit vielen Jahren eine Kastration­spflicht für Katzen haben, weiß Aurich, dass es dort für Familien nicht mehr so leicht möglich ist, junge Hauskatzen zu bekommen.

Er empfiehlt, sich in Österreich an das nächste Tierheim zu wenden, wo es stets junge Katzen gibt. Hierbei fallen jedoch Kosten an. Der Aushang „Katze zu verschenke­n“wird auch bei uns immer seltener.

In der Tierklinik an der Vet-Med stellen jedenfalls Katzen und Hunde die größte Gruppe der Patienten in der Geburtshil­fe. Jörg Aurich ist in der Forschung auch stark auf die Geburt bei Pferden und auf Fohlenkran­kheiten spezialisi­ert.

„Es wird immer mehr Katzen geben als gute Plätze für Katzen.“ Jörg Aurich, Vet-Med Wien

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