Forscher der Boku Wien wollen Weizen trockenheitsresistenter machen. Mit Fotos im Nahinfrarotbereich untersuchen sie dazu die Rolle der Wurzeln.
Wer von „natürlicher Landwirtschaft“spricht, ist meist schon auf dem Holzweg. Zum einen, weil Nutzpflanzen züchterisch so sehr bearbeitet sind, dass deren natürliche Verwandte kaum noch zu erkennen sind. Zum anderen geht es in der Natur um etwas ganz anderes als in der Landwirtschaft: Während Wildpflanzen irgendwie überleben und Nachkommen erzeugen wollen, sollen Nutzpflanzen schmecken und ausreichend Erträge liefern.
Weizenerträge etwa liegen heute mindestens vier- oder fünfmal über denen von vor hundert Jahren. Bauern des Mittelalters ernteten kaum dreimal mehr als die ausgesäte Menge, wodurch jedes Schlechtwetter Hunger nach sich ziehen konnte. Allerdings: Der moderne Weizen lebt nicht nur von Luft und Liebe. „Ein klassischer Zuchtgarten ist gut versorgt mit Wasser und Nährstoffen“, erklärt Gernot Bodner vom Department für Nutzpflanzenwissenschaften an der Boku in Wien. Will heißen: Der Weizen ist für eine moderne Landwirtschaft mit optimaler Düngung und ausreichend Wasser, aber weniger für widrige Bedingungen ausgelegt. „Jetzt gibt es eine Art Paradigmenwechsel. Man will die Landwirtschaft ressourceneffizienter machen“, betont Bodner.
Sparprogramm bei Mangel
An Orten wie in Indien oder dem Libanon ist Regenmangel nichts Neues. Der Weizen, den die Bauern dort über Generationen hinweg weitervermehrt haben, kommt damit zurecht. Allerdings bringen diese Landsorten nur mäßige Erträge. Das liegt unter anderem daran, dass sie über ihre Spaltzellen an der Blattunterseite weniger Wasser abgeben, dadurch aber auch weniger CO aus der Luft aufnehmen können. Auch mehr Wurzel- und dafür weniger Blattmasse hilft beim Überleben. „Das sind einfach weniger produktive Pflanzen, die schalten bei Ressourcenmangel auf Sparprogramm“, sagt Bodner. Eine Kombination aus hohem Ertrag und Trockenresistenz wäre der Traum vieler Agrarwissenschaftler weltweit.
Bodner und sein Team schauen deshalb auf die Wurzeln des Weizens. Liegen hier Eigenschaften verborgen, die eine effizientere Wasseraufnahme ermöglichen und dadurch das pflanzliche Sparprogramm hinauszögern? Die Forscher haben dazu jeweils fünf Gramm Samen von 32 Hartweizensorten, vor allem Landsorten und wilde Verwandte, aus einer USamerikanischen Genbank bestellt. Dort lagern Zehntausende Sorten aus der ganzen Welt, die via Google Earth mit ihrem exakten Herkunftsort verknüpft sind. So lässt sich ablesen, unter welchen Klima- und Bodenbedingungen die Sorte entstanden ist. „Gigantisch“, schwärmt Nutzpflanzen-Ökologe Bodner. Für das vom Wissenschaftsfonds FWF geförderte Projekt „Wurzeln der Trockenresistenz“fanden so Samen aus subtropischem Monsungebiet in Indien, aus dem Nahen Osten, der Türkei oder Portugal den Weg nach Österreich.
Wissenschaftler säen Proben
Um loslegen zu können, mussten die Wissenschaftler ihre Weizenproben zunächst aussäen und vermehren. Nur so erhielten sie genügend Versuchspflanzen. Diese ließen sie dann in Rhizoboxen wachsen. Das sind mit Boden befüllte Boxen mit einer Seite aus Glas. Weil Wurzeln von der Schwerkraft geleitet sind, garantierte das Schrägstellen der Behältnisse, dass sie zum Glas hin wachsen.
Per Hyperspektral-Imaging, also Fotos im Nahinfrarotbereich, konnten Bodner und Team zum einen das Wurzelwachstum dokumentieren, zum anderen auf den Bodenwassergehalt schließen. „Das Wasser absorbiert sehr viel Strahlung in einer gewissen Wellenlänge. Daraus ergibt sich ein sehr fein aufgelöstes Bild von der Feuchtigkeit“, erklärt Bodner. Die Frage ist, ob man vom Aufbau der Wurzel unmittelbar darauf schließen kann, wo sie das Wasser herauszieht?
Bodner über erste Erkenntnisse: „Bei Getreidesorten, die Trockenjahre gut überstehen, haben wir nicht so viele Wurzelachsen, dafür aber sehr feine beobachtet.“So brauchen die Pflanzen weniger Energie für Wurzelbiomasse. Gleichzeitig seien Feinwurzeln meist aktiver bei der Wasseraufnahme. Auch die Wurzeltiefe spielt eine Rolle. „Die moderne Sorte Neda aus dem Iran hat ein sehr gut über die Tiefe verteiltes Wurzelsystem mit sehr vielen Feinwurzeln.“Eine der spannendsten Wurzeleigenschaften ist jedoch die Flexibilität: Wie passt sich die Wurzel bei unerwartet ausbleibendem Regen an?
Im Rahmen dieses Projekts suchen die Boku-Forscher noch bis 2018 nach Wurzelmechanismen zur effizienteren Bodenwasseraufnahme. Übrigens nicht zu verwechseln mit effizienterem Wassergebrauch. Da die Fotosynthese streng mathematischen Regeln folgt, gilt: Kommt vorn weniger rein, dann kommt hinten weniger raus. Das heißt: Weizen wird dadurch trockenresistenter, dass er mehr Wasser aus den Bodenreserven entnimmt.