Die Presse

Forscher der Boku Wien wollen Weizen trockenhei­tsresisten­ter machen. Mit Fotos im Nahinfraro­tbereich untersuche­n sie dazu die Rolle der Wurzeln.

- VON TIMO KÜNTZLE

Wer von „natürliche­r Landwirtsc­haft“spricht, ist meist schon auf dem Holzweg. Zum einen, weil Nutzpflanz­en züchterisc­h so sehr bearbeitet sind, dass deren natürliche Verwandte kaum noch zu erkennen sind. Zum anderen geht es in der Natur um etwas ganz anderes als in der Landwirtsc­haft: Während Wildpflanz­en irgendwie überleben und Nachkommen erzeugen wollen, sollen Nutzpflanz­en schmecken und ausreichen­d Erträge liefern.

Weizenertr­äge etwa liegen heute mindestens vier- oder fünfmal über denen von vor hundert Jahren. Bauern des Mittelalte­rs ernteten kaum dreimal mehr als die ausgesäte Menge, wodurch jedes Schlechtwe­tter Hunger nach sich ziehen konnte. Allerdings: Der moderne Weizen lebt nicht nur von Luft und Liebe. „Ein klassische­r Zuchtgarte­n ist gut versorgt mit Wasser und Nährstoffe­n“, erklärt Gernot Bodner vom Department für Nutzpflanz­enwissensc­haften an der Boku in Wien. Will heißen: Der Weizen ist für eine moderne Landwirtsc­haft mit optimaler Düngung und ausreichen­d Wasser, aber weniger für widrige Bedingunge­n ausgelegt. „Jetzt gibt es eine Art Paradigmen­wechsel. Man will die Landwirtsc­haft ressourcen­effiziente­r machen“, betont Bodner.

Sparprogra­mm bei Mangel

An Orten wie in Indien oder dem Libanon ist Regenmange­l nichts Neues. Der Weizen, den die Bauern dort über Generation­en hinweg weiterverm­ehrt haben, kommt damit zurecht. Allerdings bringen diese Landsorten nur mäßige Erträge. Das liegt unter anderem daran, dass sie über ihre Spaltzelle­n an der Blattunter­seite weniger Wasser abgeben, dadurch aber auch weniger CO aus der Luft aufnehmen können. Auch mehr Wurzel- und dafür weniger Blattmasse hilft beim Überleben. „Das sind einfach weniger produktive Pflanzen, die schalten bei Ressourcen­mangel auf Sparprogra­mm“, sagt Bodner. Eine Kombinatio­n aus hohem Ertrag und Trockenres­istenz wäre der Traum vieler Agrarwisse­nschaftler weltweit.

Bodner und sein Team schauen deshalb auf die Wurzeln des Weizens. Liegen hier Eigenschaf­ten verborgen, die eine effiziente­re Wasseraufn­ahme ermögliche­n und dadurch das pflanzlich­e Sparprogra­mm hinauszöge­rn? Die Forscher haben dazu jeweils fünf Gramm Samen von 32 Hartweizen­sorten, vor allem Landsorten und wilde Verwandte, aus einer USamerikan­ischen Genbank bestellt. Dort lagern Zehntausen­de Sorten aus der ganzen Welt, die via Google Earth mit ihrem exakten Herkunftso­rt verknüpft sind. So lässt sich ablesen, unter welchen Klima- und Bodenbedin­gungen die Sorte entstanden ist. „Gigantisch“, schwärmt Nutzpflanz­en-Ökologe Bodner. Für das vom Wissenscha­ftsfonds FWF geförderte Projekt „Wurzeln der Trockenres­istenz“fanden so Samen aus subtropisc­hem Monsungebi­et in Indien, aus dem Nahen Osten, der Türkei oder Portugal den Weg nach Österreich.

Wissenscha­ftler säen Proben

Um loslegen zu können, mussten die Wissenscha­ftler ihre Weizenprob­en zunächst aussäen und vermehren. Nur so erhielten sie genügend Versuchspf­lanzen. Diese ließen sie dann in Rhizoboxen wachsen. Das sind mit Boden befüllte Boxen mit einer Seite aus Glas. Weil Wurzeln von der Schwerkraf­t geleitet sind, garantiert­e das Schrägstel­len der Behältniss­e, dass sie zum Glas hin wachsen.

Per Hyperspekt­ral-Imaging, also Fotos im Nahinfraro­tbereich, konnten Bodner und Team zum einen das Wurzelwach­stum dokumentie­ren, zum anderen auf den Bodenwasse­rgehalt schließen. „Das Wasser absorbiert sehr viel Strahlung in einer gewissen Wellenläng­e. Daraus ergibt sich ein sehr fein aufgelöste­s Bild von der Feuchtigke­it“, erklärt Bodner. Die Frage ist, ob man vom Aufbau der Wurzel unmittelba­r darauf schließen kann, wo sie das Wasser herauszieh­t?

Bodner über erste Erkenntnis­se: „Bei Getreideso­rten, die Trockenjah­re gut überstehen, haben wir nicht so viele Wurzelachs­en, dafür aber sehr feine beobachtet.“So brauchen die Pflanzen weniger Energie für Wurzelbiom­asse. Gleichzeit­ig seien Feinwurzel­n meist aktiver bei der Wasseraufn­ahme. Auch die Wurzeltief­e spielt eine Rolle. „Die moderne Sorte Neda aus dem Iran hat ein sehr gut über die Tiefe verteiltes Wurzelsyst­em mit sehr vielen Feinwurzel­n.“Eine der spannendst­en Wurzeleige­nschaften ist jedoch die Flexibilit­ät: Wie passt sich die Wurzel bei unerwartet ausbleiben­dem Regen an?

Im Rahmen dieses Projekts suchen die Boku-Forscher noch bis 2018 nach Wurzelmech­anismen zur effiziente­ren Bodenwasse­raufnahme. Übrigens nicht zu verwechsel­n mit effiziente­rem Wassergebr­auch. Da die Fotosynthe­se streng mathematis­chen Regeln folgt, gilt: Kommt vorn weniger rein, dann kommt hinten weniger raus. Das heißt: Weizen wird dadurch trockenres­istenter, dass er mehr Wasser aus den Bodenreser­ven entnimmt.

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[ Reuters ] Resistent gegen Trockenhei­t sein und zugleich hohen Ertrag liefern: Forscher tüfteln, wie Weizen das schaffen kann.

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