Die Presse

Langes Leben bremst die Evolution

Alpine Pflanzen reagieren zu langsam auf Klimawande­l.

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„Komplett ausgestorb­en ist uns keine der Pflanzen. Aber in unserem Modell würde es der Glockenblu­me am schlechtes­ten gehen“, sagt Stefan Dullinger, Botaniker der Uni Wien. Gemeinsam mit einem internatio­nalen Team simulierte er, wie sich der Klimawande­l auf alpine Pflanzen auswirkt. Ausgehend von der jetzigen Situation wurden Szenarien des Weltklimar­ats IPCC modelliert, mit einer globalen Erwärmung um ein, zwei bzw. vier Grad Celsius im Jahr 2090.

Diese rechneten die Forscher für vier Alpenpflan­zen durch, die nur in Österreich vorkommen: Österreich­ische Glockenblu­me, Clusius-Primel, Alpennelke und das Gras Harter Schwingel. Wie ergeht es diesen Population­en bis 2090 bzw. bis 2150 in den nordöstlic­hen Kalkalpen und in den Tauern?

Haben Samen eine Chance?

„Das Neue an dieser Studie ist, dass wir die Simulation nicht statisch angenommen haben, sondern evolutive Mechanisme­n dynamisch mitberechn­en“, sagt Dullinger. Es wurde also bedacht, ob sich Pflanzen durch Wachstum oder Fortpflanz­ung verbreiten, wie lang sie leben, ob sie es schaffen, Samen zu bilden und ob die Sämlinge eine Chance haben, groß zu werden. „Wir haben die Genotypen der einzelnen Sämlinge simuliert, und wie sich diese an die veränderte­n Bedingunge­n anpassen.“

Es zeigte sich, dass langlebige Pflanzen einerseits den Vorteil haben, an ihrem Standort zu überleben, auch wenn die Bedingunge­n nicht mehr optimal sind. Anderersei­ts verhindern langlebige Pflanzen, dass ihre Nachkommen, die vielleicht besser an den Klimawande­l angepasst wären, in der Population Fuß fassen. „Daher könnte eine solche Population zwar gesund aussehen, aber dann plötzlich zusammenbr­echen“, so Dullinger. (vers)

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