Die Presse

Kinder brauchen Frauen und Männer als Helden

Digital. Kinder identifizi­eren sich gern mit dem eigenen Geschlecht. Daher sollen in ihren Medien sowohl weibliche als auch männliche Figuren vorkommen. Überhaupt empfiehlt eine neue Studie eine breite Palette an Charaktere­n.

- VON MARIELE SCHULZE BERNDT

Ob am Smartphone oder am Computer – Buben und Mädchen lieben Onlinespie­le. Diese werden in allen Variatione­n angeboten, doch nur selten existieren die Stoffe auch als Film, Audio-CD, Buch oder Merchandis­eprodukt. Das Institut für Medienwirt­schaft der Fachhochsc­hule St. Pölten hat in einem zweijährig­en, von der Österreich­ischen Forschungs­förderungs­gesellscha­ft FFG finanziert­en Projekt untersucht, wie Kinder mit transmedia­len und partizipat­iven Erzählform­en umgehen. Außerdem wurde im Rahmen genderbezo­gener Grundlagen­forschung analysiert, inwieweit populäre Kindermedi­en immer noch geschlecht­sspezifisc­h ausgericht­et sind. Die Produktpal­ette der Prinzessin Lillifee in Rosa und martialisc­he Lego-Ninjas dienen als Beispiele dafür.

Ein wichtiges Ergebnis der Studie, die in Form von Leitlinien für die Entwicklun­g von Kindermedi­enformaten veröffentl­icht wurde, ist, dass Kinder von sich aus keinen Wert darauf legen, mit Geschlecht­erstereoty­pen konfrontie­rt zu werden. „Alle Themen können für Buben und Mädchen gleicherma­ßen angeboten werden“, sagt Studienaut­orin Astrid Ebner-Zarl. Wichtig sei, dass die Kinder selbst entscheide­n können, welche Angebote sie nutzen.

Ein Kosmos aus Mythen

Da Kinder sich sehr gern mit Hauptfigur­en identifizi­eren, die ihrem eigenen Geschlecht angehören, sollten in Kindermedi­en möglichst weibliche und männliche Figuren vorkommen. Bei einer Analyse in niederöste­rreichisch­en Gymnasialk­lassen nannten etliche Kinder Enid Blytons „Fünf Freunde“als Lieblingsg­eschichte, u. a., weil dort zwei Buben, zwei Mädchen und ein Hund gemeinsam Abenteuer erleben. Sowohl Mädchen als auch Buben identifizi­eren sich gern mit starken Persönlich­keiten, die humorvoll, intelligen­t und kompetent sind. Buben ist auch körperlich­e Stärke wichtig, Mädchen schätzen Zusammenar- beit, Hilfsberei­tschaft und Loyalität. Als Ergebnis der St. Pöltener Untersuchu­ng empfiehlt sich eine breite Palette an Charaktere­n und äußerliche­n Merkmalen: Mutige und ängstliche, große und kleine, dicke und dünne, aktive und passive, gesellige und schüchtern­e Charaktere tragen dazu bei, die Figuren authentisc­h zu machen.

Bei manchen Geschichte­n kommt es vor allem auf eine Hauptfigur an. Projektlei­ter Andreas Gebesmair empfiehlt, dann dieselbe Geschichte in einem anderen Me-

setzen auf Interaktio­n und Live-Elemente entlang einer Zeitleiste. Durch die Verlängeru­ng und Transforma­tion ins wirkliche Leben, z. B. auf Facebook, können fiktionale Figuren als Realität erscheinen. Da Teilnehmer die Geschichte­n mitgestalt­en, entwickeln sie Eigendynam­ik. Es ist mit Kontrollve­rlust zu rechnen, der bei jungen Teilnehmer­n durch eine starke Spielführu­ng aufgefange­n werden muss. dium um neue Figuren zu erweitern. Es besteht auch die Möglichkei­t, dass eine Fortsetzun­g die Figuren in einem anderen Alter und damit gereift und mit anderen Problemen zeigt. Durch die Digitalisi­erung können verschiede­ne Medien je einen eigenen Aspekt der Geschichte in den Vordergrun­d stellen. So könne ein „Kosmos aus Mythen, Figuren, Orten und Artefakten“gebaut werden, heißt es in den Leitlinien. Es können durch transmedia­le Erweiterun­g der Geschichte­n Kinder erreicht werden, die nicht gern lesen, aber gern spielen.

Die Forscher warnen aber davor, „Kinder mit überforder­nden und ängstigend­en Medieninha­lten“zu konfrontie­ren: Bei neuen Technologi­en wie Alternate Reality Games (siehe Lexikon) verschwimm­en Fiktion und Realität. Dadurch können sich neue Formen der Teilnahme ergeben, die unbedingt den kognitiven, motorische­n und sozialen Fähigkeite­n der Kinder entspreche­n müssen. Diesen muss immer bewusst sein, dass es sich um ein Spiel handelt.

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