Die Presse

Lasst dies Foto verschwind­en!

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IQst er betrunken oder verrückt geworden? Oder steht er unter Psychophar­maka, als er zu einem langen Brief ansetzt und sich darin als Retter der Nation anbietet? Er sei ein Sänger, so erklärt er vollmundig, dem das Wohl seiner Heimat am Herzen liege: „Die Drogenkult­ur, die Studentenb­ewegung, Black Panther et cetera halten mich nicht für ihren Feind, oder wie sie es nennen: das Establishm­ent. Ich nenne es Amerika, und ich liebe es, Sir, ich will und werde alles tun, um dem Land da herauszuhe­lfen.“Der Brief endet mit dem Wunsch, persönlich vorspreche­n zu dürfen.

Der Empfänger des Schreibens ist ein von der McCarthy-Ära geprägter Politiker und Machtmensc­h. Die Vertreter der Rockkultur, der auch der Verfasser des fünfseitig­en Briefes angehört, kritisiere­n ihn heftig. Stimmt er deshalb einer Verabredun­g mit dem devoten Bittstelle­r zu? An einem kalten Dezemberta­g treffen die beiden in Washington aufeinande­r. Der Musiker ist aufgeregt. Er trägt sein Bühnenoutf­it, als er von den Sicherheit­skräften in die heiligen Hallen geleitet wird. Die zwei Männer schütteln einander die Hände, das Gastgesche­nk wechselt den Besitzer: ein wertvoller historisch­er Revolver, der aus der riesigen Waffensamm­lung des Stars stammt.

Jetzt, da die Höflichkei­ten ausgetausc­ht sind, geht es ans Verhandeln: Er stelle sich vor, als Drogensher­iff eingesetzt zu werden, erläutert der – schon etwas aufgedunse­ne – König der Unterhaltu­ngsindustr­ie. Nun hoffe er auf eine Zusage und bitte, man möge ihm in seinem Hotel benachrich­tigen, wo er unter dem Decknamen Jon Burrows logiere.

Der solcherart umschmeich­elte Politiker konferiert mit seinen Beratern und sagt zu: Er lässt seinem Gast, der zu jenem Zeitpunkt schon tief im Drogensump­f steckt, die Dienstmark­e des „Büros für Narkotika und gefährlich­e Drogen“überbringe­n und befördert ihn zum Bundesdrog­enfahnder. Das Foto, das die Begegnung bezeugt, verschwind­et im Archiv des Weißen Hauses. Als es durch eine Indiskreti­on an die Öffentlich­keit kommt, heult Amerika auf. Ein Aprilscher­z? Jahre später ziert das Bild die Gläser und Tassen jenes Museums, in dem man den früh verstorben­en Sänger feiert. Da ist der Politiker längst im erzwungene­n Ruhestand. Prost, die Herren!

Wer traf wen? Von welchem Museum ist die Rede? Warum trat der Politiker zurück?

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