Sich auf Kinderhöhe begeben
Sicherheit. Vorsicht allein genügt nicht: Was man bei Einrichtung und Ausstattung beachten muss, um Unfälle bei Kindern zu verhindern. Einige Beispiele.
Nur kurz weggedreht – und schon ist dem Dreikäsehoch der Inhalt der Lade, die er aus dem Schrank gezogen hat, auf den Kopf gefallen. „Ein typischer Unfallhergang“, weiß Peter Spitzer vom Forschungszentrum für Kinderunfälle in Graz. „Eltern unterschätzen oft, wie schnell sich kleine Kinder bewegen.“Das unfreiwillige Abenteuer des kleinen Elias verlief zum Glück glimpflich. Drei Viertel aller Kinder unter 14 Jahren, die nach Unfällen im Krankenhaus landen, können dieses mit leichten Blessuren nach ambulanter Behandlung verlassen. Freilich: Weh tut’s trotzdem.
Klaus Robatsch, Bereichsleiter für Forschung und Wissensmanagement beim Kuratorium für Verkehrssicherheit (KfV), spricht von 50.000 Kindern, die 2016 in österreichischen Haushalten verunglückten. Spitzer: „Jeder zweite Unfall passiert zu Hause.“Die häufigsten Kinderunfälle im Haushalt sind Stürze. Das „Entdeckeralter“ab etwa zwei Jahren lässt so manche Kleinen auf eigene Faust auf Erkundungstour gehen. Der Bewegungsablauf ist noch unkoordiniert, Stolpern programmiert. Si- cherheitstools wie Treppenschutzgitter (Mindesthöhe: 60 Zentimeter!) und Teppichmatten sind schon lang auf dem Markt. Zu empfehlen sind nachts auch Bewegungsmelder, die Alarm schlagen oder das Licht einschalten.
Schauwohnung
Schwere Unfälle passieren vor allem durch Stürze aus großen Höhen. Stockbetten sind daher erst ab etwa sechs Jahren zu empfehlen. Fenster sollten mit versperrbaren Griffen versehen sein. Möbel, auf die die Kleinen klettern könnten, sind direkt bei Fenstern oder neben Balkongeländer tabu. Spitzer: „Kinder haben einen höheren Körperschwerpunkt. Sie kippen daher leicht über alles, was niedriger ist als ihr Nabel.“Sein Vorschlag zur Fallensuche: sich einmal in der Hocke, also auf Augenhöhe von Kindern, durch die eigene Wohnung zu bewegen.
Die Experten versuchen, die Unfallzahlen durch Sensibilisierung der Eltern sowie durch (bau-) rechtliche Maßnahmen zu senken. So ist die Verwendung von nicht splitterndem Sicherheitsglas bei Zimmertüren in Österreich Pflicht. „Leider halten sich nicht alle daran“, kritisiert Spitzer. Stürze durch Glasscheiben (häufig, weil Kinder rutschige Socken anhaben) führen zu schlimmen Verletzungen. Andere Maßnahmen scheitern an der Bürokratie: Bauord- nungen sind Landessache, weshalb man sich österreichweit noch nicht auf den verpflichtenden Einbau von Sicherheitssteckdosen oder Rauchmeldern einigen konnte. Beides zählt zu wichtigen Forderungen der Initiative „Große schützen Kleine“, die in Graz mit der „Bärenburg“eine einzigartige Einrichtung betreibt: „Eine Schauwohnung, in der mittels Führungen für Eltern und Kinder Gefahrenstellen im Haushalt sicht- und erlebbar gemacht werden“, wie Leiterin Tanja Werber erklärt. Das KfV arbeitet derzeit an einem Sicherheitsprogramm, das Gefahrenquellen im Haushalt analysiert und gegen Jahresende als Broschüre präsentiert werden soll.