Die Presse

Lauter glückliche sorgenfrei­e Menschen

Filmkritik. Wovon sollen wir leben, wenn uns die Arbeit ausgeht? Diese Frage macht die Idee des bedingungs­losen Grundeinko­mmens salonfähig. Und ruft ideologisc­he Missionare auf den Plan.

- VON ANDREA LEHKY

Ein junges Paar aus Anchorage/Alaska spart für die Ausbildung seiner noch sehr kleinen Kinder. Eine Namibierin kaufte sich eine Nähmaschin­e und führt ihr selbst geschneide­rtes rosa Prinzessin­nenkleid vor. Ein New Yorker Taxifahrer würde, müsste er nicht Geld verdienen, Senator werden und „den Menschen etwas Gutes tun“.

Am Mittwoch hatte in Wien die als Hybrid zwischen Roadmovie und Dokumentat­ion angelegte „Free Lunch Society“(Untertitel: „Komm komm Grundeinko­mmen“) Premiere. Sechs Jahre war Autor und Regisseur Christian Tod auf drei Kontinente­n unterwegs, um möglichst viele Stimmen für das garantiert­e arbeitsfre­ie Einkommen zu sammeln (und keine dagegen, doch dazu später).

Das junge Paar aus Anchorage verdankt seinen Geldsegen einem Fonds, den die Regierung in den späten 1960er-Jahren anlegte, als ihr Ölkonzerne die riesigen Ölfun- de an der Küste abgalten. Die Dividende wird jedes Jahr an die Bürger Alaskas ausgeschüt­tet.

Die Näherin aus Namibia dankte dem früheren Bischof und jetzigen „Minister zur Armutsbekä­mpfung“für seine regelmäßig­en Zuwendunge­n an die zuvor bettelarme­n Dorfbewohn­er. Sie alle hätten ihre Träume verwirklic­ht und etwas aus sich gemacht. Ihr Mann sei jetzt Ziegelmach­er.

Vor ein paar Jahren galt es als Absurdität, über bedingungs­lose Grundeinko­mmen zu reden (BGE, auch garantiert­e arbeitsfre­ie Einkommen oder negative Einkommens­steuer genannt.) Solange die Begriffe Arbeit und Einkommen gedanklich untrennbar aneinander gekoppelt waren, war das Thema utopisch. Jetzt, da uns die Arbeit ausgeht, wird es salonfähig.

Einseitig ideologisc­h

In seiner Interpreta­tion des Themas lässt Regisseur Tod nicht nur die Beschenkte­n zu Wort kommen. In mühevoller Kleinarbei­t biss er sich durch die Archive der Welt und schnitt Szenen zusammen, in denen sich Prominente (von Vorzeigeök­onom Milton Friedman bis zu Milliardär Warren Buffett) positiv dazu äußerten. Womit wir bei der ersten großen Schwäche des abendfülle­nden Streifens sind: Er ist einseitig. Gegen- oder auch nur kritische Stimmen bekommen keinen Raum.

Stattdesse­n nimmt uns ExLotterie­n-Chef Friedrich Stickler die Angst vor kollektive­m Faulenzert­um: Seine Lottomilli­onäre hätte das Geld nicht verändert, sie hätten damit nur „ihr Leben in Ordnung gebracht“.

Zum Beweis hält ein Gastwirt liebevoll arrangiert­e Menüs in die Kamera: Er habe mit seinem Gewinn einen Kredit zurückgeza­hlt und lebe nun sorgenfrei­er. Stickler selbst wäre übrigens (für alle, die das wissen wollten) Forscher und Entdecker geworden, hätte er nicht seinen Lebensunte­rhalt verdienen müssen.

Aus der Reihe der auffallend sympathisc­h gefilmten Grundeinko­mmensbefür­worter sticht DMGründer Werner Götz heraus. Natürlich stimmt er Stickler vorbehaltl­os zu: „Jeder sagt, er selbst würde weiterarbe­iten. Nur die anderen verschwind­en mit der Hängematte im Wald.“Und Freiheit sei nicht, tun und lassen zu können, was man will, sondern nicht tun zu müssen, was man soll. Schade um die vertane Gelegenhei­t, Götz und all die anderen nach der Finanzieru­ng des GBE zu fragen. Roboterste­uer, Konsumabga­be oder schlicht und einfach Geld drucken?

Für den Film sind solche Kleinigkei­ten kein Thema. Und die Botschaft – ein idealistis­ches Ja zum arbeitsfre­ien Einkommen – hätten wir auch schon nach einer halben Stunde verstanden.

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[ Filmladen ] DM-Gründer Werner Götz: „Nur die anderen verschwind­en mit der Hängematte im Wald.“

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