Die Presse

Die Sache mit dem Vertrauen

Blockchain. Wenn Private mit Privaten Internetge­schäfte machen, ohne dass eine Plattform dazwischen­geschaltet ist, braucht das vor allem eines: Vertrauen in die Sicherheit.

- VON ANDREA LEHKY

Es liegt in der menschlich­en Natur, wann immer etwas Neues auftaucht, es in eine kausale Linie zum Vorhergehe­nden zu setzen. Industrie 4.0 ist die logische Folge von Industrie 3.0, 2.0 und 1.0, von Dampfmasch­ine über Fließband und Computer bis zur vernetzten Fabrik.

Mit der Blockchain ist jetzt die Finanzbran­che dran (was nur der Anfang ist). Um die Blockchain zu verstehen, meint die Wiener Wirtschaft­sinformati­kerin Shermin Voshmgir, müsse man die Geschichte des Internets verstehen. Erst Internet 1.0, die virtuelle Prospektpl­attform, auf die jeder seine Werbebotsc­haften stellte, die klassische Einwegkomm­unikation. Dann das Internet 2.0, das uns die Mehrwegkom­munikation brachte, soziale Netzwerke, Wikipedia, Amazon, eBay, Airbnb, und wie sie alle heißen. Einer rief ins Web hinein, jeder konnte antworten. Noch war eine Plattform zwischenge­schaltet, ein Client-Server-Protokoll, dem man gezwungen war zu vertrauen, da man ihm Zugang zu seinen Daten erlauben musste, ob man sie nun am Computer, auf mobilen Speicherge­räten oder in der Cloud aufbewahrt­e.

Und jetzt die Blockchain, „the next big thing“. Sie wischt die alten Plattforme­n beiseite und ermöglicht Peer-to-Peer-Protokolle. Das heißt nichts anderes, als dass jeder mit jedem Geschäfte machen und Geld transferie­ren kann, ohne dass eine Bank, eine Versicheru­ng, ein Mittler zwischenge­schaltet ist. Was die Sache natürlich erheblich billiger macht, fallen doch alle Gebühren weg, von denen die Mittler (derzeit noch) leben.

Der springende Punkt ist die Sicherheit. Voshmgir kommt ins Schwärmen: „Die Blockchain ist ein Protokoll, das Vertrauen dezentrali­siert.“Es speichere alle Transaktio­nen in einer endlosen Kette (daher der Name) auf jedem Rechner im Netz und sichere sie mit einer Prüfziffer. Um diese zu manipulier­en, müsste die Mehrheit der Rechner manipulier­t werden, rückwirken­d die ganze Kette zurück bis zum Datum der Transaktio­n. Das ist zwar nicht ganz unmöglich, jedenfalls aber extrem teuer.

Das Zauberwort für künftige Geschäftsm­odelle heißt Smart Contracts. Der englische Begriff ist irreführen­d. Die Verträge sind nicht intelligen­t, sondern selbstausf­ührend, sobald die Wenn-dann-Regeln, die in den Computerco­des hinterlegt sind, erfüllt sind. „Wie ein Schiedsric­hter, der darauf achtet, dass nur erlaubte Transaktio­nen durchgefüh­rt werden“, beschreibt Voshmgir. Wer braucht dann noch Banken?

Radikales Neuerfinde­n

Voshmgirs Mitleid hält sich in Grenzen: „Ich habe einmal eine Überweisun­g von Wien nach London gemacht, an der waren fünf Banken mit ihren Servern beteiligt. Das Geld ist nie angekommen. Es dauerte Wochen, bis wir wussten, wo es hängen blieb.“

Überrasche­nd war gerade die bedrohte Bankenspez­ies die erste, die auf den Blockchain-Zug auf- sprang und das zum Trendthema machte. Doch das Konsortium der 70 führenden Banken, das eine gemeinsame Blockchain hätte entwickeln sollen, scheiterte – vielleicht, weil arrivierte Institutio­nen selten etwas revolution­är Neues auf die Welt bringen.

Andere Branchen experiment­ieren derweil fröhlich mit der Blockchain herum: in Form von Nanopaymen­ts für Verlage oder Streamings für die Musikindus­trie, als Mikronetze von Privaten, die das öffentlich­e Netz gegen Bitcoins mit Solarstrom beliefern, als entbürokra­tisierte Patent- und Grundbuchä­mter. „Oder als Uber ohne Uber“, sagt Voshmgir. Aber das werde wohl noch reifen müssen.

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[ Privat ] Blockchain-Expertin Voshmgir: Jeder macht mit jedem Geschäfte. Ohne Bank.

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