Die Presse

Customer Journey ist noch immer ein Fremdwort

Zukunft. Früher oder später werden Roboter die Kundenbera­tung bei Banken und Versicheru­ngen übernehmen – Stichwort Robo Advisory. Bei Credit Suisse geben Chatbots schon jetzt Auskunft über Richtlinie­n.

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Wer Geld veranlagen möchte, ist derzeit mit zwei Fragen konfrontie­rt. Zum Ersten: Worin investiere­n in Zeiten von niedrigen Zinsen? Zum Zweiten: Wie sieht Vermögensb­eratung durch Banken und Versicheru­ngen in Zeiten der Digitalisi­erung aus?

Auf die erste Frage lieferte beispielsw­eise die Allianz Versicheru­ng dieser Tage eine Antwort: Sie investiert in Infrastruk­tur und stieg daher beim britischen Wasservers­orger Affinity Water ein. Eine angestrebt­e Beteiligun­g am deutschen Autobahnne­tz und den angeschlos­senen Autobahnre­staurants ist derzeit wegen gesetzlich­er Bestimmung­en noch nicht möglich. Infrastruk­tureinrich­tungen wie Flughäfen oder Windparks, ist man in der Allianz-Zentrale in München überzeugt, seien derzeit Renditegar­anten.

Mit der zweiten Frage, wie Vermögensb­eratung in (naher) Zukunft aussehen wird, hat sich ein Innovation Talk von CPB Software und Emotion Banking kürzlich in Wien beschäftig­t. Das Online- und Offline-Nutzerverh­alten habe sich in wenigen Jahren rasant verändert, sagte Barbara Aigner, Geschäftsf­ührerin von Emotion Banking. Kunden seien verwöhnt und gleichzeit­ig anspruchsv­oll geworden. Doch die Banken hinkten dieser Entwicklun­g deutlich hinterher und könnten die gewünschte Customer Journey nicht anbieten: „Digitale Serviceori­entierung ist im Bankensekt­or immer noch das Zauberwort der Zukunft.“

Dabei sei vielen Banken und Versicheru­ngen unklar, was die Kunden wollen, sagte Jos Martens vom Finanzsoft­wareanbiet­er Objectway: In Europa wollen 60 Prozent der Kunden überwiegen­d di- gitale Kanäle nutzen, die Banken schätzen die Zahl mit 30 Prozent dagegen deutlich niedriger ein. Aktuelle Umfragen zeigen, dass 71 Prozent der Kunden Hybrid Advisory schätzen, während nur zehn Prozent Robo Advisory, also rein auf Computerba­sis betriebene Beratung, nutzen.

Computer spricht Recht

Wesentlich weiter in der Entwicklun­g ist Credit Suisse. Sie lässt Regulierun­gsfragen zunehmend von Robotern beantworte­n. Der Finanzdien­stleister setze inzwischen 20 solcher computerge­steuerter Instrument­e ein, sagte Handelsche­f Brian Chin.

Ein Teil dieser Roboter helfe Mitarbeite­rn, einfache Fragen zur Einhaltung von Richtlinie­n (Compliance) zu beantworte­n.

Die Technologi­e funktionie­rt ähnlich wie der Sprachassi­stent Alexa von Amazon. „Man stellt ihm eine Frage, und er spuckt die betreffend­e Vorschrift aus“, erklärte Chin. Das erspare den Mitarbeite­rn, eine Anleitung oder Internetse­ite zu konsultier­en.

Credit Suisse hofft, mithilfe dieser Technologi­e die Anrufe im hauseigene­n Compliance-Callcenter um bis zu 50 Prozent zu senken. Bisher habe die Bank damit in den entspreche­nden Abteilunge­n zwar Stellen einsparen können. Anderersei­ts habe Credit Suisse aber Programmie­rer eingestell­t, sodass der Personalbe­stand stabil geblieben sei.

Im Anschluss an die Finanzkris­e und den Kampf vieler Staaten gegen Steuersünd­er haben Banken ihre Compliance-Abteilunge­n in den vergangene­n Jahren ausgebaut. Zusammen mit den Ausgaben für die IT war das ein Kostentrei­ber für die Branche. (mhk/age.)

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