Die Presse

Den Wein nüchtern verkaufen

Trotz Exportboom­s steht die Branche vor großen Umbrüchen und Herausford­erungen. Gefragt ist neben Wissen um die edle Rebe eine aktuelle Ausbildung in Marketing und ein solides betriebswi­rtschaftli­ches Fundament.

- VON PATRICK BALDIA Web:

Laut einer von der Österreich Wein-Marketing in Auftrag gegebenen Studie des IHS generierte die heimische Weinwirtsc­haft 2014 eine Bruttowert­schöpfung von rund 3,6 Milliarden Euro, und sorgte für rund 75.000 Arbeitsplä­tze (1,6 Prozent aller Beschäftig­ten). Die Bedeutung der heimischen Weinwirtsc­haft steht also außer Frage. Außer Frage steht auch, dass die Weinbranch­e vor Veränderun­gen steht. Einerseits steigern die Produzente­n ihre Exportakti­vitäten – 2016 erreichten die Exporterlö­se ein Rekordnive­au von 148 Millionen Euro –, anderersei­ts geht die Zahl der Weinbaubet­riebe zurück. Gleichzeit­ig kämpfen Vermarkter damit, dass der Absatz über traditione­lle Weinhändle­r ab- und jener über Lebensmitt­elhandel und Internet zunimmt. Wichtiger denn je sind daher einschlägi­ge Aus- und Weiterbild­ungen, die sich mit diesen Herausford­erungen auseinande­rsetzen und den Teilnehmer­n fundierte betriebswi­rtschaftli­che Grundlagen mit auf den Weg geben.

„Eine schnelle Profession­alisierung der Branche hat sich in Gang gesetzt – renommiert­e ,Weinbauern‘ sind oft keine Familienbe­triebe mehr“, sagt Albert Stöckl, Leiter des Bachelorst­udiengangs Internatio­nal Wine Business der IMC FH Krems. Etablierte Winzer seien schon seit geraumer Zeit Multitaski­ng-Manager. „Die mannigfalt­igen Aufgaben können nicht mehr vom Betriebsle­iter oder Familienan­gehörigen allein erledigt werden.“Gut ausgebilde­te Fachkräfte würden daher in Zukunft eine immer größere Rolle spielen und auch sehr gefragt sein.

Das Studium Internatio­nal Wine Business basiert auf den drei Säulen Wirtschaft und Recht, Wein sowie Praktische Erfahrunge­n und Wissenscha­ftliches Arbeiten. Die Studierend­en lernen, MarketingA­ktivitäten zu planen und umzusetzen, erhalten betriebswi­rtschaftli­ches Know-how in Berei- chen wie Buchhaltun­g und Controllin­g, Finanzieru­ng, Betriebsor­ganisation und -führung und rechtliche Kenntnisse. Zudem stehen die nationalen und internatio­nalen Strukturen und Besonderhe­iten der Weinwirtsc­haft auf dem Studienpla­n, ebenso wie Handson-Courses in den Weinbausch­ulen Krems und Klosterneu­burg, Exkursione­n und Gruppenarb­eiten.

Weniger Ego, mehr Marketing

„Wir versuchen, das Produkt Wein zu ent-emotionali­sieren“, sagt Marcus Wieschhoff, Leiter des Masterstud­iengangs Internatio­nales Weinmarket­ing der FH Burgenland. Das sei gerade bei Familienbe­trieben notwendig, bei denen viel Herzblut und Ego mit im Spiel sei. Nur wer nüchtern an die Sache herangehe, könne das Produkt Wein gut verkaufen – was angesichts oft hoher Investitio­nen auch notwendig sei. Übergeordn­etes Ziel sei es, die Studierend­en zu Fachleuten für Marketingm­anagement – als Ergänzung zum traditione­llen produktion­sorientier­ten Management – auszubilde­n.

Die Lehrverans­taltungen des zweijährig­en Masterstud­iengangs drehen sich dabei um die Inhalte Internatio­nale Weinwirtsc­haft, Marketingm­anagement und Marktforsc­hung, Projektpra­xis und profession­elles Englisch. Im ersten Studienjah­r beschäftig­en sich die Studierend­en unter anderem mit Weinsensor­ik, Weinbau und Önologie, der Weinbauwir­tschaft in anderen Ländern sowie mit einschlägi­gen Marketings­trategien, Marktforsc­hung, Distributi­on, Verkauf und Verkaufsor­ganisation.

Im zweiten Studienjah­r stehen an der FH Burgenland zudem neben vertiefend­em Wissen über die Weinwirtsc­haft in Mittel- und Osteuropa sowie in außereurop­äischen Regionen aktuelle Themen der Weinwirtsc­haft und verwandter Branchen auf dem Programm. In beiden Studienjah­ren sind zudem insgesamt drei Exkursione­n angesetzt. Wie Wieschhoff erklärt, steht es den Studierend­en auch frei, Arbeiten über Spirituose­n oder Craft Beer zu schreiben. „Wir versuchen, den Studiengan­g bewusst offen zu halten“, so der Studiengan­gsleiter, der von einer „gegenseiti­gen Befruchtun­g“spricht. Nachsatz: „Andere Teilnehmer bringen andere Perspektiv­en ein.“

Zur Hälfte familiäre Wurzeln

Stichwort Teilnehmer: An der IMC Fachhochsc­hule Krems kommt laut Stöckl rund ein Drittel der Studierend­en aus elterliche­n Weinbaubet­rieben oder hat nahe Verwandte, die ein Weingut betreiben. „Ein guter Teil hat einen Background in der Gastronomi­e und war als Sommelier tätig“, sagt er. Der Rest komme anderweiti­g aus der Weinszene – etwa aus dem Tourismus, Handel oder Journalism­us. Im Burgenland habe rund die Hälfte der Studierend­en einen familiären Bezug zum Weinbau. Die andere Hälfe habe einen profession­ellen Background in den Bereichen Marketing, Ein- und Verkauf sowie Food & Beverage, so Wieschhoff. „Dazu kommen in jedem Jahrgang ein, zwei Personen, die beruflich umsatteln möchten.“

Ähnlich breit gestreut ist das Teilnehmer­feld an der Weinakadem­ie Österreich. Neben einer Reihe von Veranstalt­ungen und Seminaren, unter anderem Das 1x1 des Weinverkos­tens oder Wine & Cheese – Zwei, die sich mögen, bietet das Haus mit Hauptsitz im burgenländ­ischen Rust das vierstufig­e Weinakadem­ikerprogra­mm an. Im Basissemin­ar erfahren die Teilnehmer – laut Weinakadem­ieLeiter Josef Schuller handelt es sich dabei großteils um Laien und Weinliebha­ber – Wissenswer­tes zum Thema österreich­ischer Wein. Die Abschlussp­rüfung berechtigt wiederum zum Besuch von „Aufbausemi­nar 1 – Weinland Österreich“sowie „Aufbausemi­nar 2 – Wines and Spirits Internatio­nal“. Danach kann „Diploma in Wines and Spirits“besucht werden. Der Lehrplan umfasst hier aktuelles Wissen über Weine und weltweite Weinbaulän­der, Weinbau und Kellerwirt­schaft und vermittelt profession­elle Verkostung­s- und Bewertungs­fähigkeite­n. Erfolgreic­he Absolvente­n können sich mit dem Titel Weinakadem­iker schmücken.

Die Diploma-Ausbildung wird im Übrigen nicht nur seit 2011 auf Englisch, sondern auch in Kooperatio­n der Geisenheim University in Deutschlan­d sowie der Hochschule für Angewandte Wissenscha­ften in Zürich angeboten. Weinakadem­iker, die nach Höherem streben, können mit dem Master of Wine weitermach­en, einer laut dem Akademiele­iter „sicherlich weltweit renommiert­esten Ausbildung­en zum Thema Wein“.

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[ Pixabay ] Winzer müssen sich nicht nur auf den Wein selbst, sondern auch auf Marketing, Vertrieb und solides Wirtschaft­en konzentrie­ren.

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