Den Wein nüchtern verkaufen
Trotz Exportbooms steht die Branche vor großen Umbrüchen und Herausforderungen. Gefragt ist neben Wissen um die edle Rebe eine aktuelle Ausbildung in Marketing und ein solides betriebswirtschaftliches Fundament.
Laut einer von der Österreich Wein-Marketing in Auftrag gegebenen Studie des IHS generierte die heimische Weinwirtschaft 2014 eine Bruttowertschöpfung von rund 3,6 Milliarden Euro, und sorgte für rund 75.000 Arbeitsplätze (1,6 Prozent aller Beschäftigten). Die Bedeutung der heimischen Weinwirtschaft steht also außer Frage. Außer Frage steht auch, dass die Weinbranche vor Veränderungen steht. Einerseits steigern die Produzenten ihre Exportaktivitäten – 2016 erreichten die Exporterlöse ein Rekordniveau von 148 Millionen Euro –, andererseits geht die Zahl der Weinbaubetriebe zurück. Gleichzeitig kämpfen Vermarkter damit, dass der Absatz über traditionelle Weinhändler ab- und jener über Lebensmittelhandel und Internet zunimmt. Wichtiger denn je sind daher einschlägige Aus- und Weiterbildungen, die sich mit diesen Herausforderungen auseinandersetzen und den Teilnehmern fundierte betriebswirtschaftliche Grundlagen mit auf den Weg geben.
„Eine schnelle Professionalisierung der Branche hat sich in Gang gesetzt – renommierte ,Weinbauern‘ sind oft keine Familienbetriebe mehr“, sagt Albert Stöckl, Leiter des Bachelorstudiengangs International Wine Business der IMC FH Krems. Etablierte Winzer seien schon seit geraumer Zeit Multitasking-Manager. „Die mannigfaltigen Aufgaben können nicht mehr vom Betriebsleiter oder Familienangehörigen allein erledigt werden.“Gut ausgebildete Fachkräfte würden daher in Zukunft eine immer größere Rolle spielen und auch sehr gefragt sein.
Das Studium International Wine Business basiert auf den drei Säulen Wirtschaft und Recht, Wein sowie Praktische Erfahrungen und Wissenschaftliches Arbeiten. Die Studierenden lernen, MarketingAktivitäten zu planen und umzusetzen, erhalten betriebswirtschaftliches Know-how in Berei- chen wie Buchhaltung und Controlling, Finanzierung, Betriebsorganisation und -führung und rechtliche Kenntnisse. Zudem stehen die nationalen und internationalen Strukturen und Besonderheiten der Weinwirtschaft auf dem Studienplan, ebenso wie Handson-Courses in den Weinbauschulen Krems und Klosterneuburg, Exkursionen und Gruppenarbeiten.
Weniger Ego, mehr Marketing
„Wir versuchen, das Produkt Wein zu ent-emotionalisieren“, sagt Marcus Wieschhoff, Leiter des Masterstudiengangs Internationales Weinmarketing der FH Burgenland. Das sei gerade bei Familienbetrieben notwendig, bei denen viel Herzblut und Ego mit im Spiel sei. Nur wer nüchtern an die Sache herangehe, könne das Produkt Wein gut verkaufen – was angesichts oft hoher Investitionen auch notwendig sei. Übergeordnetes Ziel sei es, die Studierenden zu Fachleuten für Marketingmanagement – als Ergänzung zum traditionellen produktionsorientierten Management – auszubilden.
Die Lehrveranstaltungen des zweijährigen Masterstudiengangs drehen sich dabei um die Inhalte Internationale Weinwirtschaft, Marketingmanagement und Marktforschung, Projektpraxis und professionelles Englisch. Im ersten Studienjahr beschäftigen sich die Studierenden unter anderem mit Weinsensorik, Weinbau und Önologie, der Weinbauwirtschaft in anderen Ländern sowie mit einschlägigen Marketingstrategien, Marktforschung, Distribution, Verkauf und Verkaufsorganisation.
Im zweiten Studienjahr stehen an der FH Burgenland zudem neben vertiefendem Wissen über die Weinwirtschaft in Mittel- und Osteuropa sowie in außereuropäischen Regionen aktuelle Themen der Weinwirtschaft und verwandter Branchen auf dem Programm. In beiden Studienjahren sind zudem insgesamt drei Exkursionen angesetzt. Wie Wieschhoff erklärt, steht es den Studierenden auch frei, Arbeiten über Spirituosen oder Craft Beer zu schreiben. „Wir versuchen, den Studiengang bewusst offen zu halten“, so der Studiengangsleiter, der von einer „gegenseitigen Befruchtung“spricht. Nachsatz: „Andere Teilnehmer bringen andere Perspektiven ein.“
Zur Hälfte familiäre Wurzeln
Stichwort Teilnehmer: An der IMC Fachhochschule Krems kommt laut Stöckl rund ein Drittel der Studierenden aus elterlichen Weinbaubetrieben oder hat nahe Verwandte, die ein Weingut betreiben. „Ein guter Teil hat einen Background in der Gastronomie und war als Sommelier tätig“, sagt er. Der Rest komme anderweitig aus der Weinszene – etwa aus dem Tourismus, Handel oder Journalismus. Im Burgenland habe rund die Hälfte der Studierenden einen familiären Bezug zum Weinbau. Die andere Hälfe habe einen professionellen Background in den Bereichen Marketing, Ein- und Verkauf sowie Food & Beverage, so Wieschhoff. „Dazu kommen in jedem Jahrgang ein, zwei Personen, die beruflich umsatteln möchten.“
Ähnlich breit gestreut ist das Teilnehmerfeld an der Weinakademie Österreich. Neben einer Reihe von Veranstaltungen und Seminaren, unter anderem Das 1x1 des Weinverkostens oder Wine & Cheese – Zwei, die sich mögen, bietet das Haus mit Hauptsitz im burgenländischen Rust das vierstufige Weinakademikerprogramm an. Im Basisseminar erfahren die Teilnehmer – laut WeinakademieLeiter Josef Schuller handelt es sich dabei großteils um Laien und Weinliebhaber – Wissenswertes zum Thema österreichischer Wein. Die Abschlussprüfung berechtigt wiederum zum Besuch von „Aufbauseminar 1 – Weinland Österreich“sowie „Aufbauseminar 2 – Wines and Spirits International“. Danach kann „Diploma in Wines and Spirits“besucht werden. Der Lehrplan umfasst hier aktuelles Wissen über Weine und weltweite Weinbauländer, Weinbau und Kellerwirtschaft und vermittelt professionelle Verkostungs- und Bewertungsfähigkeiten. Erfolgreiche Absolventen können sich mit dem Titel Weinakademiker schmücken.
Die Diploma-Ausbildung wird im Übrigen nicht nur seit 2011 auf Englisch, sondern auch in Kooperation der Geisenheim University in Deutschland sowie der Hochschule für Angewandte Wissenschaften in Zürich angeboten. Weinakademiker, die nach Höherem streben, können mit dem Master of Wine weitermachen, einer laut dem Akademieleiter „sicherlich weltweit renommiertesten Ausbildungen zum Thema Wein“.