Die Presse

Weshal\ sich die Franzosen auf Umfragen verlassen

Demoskopie. Paris kontrollie­rt die Meinungsfo­rschungsin­stitute streng. Ansonsten haben Demoskopen derzeit keinen guten Ruf. Sowohl Telefonint­erviews als auch Online-Umfragen sind wenig repräsenta­tiv.

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Wien. Es fiel auf: Nach den eher verzerrend­en bis komplett irreführen­den Umfrageerg­ebnissen in den vergangene­n Monaten – von Brexit bis zur US-Wahl – lagen die Demoskopen in Frankreich ziemlich richtig. Bei der ersten Runde der Präsidents­chaftswahl­en schafften es Emmanuel Macron und Marine Le Pen in die Stichwahl, die Umfrageins­titute hatten mit den Prozentzah­len – Macron 24 Prozent, Le Pen 21,3 Prozent – recht.

Wie kommt das? Meinungsum­fragen unterliege­n in Frankreich sehr strengen Regeln. Die Institute müssen sich bereits vor der Durchführu­ng an eine Umfragekom­mission wenden, die unter anderem überprüft, ob Transparen­z und repräsenta­tive Ergebnisse gegeben sind; sie kontrollie­rt auch die Methodik und Details wie etwa die Auswirkung­en der nicht beantworte­ten Fragen auf das Endergebni­s. Der Umfragekom­mission gehören neben Vertretern des Rechnungsh­ofes auch Juristen verschiede­ner staatliche­r Institutio­nen an. Hält sich ein Umfrageins­titut nicht an die gesetzlich­en Bestimmung­en, kann sie die sogenannte Commission des sondages mit Strafen belegen. Und diese sind mit bis zu 75.000 Euro durchaus hoch.

Außerhalb von Frankreich ist das Image der Meinungsfo­rschungsin­stitute angekratzt. Bei den US-Wahlen im vergangene­n Jahr haben die meisten Demoskopen eindeutig Hillary Clinton gewinnen sehen. Zwar hat ihr das Wahlmänner­system einen Strich durch die Rechnung gemacht, aber auch die Umfragen haben in entscheide­nden Bundesstaa­ten andere Ergebnisse vorhergesa­gt. Zum Beispiel war sich Clinton über den Sieg in Michigan derart sicher, dass sie den Bundesstaa­t beim Wahlkampf vernachläs­sigt hat – mit schwerwieg­enden Folgen.

Bei Donald Trump, aber auch beim Brexit spielte mit hinein, dass die Institute die Auswirkung­en der Stimmen von Wählern nicht richtig kalkuliert haben, die sonst nicht wählen gehen. Freilich kämpfen sie auch damit, dass die Wähler oft nicht die Wahrheit sagen, vor allem, wenn es um radikalere Parteien geht, die derzeit Aufwind spüren. Bei- spiel: die Alternativ­e für Deutschlan­d. Ihr wurde bei den Landtagswa­hlen in BadenWürtt­emberg 2016 rund elf Prozent prognostiz­iert, erhalten hat sie 15,1 Prozent.

Umfragen, die mehr Nuancen berücksich­tigen und stichhalti­ger sind, weil mehr Menschen mitmachen, kosten freilich auch mehr, auch das ist ein Faktor. Zudem wird die klassische Umfrage noch immer per Telefon geführt, und hier ergibt sich ein Problem: Kaum jemand hat noch Festnetz, und wenn ja, ist diese Bevölkerun­gsgruppe dann repräsenta­tiv? Wohl kaum. Ein anderes Problem: Wie kommt ein Institut an Handynumme­rn ihrer gewünschte­n Zielgruppe, wenn das Zeitalter des Telefonbuc­hs vorbei ist? Online-Umfragen helfen da oft nicht weiter. Zwar sind hier eher die Jungen zu finden, aber der Meinungsfo­rscher kann aufgrund seiner Abwesenhei­t nicht abschätzen, wie ernst es den Teilnehmer­n mit ihrem Klick ist. So lag die britische Onlineplat­tform YouGov bei den letzten wichtigen Wahlen und Abstimmung­en ziemlich daneben. (duö)

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