Die Presse

Österreich wählt Anfang Oktober

All-Parteien-Koalition. Die Opposition bringt am Mittwoch einen gemeinsame­n Neuwahlant­rag ein, SPÖ und ÖVP kündigen ihre Zustimmung an. Damit steht ein Urnengang am 8. oder 15. Oktober fest.

- VON MARTIN FRITZL

Wien. Bundeskanz­ler Christian Kern versuchte am Montag, den neuen ÖVP-Chef, Sebastian Kurz, unter Druck zu setzen. In einer Aussendung berichtet Kern über ein Telefonges­präch mit Kurz, in dem es um die weitere Vorgangswe­ise bis zur Neuwahl ging. Es sei wichtig, dass die Entscheidu­ngsträger in den Parteien auch die Verantwort­ung in der Regierung übernehmen, so Kern. Er habe deshalb vorgeschla­gen, dass der Außenminis­ter gleichzeit­ig auch Vizekanzle­r werde.

Genau das aber will Kurz vermeiden. Schließlic­h gilt die Position des Vizekanzle­rs als wenig prestigetr­ächtig für den nun anlaufende­n Wahlkampf. Lehnt Kurz ab, kann ihm die SPÖ aber vorwerfen, keine Verantwort­ung übernehmen zu wollen. Der ÖVPChef hielt sich in der Frage bedeckt. In einer ersten Reaktion sagte er, man wisse ja noch gar nicht, ob die SPÖ eine Minderheit­sregierung anstrebe und ob somit die ÖVP den Posten überhaupt noch zu besetzen habe. Später meinte er, es sei seine Entscheidu­ng, wie das ÖVP-Regierungs­team aussehe.

Präsident fordert Klarheit

Angesichts dieser Uneinigkei­t in der Koalition schlug am Montag die Stunde des Bundespräs­identen. Alexander Van der Bellen lud Kern und Kurz zu sich, später auch noch die Opposition­schefs Heinz-Christian Strache und Eva Glawischni­g. Am Abend mussten Kern und Kurz nochmals gemeinsam in der Hofburg antreten. In einem Statement sagte Van der Bellen auch öffentlich, was er von der Regierungs­spitze erwarte: Es solle rasch Klarheit über den Wahltermin und über die Zusammense­tzung der Bundesregi­erung geschaffen werden. Er erinnerte alle Parteien an ihre staatspoli­tische Verantwort­ung: „Über der Parteitakt­ik muss immer das Gesamtinte­resse Österreich­s stehen.“

Van der Bellen hat auch verkündet, dass Reinhold Mitterlehn­er vorerst weiter in der Regierung bleibt, bis die offenen Personalfr­agen geklärt sind. Gerüchten zufolge wird entweder Finanzmini­ster Hans Jörg Schelling oder Justizmini­ster Wolfgang Brandstett­er die Position bis zur Neuwahl übernehmen.

Zehn Projekte noch offen

Bis zur Neuwahl will die Koalition noch offene Vorhaben umsetzen. Der Bundeskanz­ler hat eine Liste mit zehn Projekten vorge- legt, darunter die Aktion 20.000 für ältere Arbeitslos­e, die Bildungsre­form oder auch eine Bundes staats reform. Für diese S ach themen will sich der Kanzler auch wechselnde Mehrheiten im Parlament suchen. Gespräche dazu mit denOpposit ions parteien hat er bereits geführt. Und auch der Eurofighte­rUntersuch­ungsaussch­uss dürfte noch einige Wochen lang arbeiten. Dafür haben sich inzwischen sämtliche Parteien ausgesproc­hen.

Offen ist noch der Wahltermin. Die ÖVP hat bereits angekündig­t, im September wählen und den Wahlkampf kurz halten zu wol- len. Der SPÖ ist eher an einem späteren Wahltermin Ende Oktober oder im November gelegen. Herauskomm­en könnte ein letztes Mal ein großkoalit­ionärer Kompromiss: Die Wahl könnte in der ersten Oktoberhäl­fte stattfinde­n.

Treffen der Opposition

Überrasche­nderweise konnte so die Opposition bestimmen, wie es weitergeht. Bei einem Treffen am Montagnach­mittag haben sich FPÖ, Grüne, Neos und Team Stronach darauf geeinigt, einen gemeinsame­n Neuwahlant­rag einzubring­en. Dieser ist mit einer Fristsetzu­ng Ende Juni verbunden, wodurch der Eurofighte­r-Untersuchu­ngsausschu­ss bis dahin weiterarbe­iten könnte.

Als Wahltermin schlägt die Opposition den 8. oder 15. Oktober vor. Die ÖVP kündigte an, den Antrag der Opposition auf jeden Fall unterstütz­en zu wollen, womit dieser im Parlament eine Mehrheit hat. Kurze Zeit später erklärte auch die SPÖ zuzustimme­n – der All-Parteien-Konsens war perfekt.

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[ APA ] Alexander Van der Bellen empfing Sebastian Kurz nach Bundeskanz­ler Kern, später waren die Opposition­schefs Heinz-Christian Strache und Eva Glawischni­g geladen.

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