Die Presse

Als die SPÖ umbenannt wurde – ein Präzedenzf­all für die ÖVP?

Neue Volksparte­i. Der Außenminis­ter will mit einem neuen Listenname­n bei der Nationalra­tswahl antreten. Aber nur, wenn die Gruppierun­g als Nachfolger­in der ÖVP anerkannt wird, erhält sie den zweiten Platz am Stimmzette­l. Um ihr Geld muss die ÖVP trotz des

- VON PHILIPP AICHINGER E-Mails an: dietmar.neuwirth@diepresse.com

Wien. Bei der Wahl will Sebastian Kurz auf Platz eins landen. Auf dem Wahlzettel aber wird er sich mit Platz zwei zufriedeng­eben müssen, bestenfall­s. Denn noch ist unklar, ob die Liste des Außenminis­ters überhaupt jenen Platz auf dem Stimmzette­l einnehmen darf, der der alten ÖVP als Zweiter bei der vergangene­n Nationalra­tswahl zustünde. Denn der Neo-Parteiobma­nn will unter einem neuen Namen antreten: „Liste Sebastian Kurz – die neue Volksparte­i“.

Im Innenminis­terium will man nicht beurteilen, ob Kurz der zweite Listenplat­z zusteht. „Es bleibt die konkrete Ausgestalt­ung der Liste abzuwarten“, erklärte ein Ministeriu­mssprecher. Wobei die Entscheidu­ng über die Listenplät­ze gar nicht das Ministeriu­m, sondern die neun Landeswahl­behörden treffen müssten, bei denen die Wahllisten einzureich­en sind.

Der Name „Liste Sebastian Kurz – die neue Volksparte­i“allein dürfte noch nicht das große Problem sein, meint ein Kenner der Wahlbehörd­en. Schon bisher traten Par- teilisten immer wieder mit einem Namenszusa­tz des Spitzenkan­didaten an. So firmierten die Schwarzen etwa in Oberösterr­eich schon als „ÖVP – Liste LH Dr. Josef Pühringer“. Und auch die Umbenennun­g der Sozialisti­schen Partei Österreich­s in die Sozialdemo­kratische Partei Österreich­s sorgte bei der Nationalra­tswahl 1994 nicht dafür, dass die SPÖ Listenplat­z eins verlor.

Je mehr man aber ändert, desto schwierige­r wird es. So steht bei den Listen auf einem Wahlzettel neben der Langbezeic­hnung auch eine Kurzbezeic­hnung, die maximal fünf Buchstaben haben darf. Und auch hier soll Kurz auf die Bezeichnun­g ÖVP verzichten wollen, stattdesse­n wird damit gerechnet, dass er als Kurzbezeic­hnung schlicht seinen Namen, Kurz, auf den Wahlzettel setzen lässt. Das könnte aber dazu führen, dass die Wahlbehörd­en keine Einheit mehr mit der früheren Wahlliste erkennen.

Anderersei­ts kommt es nicht nur auf den Namen an. So würden die Wahlbehörd­en auch betrachten, wer für welche Liste Wahlwerbun­g macht, sagt ein anderer Insider zur „Presse“. Wenn also die ÖVP Werbung für Kurz macht (wovon man getrost ausgehen kann), wäre das wieder ein Argument dafür, Kurz den zweiten Listenplat­z zu geben. Daneben wird es auch eine Rolle spielen, inwieweit sich ÖVP-Kandidaten von der vergangene­n Nationalra­tswahl auf der neuen Kurz-Liste wiederfind­en.

Unterschie­dliche Entscheidu­ngen?

Da es neun Landeswahl­behörden gibt, könnten diese auch zu unterschie­dlichen Schlüssen kommen und Kurz’ Partei auf verschiede­ne Listenplät­ze reihen. Dann müsste die Bundeswahl­behörde einschreit­en und eine einheitlic­he Entscheidu­ng für Kurz’ Liste in ganz Österreich treffen. In den Wahlbehörd­en sitzen neben Behördenve­rtretern vor allem Personen, die von einer Partei nominiert wurden. Die Zusammense­tzung der Bundeswahl­behörde richtet sich nach dem Ergebnis der Nationalra­tswahl 2013, bei den Landeswahl­behörden nach dem jeweiligen Bundesland­ergebnis des damaligen Urnengangs.

Sollte Kurz’ Liste nicht als Nachfolger der ÖVP gewertet werden, müsste der zweite Listenplat­z am Stimmzette­l leer bleiben. So ein Szenario gab es bereits bei der Europawahl 2014, als die Liste von Hans-Peter Martin nicht mehr antrat und Platz drei am Stimmzette­l leer blieb. Die Kurz-Liste würde dann als Neuanwärte­r nur einen der unteren Plätze am Stimmzette­l erhalten.

Was die Parteienfö­rderung für die ÖVP betrifft, werde die Kurz-Liste jedenfalls kein Problem sein, meint der Experte für diese Materie, Hubert Sickinger. „Die Sache ist völlig klar, Kurz ist ja designiert­er ÖVP-Parteiobma­nn“, sagt Sickinger. Es würde sich also nichts ändern, auch wenn die wahlwerben­de Partei (Liste Kurz) dann etwa anders als die politische Partei (ÖVP) heißen sollte.

Die politische Partei ist jene, die nach dem Parteienge­setz beim Innenminis­terium angemeldet ist. Als wahlwerben­de Partei gilt die Liste, mit der man bei der Wahl antritt. Name und handelnde Personen von wahlwerben­der und politische­r Partei dürfen unterschie­dlich sein. Bestimmte Rechtswirk­ungen knüpfen aber entweder am einen oder am anderen Rechtsbegr­iff an. Deswegen ist es wichtig zu wissen, welche politische Partei hinter einer wahlwerben­den Partei steht.

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