Für Christian Kern kommen nun härtere Tage
Am Mittwoch ist es ein Jahr her: Der damalige Bundespräsident, Fischer, durfte zum letzten Mal einen Regierungschef angeloben. Dieser steht nun unter Druck.
C hristian Kern hat schon entspannter gewirkt. Die stundenlangen Gespräche über das Wie-geht-es-jetzt-eigentlichWeiter in Regierung, Nationalrat und seiner SPÖ zehren an Kräften und kosten Nerven. Am Mittwoch jährt sich der Tag der Angelobung des Bundeskanzlers in Maria Theresias Schlafzimmer zum ersten Mal. Gleichzeitig steht Christian Kern, eben noch Shootingstar der Sozialdemokratie, unvermittelt vor seiner ersten echten Bewährungsprobe nach nicht ganz einem Jahr im Amt. So brutal ist Politik.
Auch, wenn sich die gesamte öffentliche Aufmerksamkeit derzeit – noch – auf Sebastian Kurz konzentriert und dessen interessanten Feldversuch, die ÖVP vor dem Niedergang oder Auseinanderfallen zu retten: Kern muss, das darf nicht vergessen werden, auch das tun, was Kurz zu tun gezwungen ist. Er muss liefern. Das heißt, der SPÖ-Vorsitzende muss der in fast allen Bundesländern eher deplorablen SPÖ bei der Nationalratswahl im Herbst den Platz eins sichern. Oder wenigstens das Amt des Bundeskanzlers. Beides klingt leichter, als es ist. Denn die Rahmenbedingungen haben sich deutlich geändert. Darüber hinaus hat Kern in entscheidenden Szenen Fehler begangen.
Zunächst hat er nach Reinhold Mitterlehners Ankündigung, seiner Partei und der Politik generell nach Jahrzehnten den Rücken zu kehren, die ÖVP zur Fortsetzung der (ohnedies nur in Fantasien von Beratern real existierenden) Reformpartnerschaft eingeladen. Gleichzeitig hat Christian Kern ohne erkennbare Not dabei die Einladung ausdrücklich namentlich an Sebastian Kurz gerichtet. Dies geschah zu einem Zeitpunkt, als offiziell in der ÖVP noch nicht entschieden war, wer die Partei übernehmen würde. Dort wurde die Aktion auch alles andere als positiv aufgenommen. Ähnlich die, vorsichtig ausgedrückt, Unsensibilität, Kurz über die Medien dazu aufzufordern, doch bitte, bitte in das Amt des Vizekanzlers zu wechseln. Wieder: Es kommt wahrscheinlich in keiner Partei der Welt besonders gut an, wenn von außen ungefragt (Wer würde ernsthaft danach fragen?) Vorschläge für interne Personalentscheidungen gemacht werden. Das unterstützt im Fall Kerns die ÖVP-Erzählung, der Bun- deskanzler beliebe die Koalition wie eine SPÖ-Alleinregierung mit lästigem ÖVP-Anhängsel zu führen. Außerdem musste Kern von Anfang an klar sein, dass Kurz den Kelch des Vizekanzleramts ohne langes Zögern an sich vorüberziehen lassen würde. A ußerdem war es ein Fehler, sich das Handeln von einem anderen, von Sebastian Kurz eben, diktieren zu lassen, indem der Bundeskanzler die ÖVP zum Weiterregieren aufforderte, wohl wissend, dass es Kurz natürlich mit seinem Ruf nach einer Neuwahl ernst sein musste. Kern hätte auch wissen müssen, dass er diese Position angesichts der alles andere als linken Mehrheit im Nationalrat nicht würde halten können. Völlig auf dünnes Eis hat sich die SPÖ dann mit der Ankündigung begeben, sich im Nationalrat so ganz nach Belieben Mehrheiten suchen zu wollen, und mit den Drohungen von Strategen, eine Minderheitsregierung eben ohne ÖVP anzuführen. Das wären sehr volatile Mehrheiten geworden angesichts der Mandatsverhältnisse!
Selbst wenn ein Neuwahlantrag vielleicht nicht sofort eine Mehrheit gehabt hätte – denn immerhin gibt es, siehe Team Stronach und vier parteilose Mandatare, für manche ein existenzielles Interesse, möglichst lang ein Abgeordnetensalär in einer Höhe überwiesen zu bekommen, wie es später wohl schwer zu lukrieren sein wird. Eine rasche Mehrheit für einen Misstrauensantrag gegen den Bundeskanzler wäre aber allemal nicht auszuschließen gewesen.
Christian Kern erscheint derzeit jedenfalls eher als Getriebener, was umso mehr erstaunt, als ein Kurz-Szenario ja nicht völlig unwahrscheinlich war. Ein smarter, telegener politischer Quereinsteiger, gleichsam von null auf 100 in das Bundeskanzleramt katapultiert, in dem er sich die Fähigkeiten für politische Führung notgedrungen mittels Learning by Doing anzueignen hat, trifft nun hier wie dort also auf politische Vollprofis. Es kommen härtere Tage.