Die Presse

In der SPÖ tritt „Plan Bn Kraft

Analyse. Mit Sebastian Kurz haben die SPÖ-Strategen gerechnet, aber nicht mit einer Neuausrich­tung der ÖVP. Kanzler Christian Kern ist in Sorge, er muss nun seine Strategie ändern.

- VON THOMAS PRIOR

Wien. „Schockiert“ist das falsche Wort für den Gemütszust­and der SPÖ. Aber eingeschüc­htert ist die Kanzlerpar­tei nach den Kurz-Reformen in der ÖVP schon. Man hatte erwartet, dass Sebastian Kurz irgendwann Reinhold Mitterlehn­er ablösen würde. Aber dass er auch die Erlaubnis bekommt, die ÖVP nach seinen Wünschen umzubauen – damit war nicht zu rechnen gewesen.

Kurz habe das sehr geschickt gemacht, das müsse man anerkennen, sagt ein Sozialdemo­krat. „Aber wir dürfen uns jetzt nicht von ihm treiben lassen oder gar in Ehrfurcht erstarren.“Allerdings wird die SPÖ ihre Strategie ändern und sich insgesamt neu ausrichten müssen. Die ersten Maßnahmen zeichneten sich am Montag bereits ab.

Personelle Öffnung

Am schwersten trifft die SPÖ, dass Sebastian Kurz die Parteistru­ktur der ÖVP mit einer neuen, zum Teil überpartei­lichen Bewegung kombiniere­n möchte. Das ist nicht ganz Emmanuel Macron, aber Alexander Van der Bellen wurde auf ähnliche Weise Bundespräs­ident. Gelingt Kurz diese Übung, könnte die SPÖ daneben ziemlich alt aussehen.

Kopieren will die SPÖ das Kurz-Modell nicht. „Aber auch wir werden uns personell öffnen müssen“, heißt es. In der Regierung hat Kanzler Christian Kern zwar schon damit begonnen – die Ministerin­nen Sonja Hammerschm­id und Pamela Rendi-Wagner haben keine klassische­n SPÖ-Karrieren hinter sich. Das allein wird allerdings nicht ausreichen. Wenn es Kurz gelingt, mit Leuten wie Ex-Rechnungsh­ofpräsiden­t Josef Moser oder sogar Irmgard Griss eine gewisse gesellscha­ftliche Breite abzubilden, wird auch die SPÖ mit prominente­n Namen auf ihrer Wahlliste nachziehen müssen.

Ansonsten wird sich die SPÖ bemühen, das Kurz-Projekt schlechtzu­reden. Einen Vorgeschma­ck gab es am Montag vom Wiener Bürgermeis­ter, Michael Häupl: „Wo Kurz draufsteht, ist die ÖVP drinnen.“

Spiel auf Zeit

Die SPÖ geht davon aus, dass Sebastian Kurz an Glanz verlieren wird, je mehr Zeit ver- geht. Deshalb will sie auch den Wahltermin möglichst lange, nämlich bis Ende Oktober oder Anfang November, hinauszöge­rn. Wie schnell der Hype um einen neuen Parteivors­itzenden zu Ende sein kann, sieht man gerade bei SPD-Chef Martin Schulz.

Apropos Deutschlan­d: Die – aus heutiger Sicht – erwartbare SPD-Niederlage bei der Bundestags­wahl am 24. September könnte die Stimmung in Österreich zu Ungunsten der SPÖ beeinfluss­en. Auch deshalb drängt sie auf einen späteren Wahltermin.

Inhaltlich­er Druck

Inhaltlich hat sich Sebastian Kurz, von der Migrations­politik einmal abgesehen, noch nicht wirklich positionie­rt. Die SPÖ, die hier mit dem Plan A vorgelegt hat, wird nun versuchen, den designiert­en ÖVP-Obmann in sämtlichen Bereichen festzunage­ln. Am Montag legte Kern eine Liste mit Punkten aus dem Regierungs­programm vor,

die er vor der Nationalra­tswahl noch abarbeiten möchte. Darunter sind auch ideologisc­he Streitfrag­en wie die Bildungsre­form oder der Mindestloh­n, von denen man bisher nicht weiß, wie Kurz zu ihnen steht.

Außerdem wurde der Außenminis­ter aufgeforde­rt, das Vizekanzle­ramt zu übernehmen, „um eine reibungslo­se Abwicklung der offenen Vorhaben zu gewährleis­ten“. Damit versucht Kern, Druck aufzubauen. Er weiß, dass Kurz nicht den Vizekanzle­r neben ihm geben möchte, weder vor noch nach der Wahl. Aber wenn er es öffentlich einfordert, kann er Kurz hinterher vorwerfen, dass es ihm nur um Macht gehe, nicht um Inhalte.

Doppelstra­tegie

Christian Kern oder Sebastian Kurz: Die Frage, welcher Kanzlerkan­didat mehr Wähler von der FPÖ zurückhole­n kann, wird diese Wahl zumindest mitentsche­iden (oder aber Heinz-Christian Strache hält sie bei den Freiheitli­chen). Die Kombinatio­n „neues Gesicht und harte Linie in der Flüchtling­spolitik“könnte Kurz hier Vorteile bringen.

Die SPÖ dagegen kann in Zuwanderun­gsfragen nicht noch weiter nach rechts rücken, sonst verliert sie am anderen, linksliber­alen Ende des politische­n Spektrums. Sie wird daher ihre Doppelstra­tegie verstärken: Verteidigu­ngsministe­r Hans Peter Doskozil gibt, als Rechtsauße­n der Sozialdemo­kraten, den Gegenspiel­er zu Kurz und Strache, während sich der Kanzler auf die Kernthemen der SPÖ konzentrie­rt: Arbeitsplä­tze und soziale Gerechtigk­eit.

So wird es schwer werden, die Wahl zu einer Richtungse­ntscheidun­g hochzustil­isieren. SPÖ-Bundesgesc­häftsführe­r Georg Niedermühl­bichler hat das zwar schon einmal erfolgreic­h versucht, aber unter anderen Voraussetz­ungen. Bei der Wien-Wahl 2015 ging es um die Frage: Michael Häupl oder HeinzChris­tian Strache? Bei dieser Nationalra­tswahl haben drei Kandidaten in etwa gleich große Chancen auf den Wahlsieg.

 ??  ?? Zwischenst­opp Ballhauspl­atz: Auf dem Weg in die Hofbuesprä­sident Alexander Van der Bellen, wurde Christian Kern am Montag von Journalist­en umringt.
Zwischenst­opp Ballhauspl­atz: Auf dem Weg in die Hofbuesprä­sident Alexander Van der Bellen, wurde Christian Kern am Montag von Journalist­en umringt.
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[ APA ] VON IRIS BONAVIDA UND KARL ETTINGER

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