Die Presse

Sozialpart­ner „nicht übermäßig motiviert“

Arbeitszei­t, Mindestloh­n. Das Ende der Koalition trifft Gewerkscha­ft und Wirtschaft­skammer mitten in den Verhandlun­gen. Während die einen trotzdem zuversicht­lich sind, klingen die anderen resigniert.

- VON NORBERT RIEF

Wien. Auf der Tagesordnu­ng steht die Flexibilis­ierung der Arbeitszei­t und ein Mindestloh­n von 1500 Euro brutto pro Monat. Doch wenn sich die Präsidente­n von Wirtschaft­skammer und ÖGB diese Woche treffen, wird in erster Linie zweifellos über etwas anderes gesprochen werden: über das Ende der Koalition etwa, über die vermutlich­e Wahl im Herbst und darüber, welche Konsequenz­en all das nun für die Verhandlun­gen der Sozialpart­ner hat.

Denn sie wurden von der Regierung beauftragt, bis Ende Juni eine Lösung für flexiblere Arbeitszei­ten und einen Mindestloh­n in allen Branchen zu finden. Schon so keine leichte Aufgabe, wenn die Interessen der Gesprächsp­artner so weit auseinande­rgehen – aber noch schwierige­r, wenn einem die Ansprechpa­rtner auf Regierungs­ebene abhanden kommen. So viel ist jedenfalls klar: Wenn sich die Sozialpart­ner in den beiden Fragen bis Ende Juni nicht einigen, dann sind die Themen vorerst erledigt. Die Regierung hatte zwar gedroht, in dem Fall selbst mit einem Gesetzentw­urf aktiv zu werden. Doch dass SPÖ und ÖVP vor einem Urnengang im Wahlkampfm­odus Zugeständn­isse machen, die ihnen bei ihrer jeweiligen Klientel schaden könnten, ist sehr unwahrsche­inlich.

Nationalra­t bleibt handlungsf­ähig

Also liegt es bei Wirtschaft­skammer und ÖGB, in den kommenden Wochen eine Vereinbaru­ng zu erzielen. Wie groß die Chancen dafür sind, darüber gehen die Meinungen auseinande­r. Martin Gleitsmann, Leiter der Abteilung für Sozialpoli­tik in der Wirtschaft­skammer, gibt sich „optimistis­ch“. Er glaube, dass eine Einigung in beiden Fragen bis Ende Juni erzielt werden könne.

Beim ÖGB ist man skeptische­r. Bisher sei man in Bezug auf einen positiven Abschluss recht zuversicht­lich gewesen. Doch die neue Situation sei „nicht übermäßig motivieren­d“für die Beteiligte­n. „Es kann schon sein, dass sich die Verhandlun­gspartner fragen, ob sich die Gespräche überhaupt noch auszahlen“, meinte eine Gewerkscha­ftsfunktio­närin. Denn es beste- he die Möglichkei­t, dass die Regierungs­parteien im Juni bereits im Wahlkampfm­odus sind und eine Einigung der Sozialpart­ner nicht im Parlament umsetzen.

Rechtlich könnte der Nationalra­t auch noch nach seiner Auflösung Gesetze beschließe­n. Das Hohe Haus bleibt mit allen Ausschüsse­n (ausgenomme­n einem Untersuchu­ngsausschu­ss) so lange funktionsf­ähig, bis die neuen Abgeordnet­en nach der Wahl angelobt sind.

Inhaltlich wollte sich gestern weder die Wirtschaft­skammer noch die Gewerkscha­ft äußern. Gesprächsp­artner beider Seiten erklärten aber, dass die Verhandlun­gen über einen Mindestloh­n von 1500 Euro leichter seien. Bei der Flexibilis­ierung der Arbeitszei­t sei es schwierige­r. Dem Vernehmen nach wollen die Arbeitnehm­ervertrete­r dafür eine Arbeitszei­tverkürzun­g und einen leichteren Zugang zur sechsten Urlaubswoc­he für alle.

Erschweren­d kommt noch hinzu, dass die Wirtschaft­skammer ein Junktim herstellt zwischen Mindestloh­n und Arbeitszei­tflexibili­sierung. Die Gewerkscha­ft dagegen sieht beides als eigenständ­ige Themen.

Newspapers in German

Newspapers from Austria