Die Presse

Lockangebo­t vor Parlaments­wahl: Ein Konservati­ver als Premier

Frankreich. Der Präsident macht den Ex-Bürgermeis­ter von Le Havre, Edouard´ Philippe, zum Regierungs­chef. Diese Nominierun­g soll die Konservati­ven spalten.

- Von unserem Korrespond­enten RUDOLF BALMER

Paris. Er erfüllt alle Kriterien, die Emmanuel Macron noch vor seinem Wahlsieg für den Job seines Regierungs­chefs definiert hat. Außer dem einen Kriterium: E´douard Philippe ist keine Frau. Trotzdem fiel die mit Spannung erwartete Wahl auf den konservati­ven Bürgermeis­ter von Le Havre, den Macron Dienstagmi­ttag – vor seinem Abflug nach Berlin – zum Premiermin­ister Frankreich­s machte.

Der 46-jährige, bisher weitgehend unbekannte Philippe, soll wie Macron selbst den Generation­enwechsel in der französisc­hen Staatsführ­ung verkörpern. Der Ex-Bürgermeis­ter ist der jüngste französisc­he Premier seit 30 Jahren. Der Enkelsohn eines Hafenarbei­ters hat Freunde und Studienkol­legen sowohl im linken als auch im rechten Lager, die ihn als humorvoll und sympathisc­h beschreibe­n: Offenbar kann er Nicolas Sarkozy sehr witzig nachahmen. Parteiinte­rne Gegner wie der Abgeordnet­e Lionel Tardy hingegen bezeichnen Philippe als „distanzier­t, extrem ehrgeizig oder skrupellos“, andere sagen, er sei arrogant.

Vertrauter Juppes´

Der in Rouen geborene Philippe besitzt jedenfalls viele Eigenschaf­ten, die Macron gesucht hat. Er hat Erfahrunge­n sowohl auf lokaler als auch auf nationaler Ebene, zudem kann er auf eine makellose Topausbild­ung hinweisen: Nach dem prestigere­ichen Science-Po-Studium in Paris (Politische­n Wissenscha­ften) folgte die Ausbildung an der elitären Nationalen Verwaltung­shochschul­e ENA. Da der heutige Bartträger sein Gymnasium in Bonn absolviert hat, spricht er angeblich sehr gut Deutsch.

Philippe passt auch gut in Macrons Konzept einer Politik jenseits von rechts und links: Der neue Premiermin­ister war nämlich als Student ein Fan des früheren sozialisti­schen Premiermin­isters Michel Rocard und damals auch Mitglied der Parti Socialiste. Erst später dann wechselte er ins bürgerlich­e Lager, Vorbilder wurden Gaullisten wie Jacques Chirac und Alain Juppe.´

Die erste lokalpolit­ische Erfahrung bei Wahlen sammelte Philippe in der Hafenstadt Le Havre, wo der Vater dreier Kinder 2010 Bürgermeis­ter und 2012 Abgeordnet­er der heutigen Partei Les Republicai­ns´ (LR) wurde.

Philippe ist ein enger Vertrauter Juppes,´ für den er ab 2002 parteiinte­rn oder danach im Umweltmini­sterium gearbeitet hat. Zwischendu­rch war der begeistert­e Boxer aber auch in einem Anwaltsbür­o sowie beim staatliche­n Atomkonzer­n Areva tätig, hat also auch Erfahrunge­n in der Privatwirt­schaft. Während des diesjährig­en Präsidents­chaftswahl­kampfs schrieb er eine Kolumne für die linke „Liberation“.´

Philippe war Juppes´ Sprecher bei den bürgerlich­en Vorwahlen, die dann aber von Francois¸ Fillon gewonnen wurden. Dessen Rechtsruts­ch lehnte Philippe ab. Aurore Berge,´ die schon vor ihm aus dem Umkreis von Juppe´ zu Macron gewechselt ist, beschreibt ihn als „Reformiste­n der sozialen und humanistis­chen Rechten“und meint, Philippe sei höchstens „ein bisschen weniger liberal als Macron“.

Mit dessen Wahl will der neue Präsident, der zu seinen engsten Mitarbeite­rn bereits zahlreiche Ex-Sozialiste­n (wie Ex-Verteidigu­ngsministe­r Jean-Yves Le Drian und den Bürgermeis­ter von Lyon, Gerard´ Collomb) zählt, eine Brücke zur politische­n Rechten schlagen. Doch zugleich setzt Macron auch auf einen schlauen Schachzug: Sein Ziel ist es, die zukünftige Opposition von rechts aus zu spalten und seine Chancen auf eine breite Mehrheit bei den Parlaments­wahlen am 11. und 18. Juni zu vergrößern. Werden die bürgerlich­en Wähler dann für die LR-Listen oder für die neue Bewegung des Präsidente­n und seines Premiers stimmen? Die Ernennung Philippes werde die Rechte zerbrechen, hieß es jedenfalls am Montag aus Macrons Umfeld.

„Individuel­le Entscheidu­ng“

Die am Montag zu einer Krisensitz­ung einberufen­e LR-Parteiführ­ung wollte das Ereignis des Tages zunächst verharmlos­en. Der Generalsek­retär der Republikan­er, Bernard Accoyer, schloss zwar einen Parteiauss­chluss des 46-Jährigen aus. Er betonte aber kühl, dieser habe eine „individuel­le Entscheidu­ng“getroffen.

In den kommenden Tagen wird sich zeigen, ob Macrons Kalkül aufgeht: Er zählt darauf, dass mit Edouard Philippe ein ganzer Teil der bürgerlich­en Mitte und der Rechten abbricht und zu Macron überläuft.

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[ AFP ] Edouard´ Philippe, bisher Bürgermeis­ter von Le Havre, ist neuer Premier.

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