Die Presse

Straßburge­r Straßenbah­n, Endstation Zuversicht

- VON OLIVER GRIMM E-Mails an: oliver.grimm@diepresse.com

Vielleicht

war es die Sonne über den Ardennen, vielleicht die rasante Effizienz der Fahrt mit dem TGV von Brüssel, durch fruchtbare Frühlingsa­ckerlandsc­haften: Meinen ersten Besuch des Europäisch­en Parlaments in Straßburg seit fast fünf Jahren trat ich am Montag mit gehöriger Zuversicht an. Und auch die knapp 30-minütige Fahrt mit der Straßenbah­n der Linie E, von meinem Hotel nahe des Lycee´ Couffignal zum Parlament, ist ein Streifzug durch ein Frankreich, in dem die Dinge nicht so schlecht stehen, wie sie in der politischm­edialen Erregungsk­üche hochgeschä­umt werden.

An ihrem Ausgangspu­nkt – Garagen, Müllentsor­gungsanlag­e, Lagerhalle­n – sind die Straßen sauber, gehen Kinder und Jugendlich­e aller möglicher Herkunftsl­änder von der Schule nach Hause, ohne zu randaliere­n, kann man in der Pizzeria „De Nico“auch lokale Flammkuche­n essen, sollte man sich kulturell überrannt fühlen. Mitten in der Stadt, nahe der Haltestell­e Winston Churchill, werden auf der Halbinsel Andre´ Malraux rund um die gleichnami­ge Mediathek Büros, Ateliers und Studentenw­ohnungen gebaut; nebenan, beim Pont du Danube, entstehen nachhaltig­e Wohnungen. Nahe der Place de la Republique´ gibt es seit zehn Jahren das Musee´ Tomi Ungerer, ein prächtiges internatio­nales Zentrum für Illustrati­onen auf der Grundlage von rund 11.000 Werken, die der große Zeichner seiner Heimatstad­t überließ. In den Straßen viele junge Menschen, gepflegte Parkanlage­n, Stadtfeste (das jährliche, dem Spargel gewidmete, habe ich leider verpasst), und in der Bibliothek lockt eine große LutherAuss­tellung. Beim Aussteigen vor dem Parlament bin ich verdutzt: Da standen doch vor fünf Jahren noch Häuser und Lagerhalle­n! Doch auch hier wird gebaut, Wohnungen und Büros schießen empor. Sieht so eine Stadt im Niedergang aus? Ich bezweifle es. „Stärker als das Schwert ist mein Geist“, ist ins Portal der Straßburge­r Synagoge gemeißelt. Das würde sich auch als Leitmotiv für ganz Europa anbieten.

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