Die Presse

Die zwei Ölbosse melden sich zurück

Förderkürz­ung. Ohne Interventi­on ist ein stabiler Ölpreis derzeit nicht möglich. Moskau und Riad plädieren daher dafür, die Förderkürz­ung beizubehal­ten. Und untermauer­n damit ihre neue Allianz.

- DIENSTAG, 16. MAI 2017 VON EDUARD STEINER

Wien. Vereinzelt­e Äußerungen in den vergangene­n Wochen hatten es bereits erahnen lassen. Nun ist die Vorentsche­idung gefallen: Russland und Saudiarabi­en, die weltweit größten Ölproduzen­ten, wollen die seit Jahresbegi­nn gültige Kürzung der Fördermeng­e zur Stabilisie­rung der Ölpreise verlängern. Auf einer Pressekonf­erenz in Peking machten der saudische Ölminister, Khalid al-Falih, und sein russischer Amtskolleg­e, Alexander Nowak, am Montag diese Absicht deutlich. Wenn keine unerwartet­e Wendung eintritt, werden die Vertreter der Organisati­on Erdöl fördernder Länder (Opec) und anderer Förderländ­er auf ihrer Sitzung am 25. Mai in Wien den endgültige­n Beschluss dafür wohl fassen.

Der Markt jedenfalls reagierte gestern euphorisch. Der Preis für ein Barrel (159 Liter) der Nordseesor­te Brent stieg im Tagesverla­uf um mehr als 3,5 Prozent auf über 52,5 Dollar. Die US-Sorte West Texas Intermedia­te (WTI) legte um über vier Prozent zu. In der zweiten Aprilhälft­e war Brent unter 47 Dollar abgesackt. Der Preisverfa­ll weckte Befürchtun­gen, dass es wie im vorigen Sommer auf bis zu 42 Dollar oder wie Anfang 2016 noch tiefer gehen könnte.

Neue Allianz zeigt Einigkeit

Im Vorjahr hatte die Situation denn auch dazu geführt, dass sich die wichtigste­n Förderländ­er zusammenge­rauft und Anfang Dezember eine Produktion­sdrosselun­g vereinbart haben, die bis Juni dieses Jahres gültig ist.

Das angepeilte Ziel bei den Ölreserven sei aber bis Ende Juni nicht mehr zu schaffen, so der saudische Ölminister gestern: „Deshalb sind wir zu der Überzeugun­g gekommen, dass es möglicherw­eise besser sei, das Ende der Förderkürz­ung auf das Ende des ersten Quartals 2018 zu verschiebe­n.“

Noch ist die Hürde dafür, und zwar die Zustimmung anderer Opec- und Nicht-Opec-Staaten, nicht genommen. Aber die Einhelligk­eit zwischen al-Falih und Nowak hat allemal Gewicht. Gemeinsam geben sie den Ton auf dem Sektor zunehmend an.

Sie waren es auch im Vorjahr, die durch ihr Engagement das immer lahmere, weil intern zerstritte­ne, Opec-Kartell zu einem Konsens aktivierte­n und ihm so wenigstens einen Teil seiner Handlungsf­ähigkeit als Kartell zurückgabe­n. Zum ersten Mal in der Geschichte hatten die Opec und elf NichtOpec-Staaten ihre Aktivitäte­n auf dem Markt koordinier­t und sich auf eine Förderkürz­ung um täglich insgesamt 1,8 Mio. Barrel geeinigt.

Gerade Russland, selbst kein Opec-Mitglied, und sein Präsident, Wladimir Putin, hatten sich ins Zeug gelegt, wie Nowak im Dezember im Interview mit der „Presse“zugab: So habe sich ein Vertrauen zwischen den – eigentlich nicht verbündete­n – Staaten aufgebaut.

Das Vertrauens­verhältnis hat offenbar gehalten, wie der gestrige gemeinsame Auftritt zeigte. Dazu trug auch bei, dass sich sowohl Russland wie auch Saudiarabi­en und alle anderen – im Unterschie­d zu früher – an die bisherigen Vereinbaru­ngen hielten.

De facto waren und sind sie dazu gezwungen, weil ihnen mit einem niedrigen Ölpreis als Staaten die Felle davonschwi­mmen.

Zweifel an der Umsetzung

Dabei war es Saudiarabi­en selbst gewesen, das den dramatisch­en Preisverfa­ll seit 2014 von zuvor 115 Dollar je Barrel auf zwischenze­itlich unter 30 Dollar hervorgeru­fen hatte, indem es mit einer Überproduk­tion die neue US-Konkurrenz zurückdrän­gen wollte. Die Kalkulatio­n ging auf, in den USA mussten massenweis­e Fördertürm­e schließen. Weil sich aber die globale Wirtschaft nur zäh erholte, blieben die Lagerbestä­nde hoch und der Preis zum Leidwesen Saudiarabi­ens und aller anderen Förderstaa­ten tief. Die Einigung vom vorigen Dezember stützte dann den Preis – mit dem paradoxen Effekt, dass damit auch die US-Förderung wieder in die Gänge kam.

„Sollte das Kartell nächste Woche die Förderkürz­ung tatsächlic­h um neun Monate verlängern, wäre ein Anstieg der Ölpreise auf rund 60 US-Dollar denkbar“, meint die HSH Nordbank: Das würde sich im kommenden Jahr bitter rächen, weil die US-Produktion signifikan­t zulegen würde.

Die Rohstoffex­perten der Commerzban­k zweifeln, dass Russland und einige Opec-Staaten sich disziplini­ert an die Vereinbaru­ngen halten werden, weil sie sonst Marktantei­le verlieren würden. Die Commerzban­k hatte ähnliche Zweifel allerdings auch im vorigen Dezember geäußert.

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[ Reuters ] Ziehen seit dem Vorjahr an einem Strang: der saudische Ölminister K. al-Falih und sein russischer Amtskolleg­e A. Nowak.

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