Die zwei Ölbosse melden sich zurück
Förderkürzung. Ohne Intervention ist ein stabiler Ölpreis derzeit nicht möglich. Moskau und Riad plädieren daher dafür, die Förderkürzung beizubehalten. Und untermauern damit ihre neue Allianz.
Wien. Vereinzelte Äußerungen in den vergangenen Wochen hatten es bereits erahnen lassen. Nun ist die Vorentscheidung gefallen: Russland und Saudiarabien, die weltweit größten Ölproduzenten, wollen die seit Jahresbeginn gültige Kürzung der Fördermenge zur Stabilisierung der Ölpreise verlängern. Auf einer Pressekonferenz in Peking machten der saudische Ölminister, Khalid al-Falih, und sein russischer Amtskollege, Alexander Nowak, am Montag diese Absicht deutlich. Wenn keine unerwartete Wendung eintritt, werden die Vertreter der Organisation Erdöl fördernder Länder (Opec) und anderer Förderländer auf ihrer Sitzung am 25. Mai in Wien den endgültigen Beschluss dafür wohl fassen.
Der Markt jedenfalls reagierte gestern euphorisch. Der Preis für ein Barrel (159 Liter) der Nordseesorte Brent stieg im Tagesverlauf um mehr als 3,5 Prozent auf über 52,5 Dollar. Die US-Sorte West Texas Intermediate (WTI) legte um über vier Prozent zu. In der zweiten Aprilhälfte war Brent unter 47 Dollar abgesackt. Der Preisverfall weckte Befürchtungen, dass es wie im vorigen Sommer auf bis zu 42 Dollar oder wie Anfang 2016 noch tiefer gehen könnte.
Neue Allianz zeigt Einigkeit
Im Vorjahr hatte die Situation denn auch dazu geführt, dass sich die wichtigsten Förderländer zusammengerauft und Anfang Dezember eine Produktionsdrosselung vereinbart haben, die bis Juni dieses Jahres gültig ist.
Das angepeilte Ziel bei den Ölreserven sei aber bis Ende Juni nicht mehr zu schaffen, so der saudische Ölminister gestern: „Deshalb sind wir zu der Überzeugung gekommen, dass es möglicherweise besser sei, das Ende der Förderkürzung auf das Ende des ersten Quartals 2018 zu verschieben.“
Noch ist die Hürde dafür, und zwar die Zustimmung anderer Opec- und Nicht-Opec-Staaten, nicht genommen. Aber die Einhelligkeit zwischen al-Falih und Nowak hat allemal Gewicht. Gemeinsam geben sie den Ton auf dem Sektor zunehmend an.
Sie waren es auch im Vorjahr, die durch ihr Engagement das immer lahmere, weil intern zerstrittene, Opec-Kartell zu einem Konsens aktivierten und ihm so wenigstens einen Teil seiner Handlungsfähigkeit als Kartell zurückgaben. Zum ersten Mal in der Geschichte hatten die Opec und elf NichtOpec-Staaten ihre Aktivitäten auf dem Markt koordiniert und sich auf eine Förderkürzung um täglich insgesamt 1,8 Mio. Barrel geeinigt.
Gerade Russland, selbst kein Opec-Mitglied, und sein Präsident, Wladimir Putin, hatten sich ins Zeug gelegt, wie Nowak im Dezember im Interview mit der „Presse“zugab: So habe sich ein Vertrauen zwischen den – eigentlich nicht verbündeten – Staaten aufgebaut.
Das Vertrauensverhältnis hat offenbar gehalten, wie der gestrige gemeinsame Auftritt zeigte. Dazu trug auch bei, dass sich sowohl Russland wie auch Saudiarabien und alle anderen – im Unterschied zu früher – an die bisherigen Vereinbarungen hielten.
De facto waren und sind sie dazu gezwungen, weil ihnen mit einem niedrigen Ölpreis als Staaten die Felle davonschwimmen.
Zweifel an der Umsetzung
Dabei war es Saudiarabien selbst gewesen, das den dramatischen Preisverfall seit 2014 von zuvor 115 Dollar je Barrel auf zwischenzeitlich unter 30 Dollar hervorgerufen hatte, indem es mit einer Überproduktion die neue US-Konkurrenz zurückdrängen wollte. Die Kalkulation ging auf, in den USA mussten massenweise Fördertürme schließen. Weil sich aber die globale Wirtschaft nur zäh erholte, blieben die Lagerbestände hoch und der Preis zum Leidwesen Saudiarabiens und aller anderen Förderstaaten tief. Die Einigung vom vorigen Dezember stützte dann den Preis – mit dem paradoxen Effekt, dass damit auch die US-Förderung wieder in die Gänge kam.
„Sollte das Kartell nächste Woche die Förderkürzung tatsächlich um neun Monate verlängern, wäre ein Anstieg der Ölpreise auf rund 60 US-Dollar denkbar“, meint die HSH Nordbank: Das würde sich im kommenden Jahr bitter rächen, weil die US-Produktion signifikant zulegen würde.
Die Rohstoffexperten der Commerzbank zweifeln, dass Russland und einige Opec-Staaten sich diszipliniert an die Vereinbarungen halten werden, weil sie sonst Marktanteile verlieren würden. Die Commerzbank hatte ähnliche Zweifel allerdings auch im vorigen Dezember geäußert.