Die Überwindung des bürgerlichen Masochismus
Sebastian Kurz muss erst definieren, was neu sein soll an der „neuen Volkspartei“. Mitterlehner hat Dank verdient.
Vor rund einem Jahr war aus der Umgebung von Sebastian Kurz zu hören, er stelle sich zwar darauf ein, die Führung der Partei zu übernehmen, in eine Wahl wolle er aber „nicht mit dieser ÖVP“gehen. Aus anderen Beraterquellen war zu hören, er werde mit einer neuen Marke antreten, die etwa „Bündnis Kurz“heißen könnte oder ähnlich.
Das löste in der Partei, also vor allem in den Bündeorganisationen, sogleich einige Sorge aus. Man machte Kurz ziemlich deutlich klar, was er an der Partei hat und dass er ohne sie und ihre Organisationen (und auch ihr Geld) allein auf weiter Flur wäre. Das Ergebnis ist nun: Liste Sebastian Kurz – die neue Volkspartei.
Sehr viel neu ist daran nicht. Lediglich ÖVP kommt nicht mehr vor. Das gibt es auch in der Steiermark, wo sich die ÖVP schon lang Steirische Volkspartei nennt. Und dass das Parteikürzel auf Plakaten nicht mehr zu sehen ist, kennt man auch schon.
Auch die anderen Zusagen, die sich Kurz vom Parteivorstand hat geben lassen, sind nicht weltbewegend. „Mehr Mitsprache“bei der Bestellung der Kandidaten für den Nationalrat klingt gut, aber er muss sie von einem Landeshauptmann oder dem Obmann eines Bundes auch zugestanden bekommen. Freie Hand bei der Bestellung des Regierungsteams und des Generalsekretärs sollte eine Selbstverständlichkeit sein, man muss das aber durchsetzen können, wenn’s darauf ankommt. Von „Unterwerfung“der Partei durch Kurz kann jedenfalls keine Rede sein.
Aber weder auf diese vermeintlichen Durchgriffsrechte noch auf das Etikett, unter dem er firmiert, wird es letztlich ankommen. Das Neue an Kurz ist nicht die Marke, unter der er antritt, es müssen die Person und das Programm sein. Mut wird etwa eine wichtige Eigenschaft sein. Mit der Ankündigung einer Neuwahl, bevor er überhaupt Parteiobmann war, hat er immerhin schon Entscheidungskraft bewiesen.
Reinhold Mitterlehner glaubte, wie auch alle anderen in seiner Partei, die die Koalition schon gern längst aufgekündigt hätten, man brauche dazu einen geeigneten „Anlass“. Jetzt stellt sich heraus, dass man dazu gar keinen Anlass, sondern nur den Willen brauchte. Es ist schon lang her, dass die ÖVP auf so entschlossene Weise das Gesetz des Handelns auf ihre Seite brachte.
Der Bundeskanzler hat das schnell bemerkt und die Fakten akzeptiert. Christian Kern verhält sich ganz klug. Es scheint fast, als ob er an dem Ruhm und Rummel um seinen Rivalen auch irgendwie teilhaben möchte.