Sag beim Abschied leise Servus. Und Danke. Schön war’s
Sechzehn Jahre „Quergeschrieben“: So dankbar man war, dass Appelle gedruckt wurden, so sehr wurde man das Gefühl nicht los, dass vieles im Alltag unterging.
Don’t Like Goodbyes“ist eines meiner Lieblingslieder. Der Text ist ein Gedicht von Truman Capote, das Harold Arlen vertont hat. Walter Richard Langer nannte es einmal ein musikalisches Gipfeltreffen. Interpretiert wird es vom jungen Frank Sinatra. Oder von Barbra Streisand. Die zweite Zeile lautet „I’m not too good at leavin’ time“. Das stimmt: Abschiede sind nicht meine Stärke. Auch nicht hier und jetzt.
Sechzehn Jahre „Quergeschrieben“waren eine schöne Zeit. Der Dank gebührt einer Redaktion, die stets nobel und deren geistiges Umfeld bereichernd war. Eine Einflussnahme auf einen Beitrag hat man nie versucht, auch nicht in der subtilsten Form: dem Lob, verbunden mit der Empfehlung, doch beim nächsten Mal wieder etwas Ähnliches zu schreiben.
Manchmal habe ich diese Toleranz der „Presse“als kühl empfunden. In Wirklichkeit wahrte sie meine Freiheit. Unabhängigkeit und Einsamkeit sind eben Geschwister.
Und dann waren die Befürchtungen: banal zu werden. Den richtigen Zeitpunkt zum Aufhören zu versäumen. Sich zu wiederholen. Ganz am Anfang sagte mit Hans Werner Scheidl: „Schreiben Sie für uns. Aber glauben Sie nicht, dass Sie die Welt verändern werden.“Wie wahr.
Bei der sogenannten Bildungspolitik sind viele meiner Herzenswünsche verhallt. Etwa, dass die Schule im Zeichen von Liebe, aber auch von Leistung stehen soll. Dass Bildung immer auch Selbstbildung bedeutet. Dass das Lesen der Grundstein des Lernens ist. Dass es die Buben sind, um die man sich Sorgen machen muss. Dass kein Zusammenleben ohne Regeln auskommt. Dass die Schule durch Lob, nicht durch Schelte, besser wird.
So dankbar man war, dass Appelle gedruckt wurden, so sehr wurde man das Gefühl nicht los, dass vieles im Alltag unterging. Etwa die simple Wahrheit, dass jedes Land die Repräsentantinnen und Repräsentanten hat, die es verdient. Dass Politik eine asketische Grundhaltung erfordert, dass man aber andererseits von Politikerinnen und Politikern nicht die Einhaltung von Prinzipien fordern soll, die man selbst nicht erfüllt. Dass der Dialog mit Andersdenkenden notwendig ist und spannender als der Beifall von Gleichgesinnten. Dass demokratische Grundsatzdiskussionen und die Forderung nach diktatorischer Schnelligkeit unvereinbar sind. Dass gute Politik bedeutet, sich in die Gefühlswelt von Andersdenkenden hineinzuversetzen. Und dass Patriotismus kein Schimpfwort ist.
Dass Aufklärung notwendig ist, aber auch doktrinär werden kann. Dass man für Opfer eintreten soll, selbst wenn man manchmal das Gefühl hat, das Land bestehe nur mehr aus Opfern. Dass Selbstgerechtigkeit im Umgang mit der Vergangenheit ein Übel ist. Und man auf die Sprache achten soll.
Womit wir beim letzten Punkt wären: den unerreichbaren Vorbildern. Jenen Schriftstellern, zu denen man immer wieder zur Reinigung des Geistes gegriffen hat: Alfred Polgar, den sanften, scharfsinnigen Weltweisen. „Monsieur le vivisecteur“Robert Musil, dem folgend die eigene Unterschrift mit einem Punkt beschlossen wird. Jonathan Swift, der nie Kinderliteratur geschrieben hat.
Oder Laurence Sterne, dem der Sohn seinen Vornamen verdankt. Gustave Flaubert, dessen Briefen und Erzählungen meine Frau und ich bis zum Nil gefolgt sind. Virginia Woolf: ihre Tagebücher, das Bächlein Ouse, ihr Grab.
Und immer wieder Heinrich Heine. Darf man sich in den Schlussversen des „Atta Troll“wiederfinden?
Atta Troll, Tendenzbär; sittlich Religiös; als Gatte brünstig; Durch Verführtsein von dem Zeitgeist, Waldursprünglich Sanskülotte;
Sehr schlecht tanzend, doch Gesinnung Tragend in der zott’gen Hochbrust; Manchmal auch gestunken habend; Kein Talent, doch ein Charakter!
Adieu.