Rektor droht, Fächer abzuschaffen
Hochschule. Rektorenchef Vitouch fürchtet um Studienplatzfinanzierung und Budget. Die Zukunft der Unis werde als Kollateralschaden politischer Manöver in Kauf genommen.
Rektorenchef Vitouch fürchtet um Studienplatzfinanzierung und Budget. Der Wahlkampf sei für die Unis „in heftigster Weise bitter“.
Die Presse: Im Hochschulbereich steht einiges an. Was bedeuten denn die aktuellen innenpolitischen Umwälzungen für die Universitäten? Oliver Vitouch: Ich bin ein unverbrüchlicher Optimist aber dieser Tage wird mein Optimismus auf eine überaus harte Probe gestellt. Vor zwei Tagen hätte ich wahrscheinlich noch gesagt, ich vertraue auf die Vernunft und auf den Willen der politisch Verantwortlichen. Aber inzwischen habe ich Sorge, dass wirklich nur noch Wahlkampf herrscht. Das ist für die Unis in heftigster Weise bitter. Weil wir bei der Studienplatzfinanzierung unmittelbar vor der Ziellinie standen. Jetzt spielt man House of Cards – und die Sache ist wieder abgeblasen.
Die neue Uni-Finanzierung inklusive neuer Zugangsbeschränkungen sollte laut dem Regierungsupdate eigentlich bis Juni fixiert werden. Sie glauben aber offenbar nicht daran. Ich kann jetzt appellieren, dass nicht das Animo von 300.000 Studierenden verjuxt wird, wir nicht einmal mehr vertröstet, vertröstet, vertröstet oder besser gesagt frustriert werden, sondern dass das ins Ziel gebracht wird. Aber ich sage es ehrlich: Meine große Sorge ist, dass das nicht passiert. Die neue Volkspartei hat kein ernsthaftes Interesse, noch irgendetwas gelingen zu lassen, weil jedes gelungene Projekt unweigerlich auch der Bundeskanzler für sich verbuchen könnte.
Was bedeutet es für die Universitäten, wenn die lang diskutierte und bereits einmal verschobene Studienplatzfinanzierung wieder nicht umgesetzt wird? Es wäre, als würde ein Marathon bei Kilometer 40 abgebrochen. Es kommt aber doppelt schlimm. Denn offen ist auch die Frage, mit welchem Budget die Universitäten überhaupt für die Jahre 2019 bis 2021 rechnen können.
Das Gesamtbudget für diese drei Jahre muss laut Gesetz bis Ende dieses Jahres klar sein. Genau. Dafür braucht es einen Wissenschaftsminister und einen Finanzminister, die willens sind, sich auf ein vernünftiges Ergebnis zu einigen. Die 21 Universitäten schreiben gerade ihre Entwicklungspläne und haben keine Vorstellung davon, wann, durch wen und auf welcher sachlichen Basis es zu dieser Einigung kommen wird. Wir sind am Rande eines Worst-Case-Szenarios für die Universitäten und für unsere Studierenden. Übrigens auch für die Forschung.
Für die Forschung hat Reinhold Mitterlehner als Wissenschaftsminister zuletzt noch eine Forschungsmilliarde in den Raum gestellt. Die harrt noch der Fixierung. Fürchten Sie, dass sie auch unter den Tisch fällt? Wenn nicht ein kleines Wunder geschieht, ist all das völlig offen. Weil es von künftigen Konstellatio- nen, künftigen Mehrheiten, einem Wahlergebnis und den Einigungen danach abhängt. Ich hätte gerne das Zutrauen, dass man sich irgendwie an die bisherigen Planungen hält – es sind ja sogar die eigenen. Aber realistisch betrachtet: In dem Fieber, in dem sich die Politik momentan befindet, kann ich an Sacharbeit appellieren, kann Bundespräsident Alexander Van der Bellen danach rufen. Aber an ein Zurückfinden zur Sacharbeit glaube ich erst, wenn ich es sehe.
Keine Umsetzung der Studienplatzfinanzierung, ein wackeliges Budget für die nächsten Jahre: Sie zeichnen hier ein ziemlich düsteres Bild für die Zukunft der Universitäten. Was tun? Die Universitätenkonferenz muss sich beizeiten den Kopf über wirksame Kampfmaßnahmen zerbrechen. Wir haben heftigste Probleme bei den Betreuungsrelationen. Die sind zu lösen, durch mehr Budget oder durch Zugangsregelungen – oder realistisch gesehen durch beides. Wer das chronisch ignoriert, den müssen wir auf den harten Boden der Tatsachen zurückholen. Und das geht offensichtlich nur, indem man wirksam zeigt, dass es so nicht weitergeht. Indem etwa manche Studien in einem Studienjahr einfach nicht mehr inskribierbar sind.
Die Universitäten sollten Ihrer Meinung nach also streiken – und Studienfächer zusperren? Das ist keine offizielle Haltung der Universitätenkonferenz, aber meine persönliche Ansicht: Ich habe den Eindruck, dass wir noch deutlicher auf unseren Ausnahmezustand hinweisen müssen. Der gute Wille war zuletzt da, sogar gemeinsam in der Koalition. Dass das jetzt wieder unmittelbar vor der Ziellinie zu scheitern droht, ist wirklich bitter zum Quadrat. Die Zukunft der Universitäten wird zum Kollateralschaden politischer Manöver.
Wie gestern bekannt wurde, soll Harald Mahrer (ÖVP) nach dem Rückzug Mitterlehners nun die Funktion des Wissenschaftsministers übernehmen. Er ist im- merhin schon zwei Jahre lang als Staatssekretär im Wissenschaftsministerium tätig gewesen. Wäre das zumindest ein kleiner Hoffnungsschimmer? Das wäre eine naheliegende Nachfolge. Harald Mahrer ist kompetent und eingearbeitet und es gibt ein gutes Arbeitsverhältnis mit dem Spiegelressort von SPÖ-Bildungsministerin Sonja Hammerschmid. Wenn man die Studienplatzfinanzierung noch sachlich abschließen wollte, sehe ich nicht, was einen daran hindern würde. Der Fahrplan steht, der Zeitplan steht, man muss es nur wollen. Just daran dürfte es momentan fehlen.