Die Presse

Rektor droht, Fächer abzuschaff­en

Hochschule. Rektorench­ef Vitouch fürchtet um Studienpla­tzfinanzie­rung und Budget. Die Zukunft der Unis werde als Kollateral­schaden politische­r Manöver in Kauf genommen.

- VON BERNADETTE BAYRHAMMER

Rektorench­ef Vitouch fürchtet um Studienpla­tzfinanzie­rung und Budget. Der Wahlkampf sei für die Unis „in heftigster Weise bitter“.

Die Presse: Im Hochschulb­ereich steht einiges an. Was bedeuten denn die aktuellen innenpolit­ischen Umwälzunge­n für die Universitä­ten? Oliver Vitouch: Ich bin ein unverbrüch­licher Optimist aber dieser Tage wird mein Optimismus auf eine überaus harte Probe gestellt. Vor zwei Tagen hätte ich wahrschein­lich noch gesagt, ich vertraue auf die Vernunft und auf den Willen der politisch Verantwort­lichen. Aber inzwischen habe ich Sorge, dass wirklich nur noch Wahlkampf herrscht. Das ist für die Unis in heftigster Weise bitter. Weil wir bei der Studienpla­tzfinanzie­rung unmittelba­r vor der Ziellinie standen. Jetzt spielt man House of Cards – und die Sache ist wieder abgeblasen.

Die neue Uni-Finanzieru­ng inklusive neuer Zugangsbes­chränkunge­n sollte laut dem Regierungs­update eigentlich bis Juni fixiert werden. Sie glauben aber offenbar nicht daran. Ich kann jetzt appelliere­n, dass nicht das Animo von 300.000 Studierend­en verjuxt wird, wir nicht einmal mehr vertröstet, vertröstet, vertröstet oder besser gesagt frustriert werden, sondern dass das ins Ziel gebracht wird. Aber ich sage es ehrlich: Meine große Sorge ist, dass das nicht passiert. Die neue Volksparte­i hat kein ernsthafte­s Interesse, noch irgendetwa­s gelingen zu lassen, weil jedes gelungene Projekt unweigerli­ch auch der Bundeskanz­ler für sich verbuchen könnte.

Was bedeutet es für die Universitä­ten, wenn die lang diskutiert­e und bereits einmal verschoben­e Studienpla­tzfinanzie­rung wieder nicht umgesetzt wird? Es wäre, als würde ein Marathon bei Kilometer 40 abgebroche­n. Es kommt aber doppelt schlimm. Denn offen ist auch die Frage, mit welchem Budget die Universitä­ten überhaupt für die Jahre 2019 bis 2021 rechnen können.

Das Gesamtbudg­et für diese drei Jahre muss laut Gesetz bis Ende dieses Jahres klar sein. Genau. Dafür braucht es einen Wissenscha­ftsministe­r und einen Finanzmini­ster, die willens sind, sich auf ein vernünftig­es Ergebnis zu einigen. Die 21 Universitä­ten schreiben gerade ihre Entwicklun­gspläne und haben keine Vorstellun­g davon, wann, durch wen und auf welcher sachlichen Basis es zu dieser Einigung kommen wird. Wir sind am Rande eines Worst-Case-Szenarios für die Universitä­ten und für unsere Studierend­en. Übrigens auch für die Forschung.

Für die Forschung hat Reinhold Mitterlehn­er als Wissenscha­ftsministe­r zuletzt noch eine Forschungs­milliarde in den Raum gestellt. Die harrt noch der Fixierung. Fürchten Sie, dass sie auch unter den Tisch fällt? Wenn nicht ein kleines Wunder geschieht, ist all das völlig offen. Weil es von künftigen Konstellat­io- nen, künftigen Mehrheiten, einem Wahlergebn­is und den Einigungen danach abhängt. Ich hätte gerne das Zutrauen, dass man sich irgendwie an die bisherigen Planungen hält – es sind ja sogar die eigenen. Aber realistisc­h betrachtet: In dem Fieber, in dem sich die Politik momentan befindet, kann ich an Sacharbeit appelliere­n, kann Bundespräs­ident Alexander Van der Bellen danach rufen. Aber an ein Zurückfind­en zur Sacharbeit glaube ich erst, wenn ich es sehe.

Keine Umsetzung der Studienpla­tzfinanzie­rung, ein wackeliges Budget für die nächsten Jahre: Sie zeichnen hier ein ziemlich düsteres Bild für die Zukunft der Universitä­ten. Was tun? Die Universitä­tenkonfere­nz muss sich beizeiten den Kopf über wirksame Kampfmaßna­hmen zerbrechen. Wir haben heftigste Probleme bei den Betreuungs­relationen. Die sind zu lösen, durch mehr Budget oder durch Zugangsreg­elungen – oder realistisc­h gesehen durch beides. Wer das chronisch ignoriert, den müssen wir auf den harten Boden der Tatsachen zurückhole­n. Und das geht offensicht­lich nur, indem man wirksam zeigt, dass es so nicht weitergeht. Indem etwa manche Studien in einem Studienjah­r einfach nicht mehr inskribier­bar sind.

Die Universitä­ten sollten Ihrer Meinung nach also streiken – und Studienfäc­her zusperren? Das ist keine offizielle Haltung der Universitä­tenkonfere­nz, aber meine persönlich­e Ansicht: Ich habe den Eindruck, dass wir noch deutlicher auf unseren Ausnahmezu­stand hinweisen müssen. Der gute Wille war zuletzt da, sogar gemeinsam in der Koalition. Dass das jetzt wieder unmittelba­r vor der Ziellinie zu scheitern droht, ist wirklich bitter zum Quadrat. Die Zukunft der Universitä­ten wird zum Kollateral­schaden politische­r Manöver.

Wie gestern bekannt wurde, soll Harald Mahrer (ÖVP) nach dem Rückzug Mitterlehn­ers nun die Funktion des Wissenscha­ftsministe­rs übernehmen. Er ist im- merhin schon zwei Jahre lang als Staatssekr­etär im Wissenscha­ftsministe­rium tätig gewesen. Wäre das zumindest ein kleiner Hoffnungss­chimmer? Das wäre eine naheliegen­de Nachfolge. Harald Mahrer ist kompetent und eingearbei­tet und es gibt ein gutes Arbeitsver­hältnis mit dem Spiegelres­sort von SPÖ-Bildungsmi­nisterin Sonja Hammerschm­id. Wenn man die Studienpla­tzfinanzie­rung noch sachlich abschließe­n wollte, sehe ich nicht, was einen daran hindern würde. Der Fahrplan steht, der Zeitplan steht, man muss es nur wollen. Just daran dürfte es momentan fehlen.

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