Polen zeigt kein Verständnis für Kritik
Rechtsstaatlichkeit. Die EU-Regierungen setzten auf Dialog mit Warschau. Aber die polnische Regierung hat bisher nicht auf Kritik an der Unterwanderung der Justiz reagiert.
Brüssel. Polen muss im Justiz-Streit mit der EU vorerst keine Sanktionen befürchten. Die anderen EURegierungen setzen auf Geduld und appellierten bei einer Ratssitzung in Brüssel auf einen fortgesetzten Dialog mit der Regierung in Warschau. Dafür muss sich aber nun auch die nationalkonservative Führung bereit erklären.
Der zuständige EU-Kommissionsvize Frans Timmermans sagte, eine „breite Mehrheit“der EU-Staaten unterstütze die Fortsetzung der Bemühungen der EU-Kommission. „Ich glaube, dass die polnische Regierung jetzt offen für einen Dialog ist“, so Timmermans. Der stellvertretende EU-Kommissionspräsident wollte Warschau keine weitere Frist setzen. „Ultimaten und Drohungen helfen nicht.“
Der rechtskonservativen polnischen Regierungspartei PiS wird unter anderem vorgeworfen, das Verfassungsgericht in seiner Unabhängigkeit eingeschränkt zu haben. Auch der Europarat und die ihm angegliederte Venedig-Kommission, die über Demokratie und Grundrechte wachen, hatten sich besorgt über die Entwicklung in Polen gezeigt.
Am Dienstag habe beim Treffen der EU-Außen- und Europaminister eine breite Übereinstimmung geherrscht, dass die Rechtsstaatlichkeit im gemeinsamen Interesse und in der gemeinsamen Verantwortung der EU-Institutionen und der Mitgliedstaaten liege, sagte Timmermans. Niemand wolle aber ein EU-Mitgliedsland in die Ecke stellen. Die Diskussion sei „ein exzellenter Ausgangspunkt“gewesen, so Timmermans. Er kündigte an, am Freitag dieser Woche nach Warschau zu reisen, allerdings werde er dabei keine Vertreter der polnischen Regierung treffen.
Warschau ist Antwort schuldig
Die PiS-Regierung, so wird seit Wochen in Brüssel kritisiert, zeigte bisher wenig Verständnis für die Einwände der EU-Kommission. Timmermans hatte deshalb den Ball an die Mitgliedstaaten weitergeleitet. Sie müssten nun auch ih- rerseits Druck auf Warschau erhöhen. Die EU sei eine Wertegemeinschaft, „diese Werte binden die EU-Institutionen und die Mitgliedsstaaten gleichermaßen“, bekräftigte denn auch Michael Roth, Staatssekretär im deutschen Außenministerium, nach dem EURatstreffen. Die besondere Rolle der EU-Kommission als Hüterin der Verträge müsse respektiert werden, so Roth. In der zweiten Jahreshälfte soll die EU-Kommission die Regierungen erneut über die Situation in Polen informieren. Obwohl es noch einige Punkte gebe, bei denen man sich aufeinander zubewegen müsse, sei er optimistisch, sagte Roth.
Der belgische Außenminister Didier Reynders betonte, dass der Dialog mit Polen zur Zeit blockiert sei. Warschau müsse nun während dieser oder der nächsten EU-Präsidentschaft Antworten zu den Empfehlungen der Kommission liefern, bisher sei dies nicht der Fall gewesen. Er plädiere für ein Kontrollsystem zur Rechtsstaatlichkeit in allen europäischen Staaten. (ag./wb)