Die Presse

Kurdenmili­z spaltet Türkei und USA

Analyse. In Washington wollte der türkische Präsident Erdo˘gan seinen Gastgeber davon abbringen, kurdische Kämpfer in Syrien zu bewaffnen. Doch Trump braucht sie für den Kampf gegen den IS.

- Von unserer Korrespond­entin SUSANNE GÜSTEN

Krisenmana­gement im Weißen Haus: Beim ersten Treffen des türkischen Staatspräs­identen Recep Tayyip Erdogan˘ mit Donald Trump am Dienstag in Washington zeichnete sich keine Lösung in den tiefgreife­nden Meinungsve­rschiedenh­eiten zwischen den beiden Partnern mit Blick auf den Syrien-Konflikt ab. Erdogans˘ Plan, den US-Präsidente­n von dem Vorhaben der Bewaffnung einer syrischen Kurdenmili­z abzubringe­n, galt als aussichtsl­os.

Für das Gespräch der beiden Präsidente­n räumte das Weiße Haus eine halbe Stunde ein – keine Zeitspanne, in der die prinzipiel­len Differenze­n von USA und Türkei ausgeräumt werden könnten. Nach einem Auftritt vor Medien wollten sich die beiden Staatsmänn­er noch zu einem gemeinsame­n Essen zusammense­tzen.

Trump hat in Syrien Barack Obamas Politik der Zusammenar- beit mit den Kurden nicht beendet, sondern zum Entsetzen Ankaras noch weiter verstärkt. Offenbar stehe der US-Präsident unter dem Einfluss von Beratern seines Vorgängers, erklärte Erdogan˘ spitz. Vergangene Woche ordnete Trump die Lieferung schwerer Waffen an die syrische Kurdenmili­z YPG an, die syrische Vertreteri­n der kurdischen Terrororga­nisation PKK.

Mit Hilfe der Kurden will Trump sein großes Ziel in Syrien verwirklic­hen und dem Islamische­n Staat (IS) eine vernichten­de militärisc­he Niederlage beibringen. Da die Amerikaner keine eigenen Bodentrupp­en entsenden wollen, verlassen sie sich auf die lokale Hilfstrupp­e der Syrischen Demokratis­chen Streitkräf­te (SDF), bei denen die Kurden den Ton angeben. Mit amerikanis­chen Panzerfäus­ten und Granatwerf­ern soll die SDF den IS in Raqqa angreifen, der Hauptstadt des „Kalifats“der Dschihadis­ten.

Erdogan˘ befürchtet, dass die Kurden die amerikanis­chen Waffen anschließe­nd gegen die Türkei richten und ihren Einflussbe­reich im Norden Syriens ausbauen werden; Ankara sorgt sich, dass dort ein eigener Kurdenstaa­t entstehen könnte. Der türkische Präsident hatte in der Vergangenh­eit die USA in deutlichen Worten aufgeforde­rt, sie müssten sich zwischen dem Nato-Partner Türkei und den syrischen Kurden entscheide­n. Trump setzt dennoch auf die Bewaffnung der SDF.

Kein Plan B für Raqqa-Angriff

Der Nahost-Experte Aaron Stein von der Denkfabrik „Atlantic Council“in Washington sagte in einem Beitrag für die Internetse­ite „War On The Rocks“voraus, dass Erdogan˘ beim Thema Kurden wohl mit leeren Händen aus der USHauptsta­dt nach Hause reisen werde. Der türkische Präsident könne Trump keine glaubwürdi­ge Alternativ­e für den Einsatz der Kurden beim Sturm auf Raqqa anbieten.

Die Türkei wirbt zwar für den Gedanken, den Angriff auf die IS- Hochburg von Milizionär­en der Freien Syrien Armee (FSA) ausführen zu lassen, doch bezweifelt die US-Regierung, dass die FSA für die Aufgabe stark genug ist.

Beobachter spekuliert­en deshalb über mögliche Zugeständn­isse Trumps an den türkischen Präsidente­n in anderen Bereichen des Syrien-Konfliktes. So galt es als möglich, dass die USA der Türkei nach einer Vertreibun­g des IS aus Raqqa eine größere Rolle im Norden Syriens zugestehen.

Ein solches Angebot wäre nicht ganz uneigennüt­zig. Westliche Experten weisen schon jetzt auf die Gefahr hin, dass ausländisc­he ISKämpfer nach der Schlacht um Raqqa versuchen könnten, aus Syrien herauszuko­mmen und sich nach Libyen, Afghanista­n oder Europa abzusetzen. Bei der Verhinderu­ng einer solchen Atomisieru­ng des IS würde die Türkei als direkter Nachbar Syriens mit einer 900 Kilometer langen Landgrenze eine wichtige Rolle spielen.

Gastkommen­tar von Gülen

Unklarheit herrschte am Dienstag auch hinsichtli­ch des türkischen Wunsches nach Auslieferu­ng des islamische­n Predigers und Erdogan-˘Gegners Fethullah Gülen aus den USA. Bisher hat Trumps Regierung nichts unternomme­n, um die Abschiebun­g des in Pennsylvan­ia lebenden Gülen an Ankara voranzutre­iben.

Die türkische Führung zeigte sich in den vergangene­n Tagen sehr enttäuscht darüber. Gülen selbst warf Erdogan˘ am Dienstag in der „Washington Post“vor, unschuldig­e Menschen verfolgen, foltern und töten zu lassen.

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[ Reuters ] US-Präsident Donald Trump empfing am Dienstag den türkischen Staatschef, Recep Tayyip Erdogan,˘ im Weißen Haus.

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