Die Presse

Lässt Assad Leichen verbrennen?

Syrien. USA erheben neue Vorwürfe gegen das Regime in Damaskus. Im berüchtigt­en Gefängnis Sednaya, Ort von Folter und Massenhinr­ichtungen, soll es ein Krematoriu­m errichtet haben.

- VON THOMAS VIEREGGE

Wien/Washington. Nicht nur Joav Galant fühlt sich an die Todesmasch­inerie der Nazis erinnert, an die systematis­che Auslöschun­g, Beseitigun­g und Verbrennun­g von Gefangenen eines Regimes. „In Syrien werden Leute hingericht­et, gezielt mit Chemiewaff­en angegriffe­n, und jetzt werden auch noch ihre Leichen verbrannt – etwas, was wir seit 70 Jahren nicht mehr gesehen haben.“Der Bericht über ein Krematoriu­m im berüchtigt­en syrischen Gefängnis Sednaya nördlich von Damaskus, das das US-Außenminis­terium jetzt anhand von Satelliten­fotos ausgemacht haben will, traf den israelisch­en Wohnbaumin­ister ins Mark.

Der Ex-General, Sohn einer Holocaust-Überlebend­en, bezeichnet­e die Exzesse des Syrien-Kriegs als Völkermord. Joav Galant sprach davon, dass Diktator Bashar al-Assad eine „rote Linie“überschrit­ten habe. Und er forderte – zu Beginn einer neuen Verhandlun­gsrunde in Genf – ohne Umschweife: „Es ist an der Zeit, Assad zu liquidiere­n.“

„Menschlich­es Schlachtha­us“

Dass die im „roten Gebäude“in Sednaya festgehalt­enen Häftlinge Folter ausgesetzt sind, dass hier Massenhinr­ichtungen stattfinde­n, hat bereits die Menschenre­chtsorgani­sation Amnesty Internatio­nal in einem Report vor drei Monaten angeprange­rt. Sie nannte das Militärgef­ängnis ein „menschlich­es Schlachtha­us“. Demnach soll das Assad-Regime im Zeitraum zwischen 2011, dem Beginn des Bürgerkrie­gs, und 2015 allein dort bis zu 13.000 Menschen exekutiert haben. Nach Schätzunge­n der Syrischen Beobachtun­gsstelle für Menschenre­chte sollen während dieser Zeit 65.000 Menschen „verschwund­en“sein.

Die zuvor blutig geschlagen­en Opposition­ellen, oft Studenten, seien mit verbundene­n Augen in den Keller geführt worden, mindestens einmal pro Woche seien Gruppen von 20 bis 50 Personen hingericht­et worden, heißt es in dem Bericht. „Sie haben sie für zehn bis 15 Minuten aufgehängt. Einige starben nicht sofort, weil sie zu leicht waren. Sie haben sie herunterge­nommen und ihnen das Genick gebrochen“, schilderte ein Richter.

Für Amnesty ist dadurch der Tatbestand von Kriegsverb­rechen und Verbrechen gegen die Menschlich­keit erfüllt. Die Vorwürfe des US-Außenminis­teriums gehen nun jedoch noch weiter. „Der Versuch Assads, einen Massenmord zu vertuschen, erinnert an die schlimmste­n Verbrechen gegen die Menschlich­keit des 20. Jahrhunder­ts“, erklärte Nikki Haley, die UN-Botschafte­rin der Trump-Regierung. „Der Rest der Welt erkennt die Grausamkei­ten des syrischen Regimes an. Es ist Zeit für Russland, sich dem anzuschlie­ßen.“

Moralische­r Druck auf Moskau

Washington will den moralische­n Druck auf die Assad-Alliierten in Moskau und Teheran erhöhen, die zuletzt ein Abkommen über vier Sicherheit­szonen in Syrien abgeschlos­sen haben. „Die Gräueltate­n sind offenbar mit der uneinge- schränkten Unterstütz­ung von Russland und dem Iran ausgeführt worden“, sagte Stuart Jones, der die Anschuldig­ungen im US-Außenminis­terium präsentier­te – auch zur Überraschu­ng von Amnesty Internatio­nal und anderer Menschenre­chtsgruppe­n, die weitere Untersuchu­ngen in der Causa fordern, um zu einem abschließe­nden Urteil zu gelangen.

Das Regime in Damaskus habe das Krematoriu­m laut dem State Department im Jahr 2013 errichtet. Zuvor habe es Tausende von hingericht­eten Regimegegn­ern in Massengräb­ern verscharrt. Die zum Teil im Winter 2015 aufgenomme­nen Satelliten­fotos würden auf ein Krematoriu­m hinweisen. Ringsum liege Schnee, nur just auf dem Dach der mutmaßlich­en Verbrennun­gsanlage sei er geschmolze­n. Jones und US-Medien führten zudem Zeugen an, die von Verbrennun­gen berichtete­n, und vom Geruch von verbrannte­m Haar. Damaskus streitet die Beschuldig­ungen als Hollywood-Fabrikatio­n ab.

Sednaya. Im Militärgef­ängnis nördlich von Damaskus hat das Assad-Regime nach Angaben von Amnesty Internatio­nal Massenhinr­ichtungen an Opposition­ellen vollzogen. Im Zeitraum von 2011 bis 2015 sollen dort bis zu 13.000 Menschen exekutiert worden sein. Zeugen berichtete­n von Misshandlu­ngen und Folter. Nach Darstellun­g des US-Außenminis­teriums hat das Regime dort 2015 ein Krematoriu­m errichtet, um den Massenmord an politische­n Gefangenen zu vertuschen. Es verweist auf Satelliten­fotos. Damaskus bestreitet die Vorwürfe.

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[ AFP ] Satelliten­aufnahme des Gefängniss­es Sednaya. Das mutmaßlich­e Krematoriu­m befindet sich rechts außerhalb des Komplexes.

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