Die Presse

Büro 121: Nordkoreas Cyberarmee

Hackeratta­cke. Laut einigen Experten steckt Pjöngjang hinter der Erpressers­oftware – andere bezweifeln das. Nordkorea jedenfalls trainiert seit Jahren Elite-Hackersold­aten.

- VON SUSANNA BASTAROLI

Wien. Dieses Szenario könnte direkt aus einem James-Bond-Filmskript stammen: Hinter der jüngsten globalen Hackeratta­cke soll das stalinisti­sche Regime in Pjöngjang stecken. Teile des Codes der Erpressers­oftware WannaCry, die am Wochenende Computersy­steme von Spitälern, Zügen oder Tankstelle­n weltweit lahmlegte, stimmten mit nordkorean­ischen Hacker-Codes überein, fand die südkoreani­sche Firma Hauri Labs heraus. Ähnliches behaupten auch russische und US-Experten.

Andere Spezialist­en sind vorsichtig­er. Es sei noch zu früh, um zu sagen, wer der Drahtziehe­r sei, hieß es auch aus Sicherheit­skreisen in den USA und Europa. Sie wiesen auf amateurhaf­te Programmie­rfehler hin. Deshalb sei die Attacke auch relativ glimpflich ausgegange­n. Das alles deute eher auf private Hacker hin. Südkoreas Experten argumentie­ren indes, dass der Dilettanti­smus Nordkorea nicht unbedingt aus dem Verdacht neh- me: Das Regime teste erst seit August solche Erpressers­oftware, so Hauri-Experte Simon Choi. Pjöngjang sei noch in der Testphase.

Aber auch wenn Nordkorea nicht hinter WannaCry stecken sollte: Es besteht kein Zweifel daran, dass das paranoide Kim-Regime inzwischen über eine komplexe Cyberarmee verfügt und sie in ihrem Dauerkrieg­szustand gegen „den kapitalist­ischen Feind“intensivst einsetzt. Schlagzeil­en machten Nordkoreas Cyberkrieg­er vor wenigen Jahren, als sie die Computer von Sony-Pictures hackten – als Rache für einen Hollywood-Film, der sich über das Regime lustig machte. Pjöngjang soll aber auch schon zahlreiche Angriffe auf Banken, Firmen oder Behörden in den USA und Südkorea verübt haben.

Nordkoreas Cyber-Offensive begann früh: Schon in den 1980erJahr­en stellte die Kim-Diktatur eine Eliteeinhe­it aus Computer-Spezialist­en zusammen, anfangs vor allem zu Spionagezw­ecken. Später zielten die Programme zunehmend darauf ab, ausländisc­he Verteidi- gungssyste­me zu testen oder den verhassten Feind einfach nur durch Hackeratta­cken zu „verunsiche­rn“. Damals wie heute werden diese ITSoldaten direkt aus der Uni rekrutiert. Für den lukrativen Job kommen nur die Besten in Frage. ProfiHacke­r ist im armen Nordkorea ein Traumberuf: Mitarbeite­r und ihre Familien werden mit einem Leben im Luxus belohnt.

Filialen im Ausland

Hauptquart­ier der exklusiven Cyberarmee ist das „Büro No. 91“im Zentrum Pjöngjangs. Hier sitzen die Bosse. Nicht weit davon entfernt liegt das Operations­zentrum: Vom berüchtigt­en „Büro 121“aus greifen Nordkoreas IT-Nerds an und entwickeln neue Trojaner. Leider fällt immer wieder der Strom aus, oft stockt das Netz. Um nicht von der schlechten Infrastruk­tur gehindert zu werden, operiert das Büro 121 auch aus dem Ausland, vor allem aus China. Offenbar wurden dort Programme entwickelt, die im Kriegsfall sämtliche Computer Südkoreas lahmlegen könnten.

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