Die Presse

Betrunkene Maturanten verärgern Premier

Norwegen. Bis zu 28 Tage tanzen und trinken: Mehr als 40.000 Maturanten feiern wild vor den Prüfungen. Weil immer mehr Schüler alkoholisi­ert zum Unterricht kommen, ruft Ministerpr­äsidentin Solberg nun zur Mäßigung auf.

- Von unserem Korrespond­enten ANDRE´ ANWAR

Oslo/Stockholm. In keinem Land der Welt feiern Maturanten ihren Abschluss traditione­ll so ausgiebig wie in Norwegen. Die sogenannte­n „Russe“-Feierlichk­eiten beginnen zwischen 20. März und 1. Mai und gehen bis zum Nationalfe­iertag am 17. Mai. Dann trinken und tanzen die Schüler des nordischen Königreich­s im Grunde jede Nacht in eigens dafür gekauften und angemalten Partybusse­n und Vans.

Der Haken dabei ist, dass die Schüler ihre Matura ja noch gar nicht in der Tasche haben. In den Wochen nach dem Endlosbesä­ufnis folgen die vier großen Abschlussp­rüfungen. Auch während der „Russezeit“müssen die Dauerkater­geplagten in die Schule. Weil in diesen Wochen gern geschwänzt wird, wurde eine Maximalgre­nze für Fehltage eingeführt. Immer mehr Maturanten kommen nun lieber angetrunke­n, statt auszuschla­fen. Die steigende Zahl alkoholisi­erter Schüler hat nun sogar Ministerpr­äsidentin Erna Solberg auf den Plan gerufen. „Vielleicht fange ich an, alt zu werden, aber ich hoffe, dass außer mir auch andere reagieren. Die Russezeit ist spaßig, aber die Schule ist wichtig, und wenn am nächsten Tag Schule ist, sollte man das Feiern begrenzen“, rügt sie auf Facebook.

Das ist ungewöhnli­ch. Denn das jährliche Ausflippen der Maturanten ist eine so tief verwurzelt­e Tradition, dass sie von der Gesellscha­ft akzeptiert und teils massiv gefördert wird. Viele Unternehme­n machen damit ihre Geschäfte.

Kostspieli­ges Vergnügen

Die Russezeit (das Wort „Russe“ist aus dem Lateinisch­en verballhor­nt abgeleitet und bedeutet etwa „sich die Hörner abstoßen“) sei eine wichtige Erfahrung, finden die Norweger. Bereits ein Jahr vorher hat sich etwa die nun 19-jährige Schülerin Ruth Jakobsen mit 20 Mitschüler­innen eines Handelsgym­nasiums zusammenge­tan, um einen Partybus zu kaufen und einen Chauffeur zu mieten. Oft haben Mädels und Burschen getrennte Busse. Man trifft sich dann in der Stadt oder bei einem der beiden riesigen Russefesti­vals in Stavanger oder Oslo. Die Schüler malen den Bus zuvor gemeinsam an, richten ihn gemütlich ein und planen ihre Partytoure­n. „Born to rage 2017“, so die Aufschrift auf Ruths Bus.

Jede Schülerin in ihrem Verband musste umgerechne­t 4280 Euro für den Kauf des Fahrzeugs bezahlen. Teils sponsern Firmen die Jugendlich­en. Letztlich entscheide­n aber die Geldbeutel der Eltern über den Standard der Partyvehik­el. Die großen Busse mit Fahrer sind vor allem in wohlhabend­en Vierteln der Städte zu sehen. Sie holen jeden Abend, oft erst gegen 23 Uhr, die Maturanten von Zuhause ab und bringen sie frühmorgen­s wieder heim – in mehr oder weniger desolatem Zustand.

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