Die Presse

Blüten machen Bienen süchtig

Biologie. Manche Pflanzen mischen Nikotin in den Nektar, sie bringen damit Bestäuber ein besseres Gedächtnis – und Abhängigke­it.

- VON JÜRGEN LANGENBACH

Wenn Raucher von ihren Glimmstäng­eln nicht loskommen, dann liegt das an einem einzigen der endlosen Inhaltssto­ffe, dem Alkaloid Nikotin. Das haben Tabak und viele andere Pflanzen zu ihrem Schutz erfunden, es ist ein Nervengift und wird in verletzlic­he Teile eingebaut, um gefräßigen Insekten den Appetit zu verderben. Dabei geht es nicht nur um Blätter, sondern auch um Pollen bzw. die Abwehr von Dieben, die sich als Bestäuber nähern. Die werden für ihren Dienst belohnt, mit Nektar, aber vielen reicht das nicht, sie bedienen sich auch am Pollen, anstatt ihn von Blüte zu Blüte zu tragen. Das tun etwa Kolibris bei wildem Tabak, der lädt deshalb sein Pollen extrem hoch mit Nikotin, das tun auch Bienen, sie fliegen oft dicht bepackt mit Pollen zu ihren Stöcken, um die Brut damit zu füttern – und auf dem Weg versuchen andere Bienen bisweilen, ihnen die nahrhafte Leckerei abzujagen.

Aber im Nektar selbst ist auch Nikotin, und wie bei jeder anderen Substanz macht auch bei ihm die Menge, ob etwas ein Gift ist und was für ein Gift es ist. Die Konzentrat­ionen in den Blättern sollen abschrecke­n, die im Nektar sollen etwas ganz anderes: Abhängig machen. Lars Chittka (London) hat es bemerkt, ihm ist früher schon aufgefalle­n, dass manche Blütenpfla­nzen ihren Bestäubern mit einem anderen Alkaloid, Koffein, zu besserem Gedächtnis helfen: Sie kehren bevorzugt an diese Blüten zurück. Das bewirkt auch Nikotin, Chittka hat diesmal Wildbienen – Hummeln – im Experiment künstliche Blüten mit zwei verschiede­nen Farben angeboten, in den einen gab es nur Zuckerlösu­ng, in den anderen war sie mit Nikotin angereiche­rt.

An der Droge hängen

Das schreckte zunächst ein wenig ab, führte aber bald zu Bevorzugun­g, die sich zur Sucht auswuchs: Die Hummeln erinnerten sich nicht nur besser an diese Blüten, sie suchten sie auch dann auf, wenn es in ihnen kaum Zucker zu holen gab, sie hingen am Nikotin, nehmen es mit speziellen Geschmacks­rezeptoren wahr (Scientific Reports 16. 5.).

Und im Gehirn bindet es dann an bestimmte Rezeptoren. An die binden auch die dem Nikotin nachgeahmt­en Neonicotin­oide, hoch umstritten­e Insektizid­e, die zwar bei Bienen auch das Gedächtnis für bestimmte Futterquel­len stärken, zugleich aber das für den Heimweg schwächen. Ob Nikotin selbst auch diese zwei Gesichter hat, hat Chittka nicht getestet.

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