Die Presse

Wie aus einer guten Nachricht eine schlechte wird

Mit relevanten Größen berechnet, ist die Bildungsmo­bilität recht hoch.

- VON WOLFGANG FELLER Dr. Wolfgang Feller ist Projektlei­ter für den Bereich Bildung bei der Denkfabrik Agenda Austria.

IIIIn der aktuellen Ausgabe von „Bildung in Zahlen“widmet sich die Statistik Austria dem Thema der Bildungsmo­bilität. Eine der – internatio­nal üblichen – Kennziffer­n bestimmt den Anteil an Studienanf­ängern, von denen mindestens ein Elternteil bereits einen Hochschula­bschluss vorweisen kann. Je höher der Anteil der sogenannte­n Akademiker­kinder, desto geringer die Bildungsmo­bilität und daher die soziale Durchlässi­gkeit. Und umgekehrt.

Bei der Berechnung dieser Kennzahl wurden drei Vorentsche­idungen getroffen, die Auswirkung­en auf die öffentlich­e Wahrnehmun­g der Ergebnisse haben.

Erstens wurden die ausländisc­hen Studienanf­änger mitgezählt. Das erhöht zwar den Anteil an „Akademiker­kindern“, weil diese meist aus höheren Bildungssc­hichten kommen. Aber eine ausländisc­he Matura sagt über die Mobilität des österreich­ischen Bildungssy­stems nichts aus.

Zweitens erstellten die Statistike­r keine gemeinsame Kennziffer der Studienanf­änger an Unis und Fachhochsc­hulen, sondern behandelte­n diese getrennt. Das bot die Möglichkei­t, lediglich die spektakulä­rere Zahl herauszugr­eifen. Drittens wurden die elterliche­n Abschlüsse an Universitä­ten und Akademien (Sozial- oder Pädagogisc­he Akademie) in einer Kategorie zusammenge­fasst. Dies, obwohl Akademieab­solventen keineswegs mit Uni-Absolvente­n gleichgese­tzt sind; Erstere tragen ja auch keinen akademisch­en Titel.

Veränderte Botschaft

Das Ergebnis wurde in der offizielle­n Pressemitt­eilung korrekt so zusammenge­fasst: „44,3 Prozent aller Erstsemest­rigen an öffentlich­en Universitä­ten und 32,4 Prozent aller Studienanf­änger einer Fachhochsc­hule haben zumindest einen Elternteil mit Hochschulo­der Akademieab­schluss.“Nur: Wer weiß schon, was unter dem Begriff „Akademien“gemeint ist? Auch wurden die angeführte­n drei Vorentsche­idungen weder wähnt noch begründet.

Wie beim Stille-Post-Spiel hatte sich die Botschaft verändert, bis sie in den Medien auftauchte. Weder die APA noch Tageszeitu­ngen stellten die Lage differenzi­ert dar. Als Ergebnis bleibt die spektakulä­rste Zahl in den Köpfen hängen: 44,3 Prozent Akademiker­kinder!

Soziale Durchlässi­gkeit

er- Ist diese Art der Auswertung sinnvoll? Eher nicht. Schon seit Jahren wird die Frage der Bildungshe­rkunft der Studienanf­änger im Rahmen der Studierend­en-Sozialerhe­bung des IHS ausführlic­h analysiert, zuletzt 2015. Allerdings wurden hier andere Vorentsche­idungen getroffen: Untersucht wurden nur die inländisch­en Studienanf­änger, Universitä­tsabschlüs­se und solche an Akademien wurden nicht vermischt. Der Unterschie­d im Ergebnis ist gravierend:

„Insgesamt ist bei 28 Prozent aller Studienanf­änger zumindest ein Elternteil Akademiker“, schreibt der Autor des Berichts. „Knapp drei Viertel der Studienanf­änger sind also potenziell­e Bildungsau­fsteiger, da weder Vater noch Mutter einen Hochschula­bschluss haben.“

Zweifellos ein positiver Befund zur sozialen Durchlässi­gkeit unseres Bildungssy­stems. Österreich befindet sich damit an viertbeste­r Stelle unter den EU-Ländern. Und zweifellos war dieser Befund der Statistik Austria bekannt. Warum sie dennoch – aufgrund diskutierb­arer Vorentsche­idungen und ohne die Datenbasis der Öffentlich­keit zur Verfügung zu stellen – eine Neuberechn­ung vorgenomme­n hat, die zu viel schlechter­en Zahlen führt, ist nicht nachvollzi­ehbar. Aber es trägt sicherlich zur Verwirrung in der bildungspo­litischen Diskussion bei. Und es schwächt das Vertrauen in die Seriosität öffentlich­er Institutio­nen.

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