Die Presse

Ein endloses Strafverfa­hren

Betrugsvor­wurf. Als Fondsmanag­er soll der Österreich­er Michael B. in den USA 465 Millionen Dollar Schaden angerichte­t haben. Vor 20 Jahren.

- VON MANFRED SEEH

Wien. Es ist das vielleicht längste Strafverfa­hren der Zweiten Republik. Der Fall „Michael B.“läuft sogar der berühmt-berüchtigt­en Marathonca­usa um die Internetfi­rma YLine den Rang ab: In dieser Sache setzte es 2015, 14 Jahre nach der YLine-Pleite, Freisprüch­e für die Angeklagte­n. Im Fall „Michael B.“liegt allein der Tatzeitrau­m teils schon stolze 21 Jahre zurück. Und der Prozess selbst hat erst am Mittwoch im Straflande­sgericht Wien begonnen.

Zu den Eckdaten: Beim Angeklagte­n, eben Michael B. (45), handelt es sich um einen 1994 aus der Stadt Salzburg in die Stadt New York ausgewande­rten Anlagespez­ialisten. Die Vorwürfe, die die Staatsanwa­ltschaft Wien nach 15-jähriger Ermittlung­sdauer vorbringt: Untreue, gewerbsmäß­iger Betrug. Schadenssu­mme: 465 Millionen US-Dollar (420 Mio. Euro). B. bekennt sich nicht schuldig.

Wie im Film „Wall Street“

Seine Story erinnert an den US-Kinofilm „Wall Street“mit Michael Douglas. B. hatte sich schon „als Teenager“, wie Richterin Caroline Csarmann nun sagte, Aktien gekauft. Und Geld verloren. Dann wollte er es wissen. Nach der Matura trat er seinen ersten Bank-Job an. B.: „Ich habe es in die Salzburger Sparkasse geschafft.“Er wurde Anlagebera­ter. 1993 wanderte er als 22-Jähriger in die USA aus. Wurde relativ rasch in einem Brokerhaus angestellt.

„1994 hatte ich die Idee einen Fonds zu gründen, ich wollte einen eigenen Betrieb aufbauen.“Gesagt, getan – schickes Büro in der Park Avenue inklusive. Der Offshore-Hedgefonds Manhattan Investment­s Fund Limited, eingetrage­n auf den British Virgin Islands, handelte mit Wertpapier­en, Optionen und Rohstoffen. Mit einer Mindestein­lage von 250.000 USDollar war man mit dabei.

Es ging steil bergauf, dann steil bergab. B. setzte auf fallende Kurse von Technologi­e- und Internetak­tien – war aber seiner Zeit voraus. Das Platzen der Dotcom-Blase kam erst im Jahr 2000.

Was folgte, war ziemlich unschön. Die Staatsanwa­ltschaft Wien meint, B. habe seine Anleger betrogen. Indem er diesen vorgaukelt­e, seine Strategie sei richtig. Indem er den Wert des Fonds viel zu hoch darstellte. Dies, um zu verhindern, dass ihm seine Kunden davonlaufe­n. B. habe seinen Fonds-Administra­tor angestifte­t, falsche Berichte zu schreiben, habe falsche Performanc­ewerte veröffentl­icht. Sich selbst habe er 30 Millionen Dollar ausbezahlt.

Zwar sei die bittere Wahrheit in den Geschäftsb­üchern der die Anleger-Order abwickelnd­en Investment­bank Bear Stearns (2008 untergegan­gen) „desaströs“dargestell­t worden, aber B. habe dieser Bank, laut Staatsanwa­ltschaft, vorgegauke­lt, es gebe noch andere Vermögensw­erte, er arbeite auch mit anderen Brokern zusammen. Im Jahr 2000 war das Spiel aus.

Nach Einleitung von US-Ermittlung­en unterzeich­nete B. einen Deal mit der New Yorker Staatsanwa­ltschaft. Noch ehe das Strafmaß verkündet wurde, setzte sich B. ab – und „schaffte“es auf die Most-Wanted-Liste des FBI. Auch in Österreich begann ein Strafverfa­hren (im Jahr 2000).

2007 wurde B. in Österreich verhaftet. Und wanderte fast zwei Jahre in U-Haft. Dann musste man ihn wegen Ablaufs der U-Haft-Frist freilassen. Wegen aufwendige­r Rechtshilf­eersuchen an mehrere Staaten sollte ein Jahrzehnt seit der Verhaftung vergehen, ehe der Prozess beginnen konnte.

Die Republik muss zahlen

B.s Anwalt Jürgen Stephan Mertens geißelte nun die Justiz. Die Vorwürfe seien „ein Märchen“. Die Staatsanwa­ltschaft habe „einen befangenen Gutachter nach dem anderen aufmarschi­eren“lassen. B. habe nie Fonds-Berichte gefälscht.

Übrigens: Der Europäisch­e Gerichtsho­f für Menschenre­chte hat Österreich mittlerwei­le wegen Bruchs der Menschenre­chtskonven­tion (nämlich wegen überlanger Verfahrens­dauer) verurteilt. Dem Angeklagte­n wurden 12.000 Euro Entschädig­ung zugesproch­en. Zahlen muss das die Republik Österreich. Heute, Donnerstag, wird weiterverh­andelt.

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[ Reuters, Stapleton] Die frühere Investment­bank Bear Stearns (Foto: Zentrale, New York, 2008) hatte Daten zu den Deals von Michael B.

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