Bankenverbünde: Drohen Mehrkosten für Banken und Kunden?
Umsatzsteuer. Für Zusammenschlüsse im Versicherungs- und Bankenbereich könnte die Steuerbefreiung fallen – je nachdem, wie der EuGH in Fällen aus Polen und Deutschland entscheidet. Für Spannung ist gesorgt – denn die Generalanwälte vertreten konträre Rech
Zwei gleichzeitig anhängige Streitfälle, zwei Generalanwälte, zwei diametral entgegengesetzte Rechtsansichten: Bei Banken, Versicherungen und Pensionskassen liegen die Nerven blank. Je nachdem, welcher Ansicht sich der EuGH anschließt, könnten auf etliche Institute, auch in Österreich, beträchtliche Mehrkosten zukommen. Und damit indirekt auf deren Kunden, denn auf diese würde die Belastung wohl letztlich abgewälzt.
Konkret geht es um Unternehmen, die Konzernen oder Verbünden angehören und Dienstleistungen von gemeinsamen Gesellschaften zukaufen, etwa im IT-Bereich. Darf im Rahmen solcher Zusammenschlüsse ohne Mehrwertsteuer fakturiert werden oder besteht Umsatzsteuerpflicht – das ist die Frage, über die der EuGH zu befinden hat. In Österreich gilt für Zusammenschlüsse von Banken, Versicherungen und Pensionskassen derzeit eine Steuerbefreiung. Sollte sich das als unionsrechtswidrig herausstellen, beträfe das zum Beispiel Dienstleistungen, die innerhalb des Sparkassen- oder Raiffeisenverbundes von gemeinsamen Dienstleistern erbracht werden.
Kein Vorsteuerabzug
Sie würden um 20 Prozent teurer. Denn weil Bank- und Versicherungsleistungen nicht umsatzsteuerpflichtig sind, gibt es für die Institute keinen Vorsteuerabzug. „Es wäre für sie ein echter Kostenfaktor, es geht um Millionenbeträge“, sagt Sibylle Novak, Partnerin bei CMS Reich-Rohrwig Hainz.
Beim EuGH sind mehrere Fälle anhängig, die konträren Schlussanträge betreffen Polen und Deutschland. In beiden Ländern wird, anders als in Österreich, die Umsatzsteuerbefreiung für Zusammenschlüsse in der Versicherungsbranche verneint. Der polnische Fall basiert auf einem Rechtsstreit eines Versicherungskonzerns mit dem Fiskus, jener aus Deutschland auf einer Klage der EU-Kommission gegen Deutschland.
Die deutsche Regelung sieht die Steuerbefreiung nur für Zusammenschlüsse im Gesundheitssektor vor. Der Kommission ist das zu restriktiv, und Generalanwalt Melchior Wathelet teilt diese Ansicht: In seinem Schlussantrag empfiehlt er dem Gerichtshof, zu entscheiden, dass es der EU-Mehrwertsteuerrichtlinie widerspricht, die Befreiung auf bestimmte Berufe zu beschränken (C-616/15).
„Dem Gemeinwohl dienend“
In dem Fall aus Polen (C-605-15) kommt Generalanwältin Juliane Kokott zum gegenteiligen Schluss: Das Unionsrecht sehe die Befreiung nur für „dem Gemeinwohl dienende Tätigkeiten“vor, führt sie aus. Die Befreiung müsse somit nicht für alle Branchen gelten, in denen es keinen Vorsteuerabzug gibt. Der europäische Gesetzgeber habe zwar offenbar nicht nur Zusammenschlüsse von Ärzten, sondern auch von Bildungseinrichtungen etc. einbeziehen wollen – dass aber auch Zusammenschlüs- se von Banken oder Versicherungen erfasst sein sollten, „lässt sich der Entstehungsgeschichte nicht entnehmen“, meint Kokott. In diesen Branchen könne das zudem den Wettbewerb verfälschen.
Welche Ansicht wird sich durchsetzen? „Man weiß es nicht“, sagt Steuerrechtsexpertin Novak. Folgt der EuGH Wathelet, würde das die österreichische Rechtslage bestätigen. Gibt er dagegen Kokott Recht, hätte das zwar keine direkten Auswirkungen auf Österreich, die Regelung im Umsatzsteuergesetz bliebe vorerst anwendbar. Sie stünde aber im Widerspruch zu EU-Recht, „und der Gesetzgeber müsste handeln“, sagt Novak. Zu erwarten sei dann, dass die Steuerbefreiung innerhalb von ein bis zwei Jahren abgeschafft würde.