Das Problem der FPÖ mit der Wirtschaft
FPÖ. Angeblich haben „etliche Experten“am Wirtschaftsprogramm der FPÖ mitgewirkt. Doch das 170-Seiten-Werk wird unter Verschluss gehalten. Die FPÖ ringt noch mit sich: Soll sie Politik für Unternehmen oder „den kleinen Mann“machen?
Das Konvolut ist streng geheim. Journalisten, die danach fragen, werden brüsk zurückgewiesen: Zu dem Papier, immerhin 170 Seiten stark, dürfe in der FPÖ niemand etwas sagen, heißt es dann. Es sei ja auch noch nicht fertig und müsse „von den Gremien“abgesegnet werden. Das ominöse Wirtschaftsprogramm der FPÖ, an dem angeblich „etliche“Experten mitgearbeitet haben, ist also vor allem eines: ein gut gehütetes Geheimnis.
So soll es aber natürlich nicht bleiben. Ende Juni wollen die Freiheitlichen ihre wirtschaftspolitischen Pläne präsentieren. Sagen sie. Man wird sehen. Im vergangenen Jahr hat Strache, der sich von Wirtschaftstreibenden Input erbeten hatte, ein Wirtschaftsprogramm für den Herbst 2016 angepeilt. Dann wurde der April 2017 – „kurz nach Ostern“– ins Auge gefasst. Jetzt also Ende Juni.
Politikberater Thomas Hofer ist sogar geneigt, an den Termin zu glauben: Beim bevorstehenden Wahlkampf müsse sich die FPÖ nämlich aus taktischen Gründen „davon verabschieden, eine monothematische Partei zu sein. Sie muss sich thematisch breiter aufstellen“, sagt er. Also: weg vom ausschließlichen Ausländerthema hin zur Wirtschaftspolitik.
FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache weiß das natürlich. Deswegen hat er schon vor einem Jahr Vorbereitungen getroffen. Da wurden Wirtschaftstreibende angesprochen, da wurde die Industriellenvereinigung zum Input gebeten. Namen werden freilich keine genannt – die wenigsten wollen sich als Ideenlieferanten der FPÖ outen lassen. Jedenfalls, so viel wird verraten, haben FPÖ-Wirt- schaftssprecher Axel Kassegger und der Finanzsprecher der Partei, Hubert Fuchs, die Redaktion des Programms übernommen. Was nicht dazugesagt wird: Seit geraumer Zeit liegt das OEuvre bei Generalsekretär Herbert Kickl. Und wartet offenbar auf „die Gremien“.
Strache selbst bleibt gegenüber der „Presse“vage: Der Wirtschaftsstandort müsse „attraktiver“, die hohe Abgabenquote gesenkt werden. Es gehe um „Leistungsgerechtigkeit“. Einige Details des Programms sind dennoch durchgesickert. Da findet sich etwa die Abschaffung der Pflichtmitgliedschaften bei Arbeiter- und Wirtschafts- kammer. Oder die Zusammenlegung der Krankenkassen. Für die Unternehmen gibt es die Forderung nach Entbürokratisierung und Entrümpelung des Wirtschaftsrechts. Auf steuerlicher Seite werden Besserstellungen für Familien gefordert, gleichzeitig werden Vermögensabgaben abgelehnt.
Die Finanzierung all dieser Forderungen ist freilich ein großer Schwachpunkt, wie auch ein Inputgeber, der anonym bleiben möchte, einräumt: „Es wird in dem Programm so kalkuliert, dass die Zusammenlegung der Sozialversicherungsträger, das Ende der Kammern-Pflichtmitgliedschaften und das Streichen von Subventionen Milliarden an Einsparungen ermöglichen.“Nachsatz: „Aber das ist alles noch Voodoo-Ökonomie. Das muss intern noch ausdiskutiert und exakt durchgerechnet werden.“
Doch das ist noch gar nicht das eigentliche Problem der FPÖ. Das liegt vielmehr darin, dass sie wirtschaftspolitisch wird Farbe bekennen müssen: Will sie vor allem einen unternehmerfreundlichen, wirtschaftsliberalen Kurs fahren? Jenen Kurs nämlich, für den die Freiheitlichen einst standen? Oder will sie die von Jörg Haider postu- lierte Politik „für den kleinen Mann“verfolgen?
Das sind nicht unbedingt deckungsgleiche Zielgruppen, doch das jetzige 170-Seiten-Programm hat für jeden etwas: Deregulierungen, das Nein zu Vermögensteuern, die Absage an zwangsweise Kammernmitgliedschaften – da erkennt man die Handschrift von Industriellenvereinigung und vom wirtschaftsliberalen Hayek-Insti- tut, dessen Chefin, Barbara Kolm, mit Rat und Tat dabei war. Steuerliche Entlastungen für Familien, Mindestpension und Mindestlohn sollen wiederum das andere Spektrum abdecken.
Ein stark ausgeprägter Sozialstaat und spürbare Steuersenkungen – das wird sich allerdings nur schwer ausgehen. Weder finanziell noch ideologisch.
Kein Wunder, dass FPÖ-General Kickl entsprechende Fragen einigermaßen barsch beantwortet. „Das ist das Wirtschaftsprogramm einer sozialen Heimatpartei“, postulierte er unlängst. Wirtschaftspolitisch habe die Partei jedenfalls nicht vor, sich einseitig auf die Seite der Unternehmer oder der Arbeitnehmer zu schlagen.
Da soll offenbar ein ansehnlicher Spagat vollzogen werden. Denn die FPÖ steckt in einem Dilemma: Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit wird sie in der nächsten Regierung vertreten sein. Doch mit welchem Koalitionspartner? Mit der SPÖ unter Christian Kern? Oder mit der ÖVP unter Sebastian Kurz?
Politikberater Hofer glaubt, dass diese Ungewissheit der eigentliche Grund für die Geheimnistuerei rund um das FPÖ-Wirtschaftsprogramm ist. Seiner Meinung nach wird sich die FPÖ erst dann in die Karten schauen lassen, wenn feststeht, welchen „Part“sie in einer künftigen Koalition spielen wird. Die wirtschaftspolitische Festlegung würde dann nach einer denkbar einfachen Formel erfolgen. Hofer: „Kommt es zu Rot-Blau, wird die FPÖ ihren Wirtschafts- und Industriekontakten versichern, dass eh nichts zu befürchten ist – und die entsprechenden Ministerien für sich reklamieren.“Und bei SchwarzBlau? „Dann werden die Freiheitlichen vermutlich auf Sozialthemen umschwenken und den Posten des Sozialministers für sich beanspruchen.“
Motto: Es gilt jene Regierungspartei zu ersetzen, die nach der Wahl in Opposition geht.
Diese Strategie haben sich die Freiheitlichen übrigens auch schon während der sogenannten Wenderegierung unter ÖVP-Chef Wolfgang Schüssel vorgenommen. Auch damals übernahm die FPÖ wirtschaftspolitisch die Rolle des Partners „links der Mitte“. Funktioniert hat das freilich nur sehr bedingt – was die Blauen den Schwarzen immer noch nachtragen.
Eingedenk all dieser Unwägbarkeiten – was wird die FPÖ Ende Juni wirtschaftspolitisch präsentieren? Hofer rechnet mit einem „sehr vage formulierten Wirtschaftsprogramm mit fünf bis zehn wirtschaftspolitischen Grundsätzen“. Nichts Konkretes, nichts Ausgefeiltes – und beileibe nichts Ultimatives. Nachsatz: „Die Flanke wird sich die FPÖ nicht aufmachen.“