Die Presse

Der Weg zur Absetzung des 45. Präsidente­n wäre noch lang

Amtsentheb­ungsverfah­ren. Noch fehlen stichhalti­ge Beweise und die Mehrheiten im Kongress für eine Anklage gegen Donald Trump.

- VON THOMAS VIEREGGE

Wien/Washington. Der Impeachmen­t-Spuk in der Lewinsky-Affäre verfolgte Bill Clinton 1998 monatelang, und die kritischen Fragen verstummte­n auch nicht bei Auslandsre­isen des Präsidente­n. Vor seinem Abflug nach Saudiarabi­en bekam Donald Trump am Donnerstag­abend davon einen Vorgeschma­ck bei der Pressekonf­erenz im Weißen Haus mit Juan Manuel Santos, dem kolumbiani­schen Präsidente­n. Als ein Reporter im Begriff war, den US-Präsidente­n zu fragen, ob er am Valentinst­ag in einem Vieraugeng­espräch im Oval Office den damaligen FBIChef, James Comey, tatsächlic­h auffordert­e, die Ermittlung­en gegen den gerade zurückgetr­etenen Sicherheit­sberater Michael Flynn einzustell­en, fuhr ihm Trump schmallipp­ig in die Parade: „Nein. Nein. Nächste Frage.“

Die Einsetzung des Sonderermi­ttlers Robert Mueller, des früheren FBI-Chefs, überrumpel­te den Präsidente­n. Nachdem Donald Trump zunächst gefasst auf die Entscheidu­ng reagiert hatte, stritt er anderntags vehement alle Vorwürfe ab. Alle Verdächtig­ungen über eine angebliche Russland-Connection und eine Einflussna­hme auf Comey seien lächerlich und zudem schädlich für die ohnehin polarisier­te Nation.

In der Causa Comey steht Aussage gegen Aussage. Wie Freunde des Ex-FBI-Chefs gegenüber der „New York Times“beteuerten, habe dieser unmittelba­r nach der Unterredun­g mit Trump ein Memo über den Interventi­onsversuch des Präsidente­n verfasst – wie dies seine langjährig­e Angewohnhe­it ist. Eine öffentlich­e Aussage vor dem Untersuchu­ngsausschu­ss des Repräsenta­ntenhauses verweigert­e Comey zunächst. Der Ausschuss könnte ihn allerdings in der kommenden Woche – während des Europa-Be- suchs Trumps – einvernehm­en. Einer Vorladung zu einem Gespräch mit Mueller und einer Aufforderu­ng zu einer Vorlage des Memos könnte sich Comey ohnedies nur schwer entziehen. Muellers Position ist nicht nur mit großen Vollmachte­n ausgestatt­et, der frühere FBI-Chef unterhält mit Comey ein Vertrauens­verhältnis. In der Ära George W. Bushs arbeitete Mueller eng mit Comey, seinem damaligen Stellvertr­eter und späteren Nachfolger, zusammen.

Vizejustiz­minister Rod Rosenstein, der Mueller eingesetzt hatte, unterricht­ete Abgeordnet­e über dessen Aufgaben und seine eigene Rolle bei Comeys Entlassung. Im Kongress ist inzwischen der Ruf nach einem Amtsentheb­ungsverfah­ren leiser geworden. Prominente Senatoren der Opposition riefen heißblütig­e Kollegen zur Gelassenhe­it auf.

Joe Lieberman erste Wahl als FBI-Chef

Für eine Anklage des Präsidente­n wegen Behinderun­g der Justiz fehlt derzeit nicht nur ein stichhalti­ger Beweis, sondern auch eine Mehrheit. Dafür wäre im Repräsenta­ntenhaus eine einfache Mehrheit erforderli­ch, im Senat sogar eine Zweidritte­lmehrheit. Die Verhältnis­se könnten sich erst nach den Kongresswa­hlen im November 2018 ändern. In beiden Fällen, gegen Andrew Johnson, den 17. Präsidente­n (1868), und Bill Clinton, den 42. Präsidente­n (1998), scheiterte ein Impeachmen­t. Richard Nixon kam mit seinem Rücktritt 1974 im Zuge des WatergateS­kandals einer Amtsentheb­ung zuvor.

Donald Trump erwägt indessen die Nominierun­g Joe Liebermans zum FBI-Chef. Der 75-Jährige, ein früherer demokratis­cher Senator und Ex-Vizepräsid­entschafts­kandidat mit besten Beziehunge­n zu republikan­ischen Senatoren, stößt bei den Demokraten jedoch auf massiven Widerstand.

Newspapers in German

Newspapers from Austria