Die Presse

Trump, der Stubenhock­er

Weißes Haus. Der Präsident verlässt nur ungern die vertraute Umgebung. Berater bereiteten ihn mit großer Mühe auf seine erste Auslandsre­ise vor.

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Wien/Washington. Donald Trump gilt als Stubenhock­er und Couch-Potato – als einer, der sich vor dem neu angeschaff­ten Flat-ScreenTV im Weißen Haus fläzt, den er neulich voller Stolz „Time“-Reportern präsentier­te, und nur ungern seine vertraute Umgebung verlässt. Wenn er es doch tut, bevorzugt er seine über die USA verstreute­n Hotels und Luxusgolfr­essorts. Im Wahlkampf flog er darum noch spätnachts nach New York zurück, um in seinem Bett zu schlafen.

Es dauerte vier Monate, bis er als Präsident seine erste Auslandsre­ise antrat. Sie ließ sich durch die Fixtermine, den Nato-Gipfel und das G7-Treffen in Europa, nicht vermeiden. Die symbolträc­htige Wahl der ersten Destinatio­n, die saudische Hauptstadt Riad, sorgte in Washington für Aufsehen. Wie USMedien kolportier­en, bat Trump seinen Stab indessen, das Programm von neun auf fünf Tage zu verkürzen – allerdings vergeblich.

Über Wochen versuchten Berater wie Jared Kushner oder Sicherheit­sberater McMaster, Minister wie Tillerson oder Mattis demnach, den Präsidente­n mit der notorisch kurzen Aufmerksam­keitsspann­e auf seine erste Auslandsvi­site vorzuberei­ten. Im Wissen, dass Trump knappe Memos schätzt, fertigten seine Mitarbeite­r im Weißen Haus möglichst kurze Dossiers zu den einzelnen Themenkomp­lexen an: ein Resümee von nicht mehr als ein, zwei Seiten und am besten punktuell aufgeliste­t. Absatz für Absatz gingen die Mitarbeite­r mit ihm die Memos durch, sie zeigten Videos und Powerpoint-Präsentati­on samt Fotos und Grafiken. Der Präsident, heißt es, habe sich ständig ablenken lassen.

Trump-Biografen wie Michael D’Antonio behaupten, der Präsident lese keine Bücher. Carl Bernstein, der Ko-Aufdecker des Watergate-Skandals, charakteri­sierte Trump bei einer Pressekonf­erenz kürzlich in Wien als „ignorant“und „intellektu­ell faul“. „Er macht seine Hausaufgab­en nicht.“

Kissingers Nachhilfes­tunde

Das Weiße Haus berücksich­tigte alle Eventualit­äten und diplomatis­che Fallstrick­e – etwa bei der Stippvisit­e an der Klagemauer in Jerusalem, die ohne die Begleitung von Israels Premier Netanjahu stattfinde­t. Eine protokolla­rische Gratwander­ung. Ex-VatikanBot­schafter versorgten den Präsidente­n mit Verhaltens­tipps für die Audienz bei Papst Franziskus, und für eine Nachhilfes­tunde baten die Trump-Berater Henry Kissinger, den bald 94-jährigen Außenpolit­ik-Guru, ins Oval Office. An jenem Tag war er indes nur Staffage für den Besuch des russischen Außenminis­ters, Sergej Lawrows. Trumps Konzentrat­ion galt ohnehin den Turbulenze­n rund um den Rauswurf des FBI-Chefs Comey. (vier)

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