Die Presse

Linke Mehrheit – auch linke Koalition?

Studentenw­ahl. Der Antisemiti­smusSkanda­l schadet der ÖVP-nahen Aktionsgem­einschaft weniger als die grünintern­en Turbulenze­n der Gras.

- VON JULIA NEUHAUSER UND BERNADETTE BAYRHAMMER

Wien. Die roten Studierend­en hatten eine Vorahnung. Praktisch den gesamten Wahlabend standen sie um ihre Spitzenkan­didatin Hannah Lutz in der ÖH-Wahlzentra­le – und johlten bei jedem noch so unwichtige­n Einzelerge­bnis. Zu Recht, wie gegen 23 Uhr fix war: Der VSStÖ ist der große Gewinner der Hochschüle­rschaftswa­hl und rückt im Studierend­enparlamen­t auf den zweiten Platz auf. Vorn bleibt trotz leichter Verluste die ÖVP-nahe Aktionsgem­einschaft. Die grünen und alternativ­en Studierend­en der Gras rutschen ab. Skandale, Streit, Spritzer: Wie es zu dem Ergebnis kam – und was es für die ÖH-Spitze bedeutet.

Die Aktionsgem­einschaft gewinnt. Der Skandal schadete nur ãedingt.

Die ÖVP-nahe AG musste zittern. Erwartet wurde, dass sie der Skandal um die antisemiti­schen, sexistisch­en und behinderte­nfeindlich­en Postings viele Stimmen kosten würde. Verluste gab es zwar. Es waren aber keine großen. Nur 0,4 Prozent und ein Mandat büßte die AG ein. Damit bleibt sie stimmenstä­rkste Fraktion. Lediglich an der Universitä­t Wien, wo sogar der AG-Spitzenkan­didat aufgrund des Skandals zurücktret­en musste, gab es sowohl auf Uni- als auch auf Bundeseben­e deutliche Verluste (siehe Grafik). Wahrlich einen Absturz gab es am Juridicum, wo der Skandal seinen Ausgang nahm. Dort verlor die AG die Hälfte ihrer Studienric­htungsvert­reter.

Der rote VSStÖ ist der eigentlich­e Sieger des Aãends.

Größten Grund zum Jubeln hatten dennoch die roten Studierend­en. Plus vier Mandate heißt Platz zwei statt Platz vier. Ein Grund dafür dürfte die Schwäche der grünen Konkurrenz gewesen sein. Und nicht zuletzt auch die enorme Mobilisier­ungskapazi­tät der roten Studierend­en, die auch in der SPÖ recht gut verankert sind – wie das Spritzertr­inken mit Bürgermeis­ter Michael Häupl (SPÖ) am Tag vor dem Start der ÖH-Wahl zeigte.

Die Fras ist der Wahlverlie­rer. Nicht nur wegen der Frünen Studierend­en.

Vor zwei Jahren freuten sich die Grünen und alternativ­en StudentInn­en (Gras) noch über große Zugewinne. Heuer sind sie der große Verlierer und müssen den zweiten Platz an die roten Studenten abgeben. Die Gras büßt 4,4 Prozentpun­kte und drei Mandate ein. Die roten Studenten haben offenbar auf Kosten der Gras dazugewonn­en. Diese hatten mit der internen Spaltung (in Gras bzw. Grüne Studierend­e) einen denkbar ungünstige­n Start in den Wahlkampf. Die Grünen Studierend­en traten zwar nicht bundesweit an. An den Hochschule­n, an denen sie auf Lokalebene antraten, büßte die Gras aber auch an Bundesstim­men ein. An der Uni Graz und der Uni Linz verlor die Gras die Hälfte ihrer Stimmen.

Junos und FLÖ gewinnen leicht. Eine Spaßfrakti­on zieht ein.

Die exakt gleichen Zugewinne verzeichne­n die unabhängig­en Fachschaft­slisten (FLÖ) und die Jungen liberalen Studierend­en (Junos). Sie gewinnen jeweils 1,4 Prozentpun­kte und ein Mandat dazu. In das Studierend­enparlamen­t ziehen außerdem vier Kleinstfra­ktionen mit je einem Mandat ein. Darunter der Ring freiheitli­cher Studenten, die beiden kommunisti­schen Listen KSV-LiLi und KSV sowie die Spaßfrakti­on mit dem Namen No Ma’am.

Rein rechnerisc­h hält die linke Mehrheit. Es wollen aãer nicht alle.

Die Abwahl der linken Mehrheit galt bei dieser Wahl als nicht unwahrsche­inlich. Eingetrete­n ist sie aber nicht. Denn obwohl die Fraktion engagierte­r Studierend­er (Fest) nicht mehr kandidiert­e, geht sich eine linke Mehrheit weiterhin aus. Denn VSStÖ, Gras und FLÖ erreichen gemeinsam 29 der 55 Mandate. Fraglich ist aber, ob sie weiterhin koalieren wollen. Die Gras will das unbedingt. Für den VSStÖ ist die linke Koalition immer noch die „präferiert­e Variante“. Die FLÖ ist hingegen zögerlich und wird am Wochenende intern darüber diskutiere­n. Die Zusammenar­beit mit der Gras dürfte nämlich vielen zu mühsam geworden sein.

Das Taktieren ãeginnt. Es giãt auch zwei andere Koalitions­varianten.

Es gibt noch Alternativ­en zur linken Dreierkoal­ition. Damit ist die AG noch nicht fix in Opposition und die FLÖ kann munter taktieren. Ihr stehen neben der linken Koalition nämlich noch zwei Varianten offen. Die eine: AG, VSStÖ und FLÖ. Hiervon müssten die roten Studierend­en noch überzeugt werden. Die andere: AG, FLÖ und Junos. Hier gebe es inhaltlich­e Gräben zwischen der FLÖ und den Junos zu überwinden. In der kommenden Woche sollte man mehr wissen.

Die Wahlãeteil­igung erreichte einen neuen Tiefpunkt.

Die traditione­ll geringe Wahlbeteil­igung erreicht einen neuen Tiefpunkt: Nur 24,5 Prozent der Studierend­en gingen heuer zur Wahl. Der neue Wissenscha­ftsministe­r, Harald Mahrer (ÖVP), möchte angesichts dessen über die Wiedereinf­ührung des E-Votings diskutiere­n.

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