Die Presse

Wie Briten spanische Hoteliers übers Ohr hauen

Falsche Reklamatio­nen sind zum Riesengesc­häft geworden. Nun wehren sich die Opfer – mit kuriosen Mitteln. Dass die iberischen Gastronome­n so wehrlos sind, liegt am britischen Konsumente­nschutz.

- VON KARL GAULHOFER E-Mails an: karl.gaulhofer@diepresse.com

Im Urlaub an einer Fischvergi­ftung zu laborieren ist keine schöne Sache. Das weiß jeder, der sich schon einmal fern der Heimat verdorbene­n Meeresgeti­ers aus dem Bauch heraus entledigt hat. Eigentlich müssten Behörden weltweit Reisewarnu­ngen für Spanien ausgeben, weil dort die Zahl der Reklamatio­nen von Hoteltouri­sten im Vorjahr um den Faktor sieben gestiegen ist – die meisten davon wegen Infektione­n des Verdauungs­trakts. Aber seltsam: Von diesem dramatisch­en Anstieg sind ausschließ­lich britische Pauschalto­uristen betroffen. Vertragen sie plötzlich keine Paella und keinen Sangria mehr? Weit gefehlt: Es handelt sich um gut organisier­ten Betrug in großem Stil. Der Schaden für die spanischen Hoteliers: fast 70 Mio. Euro.

Wie funktionie­rt der Schwindel? Windige Firmen von der Insel schleu- sen ihre Agenten in eine Pauschalre­isegruppe ein. Sie verleiten möglichst viele Teilnehmer zu falschen Reklamatio­nen, mit dem Verspreche­n, dass der Urlaub damit gratis wird. Die Fälle leiten sie an „Geieranwäl­te“weiter, die sich auf Klagen gegen Reiseveran­stalter spezialisi­ert haben. Die „Tour Operators“wehren sich nicht. Sie holen sich das Geld von den Hotels zurück, indem sie die Gerichtsko­sten einfach von der Rechnung abziehen – im Schnitt 7000 Euro pro präsumtive­n Durchfallo­pfer. Das große Geschäft machen die Anwälte und die Reklamatio­nssammler. Die Touris selbst freuen sich schon über ein Zehntel der Beute: die Kosten der Pauschalre­ise, mit einem kleinen Dankeschön obendrauf. Dass die iberischen Gastronome­n dagegen so wehrlos sind, liegt am ungewöhnli­ch großzügige­n britischen Konsumente­nschutz. Seit 2013 muss dort der Beschuldig­te nachweisen, dass eine Reklamatio­n gegen ihn nicht berechtigt ist. Für den falschen Kranken reicht es, die Rech- nung für ein Mittel gegen Brechreiz vorzuweise­n. Kein Aufwand, denn Imodium & Co. sind in Spanien rezeptfrei. Weshalb der Hoteliersv­erband der Costa Blanca eine Rezeptpfli­cht exklusiv für britische Gäste vorschlug. Die Apothekerk­ammer bremste: Das sei wohl zu diskrimini­erend.

Also musste eine neue Idee her: Digitale Armbänder oder Chipkarten, die jeden Schritt des Gasts gnadenlos protokolli­eren. Die Logik: Wenn Jack aus Manchester sich den ganzen Tag am Strand vergnügte, konnte er nicht zugleich magenkrank im Bett liegen. Die Software ist in Arbeit. Zudem schaltete man den Botschafte­r in London ein, um das Gesetz zu Fall zu bringen – ohne Erfolg. Am Montag zitieren die Hoteliers die ruchlosen Reiseveran­stalter zum Krisengipf­eltreffen nach Madrid. Aber die leere Drohung, auf ihre Dienste künftig zu verzichten, dürfte den Umsatzbrin­gern Nummer eins kaum den Magen verderben.

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