Die Presse

Fairtrade: Geliebt und geprügelt

Handel. Vom Weltladen in das Supermarkt­regal: Fairtrade-Produkte sind in und verzeichne­n jährliche Umsatzsprü­nge. Mit der breiteren Akzeptanz mehren sich aber die kritischen Stimmen.

- VON ANTONIA LÖFFLER

IWien. Vor 25 Jahren waren Menschen, die im Weltladen einkauften, die scheel betrachtet­e Ausnahme. Heute greift jeder fünfte Österreich­er im Supermarkt oder beim Diskonter zu Bananen mit dem grün-blauen FairtradeS­ticker. Die Umsätze mit fair gehandelte­n Produkten kletterten in den vergangene­n Jahren rasant. 2016 legten sie in Österreich fast um die Hälfte auf 270 Mio. Euro zu. Das Siegel ist in der Mitte der Gesellscha­ft angekommen: 92 Prozent der Österreich­er kennen es, 80 Prozent kaufen die damit gekennzeic­hneten Waren. Gleichzeit­ig mehren sich die skeptische­n Stimmen, die der internatio­nalen NGO mit Sitz im deutschen Bonn vorwerfen, den globalen Handel nicht nur zum Besseren zu ändern. Armutsbekä­mpfung: Schon 2014 sorgten Forscher der University of London für Aufregung: Nach einer vierjährig­en Feldstudie auf Kaffee-, Tee- und Rosenplant­agen in Äthiopien und Uganda waren sie zu dem Ergebnis gekommen, dass die Arbeiter dort teilweise weniger verdienten als auf konvention­ellen Farmen. Fairtrade hatte bereits 2012 eine Studie in Auftrag gegeben, die das Gegenteil ergab: Ihre Kleinbauer­n würden „leicht höhere und vor allem stabilere Einkommen“beziehen, so die Autoren.

Hartwig Kirner, Fairtrade-Österreich-Chef, widerspric­ht den Resultaten aus London. „Ich habe gesehen, dass es funktionie­rt“, sagt er der „Presse“. Seine NGO schreibe die Einhaltung der gesetzlich­en Mindestlöh­ne vor. „Das ist oft leider schon ein Fortschrit­t“, sagt Kirner. Das Problem dabei sei nur: Diese Mindestlöh­ne deckten nicht immer die realen Lebenskost­en.

IDer Fall der Blumenfarm­en in Äthiopien beschäftig­t die NGO nach wie vor: Bei Rosen könne man aufgrund der großen Qualitätsu­nterschied­e keine Mindestpre­ise festsetzen, erklärt sie in ihren Statuten. Und Äthiopien habe außerdem nicht einmal gesetzlich­e Mindestlöh­ne verankert, an die man sich halten kann, so Kirner. Es sei ein Henne-Ei-Problem: „Wenn ich nicht genug Volumen habe, wird die Plantage nicht die Gehälter erhöhen.“Aktuell können Fairtrade-Bauern im Schnitt nur ein Drittel ihrer Ernte unter dem Siegel verkaufen. Das soll sich laut der internen Strategie 2020 ändern: Darin wird eine stärkere Verhandlun­gsposition durch die Abnahme größerer Volumina angestrebt. Kaufmotive: Vergangene­n Herbst motivierte­n die hohen Zuwachsrat­en auch das Deutsche Institut für Wirtschaft­sforschung (DIW) in Berlin zu einer Studie: Viele Kunden würden den Preisaufsc­hlag für Fairtrade- oder Bioprodukt­e aus Imagegründ­en zahlen, was wiederum die großen Konzerne verleiten könnte, eher „imageträch­tige“als nachhaltig­e Produkte herzustell­en. Kirner nennt den Bericht „esoterisch“.

„Wenn Sie einen Bauern fragen, ob es ihm wichtig ist, aus welchen Motiven Unternehme­n bei ihm einkaufen, wird die Antwort sehr eindeutig sein.“In den Massenmark­t käme man eben nur, wenn eine Idee mehrheitsf­ähig werde, und das Momentum sei zurzeit durch die Freihandel­s- und Globalisie­rungsdebat­ten auf der Seite seiner Organisati­on.

In Deutschlan­d hat sich der Fairtrade-Kakaoabsat­z in drei Jahren fast verzehnfac­ht, nicht zuletzt, weil sich der Schokolade­riese Fer- rero lizenziere­n ließ. „Die machen das, weil sie der Überzeugun­g sind, dass es ihnen etwas beim Kunden bringt, und weil sie keine Skandale in der Lieferkett­e haben wollen“, sagt Kirner.

Kakaobohne­n seien auch in Österreich das beste Beispiel für den gesellscha­ftlichen Hebel: 2016 wurden hier knapp 2300 Tonnen Fairtrade-Kakaobohne­n verarbeite­t – um 80 Prozent mehr als 2015. Der Marktantei­l ist zwar mit fünf Prozent gering. Aber die Schokolade­industrie sei gerade sehr offen für Gespräche über Nachhaltig­keit, sagt Kirner. „Einerseits wollen sie ihre Rohstoffve­rsorgung sicherstel­len, bevor die Nachfrage in den Schwellenl­ändern steigt. Anderersei­ts ist Schokolade ein Luxusgut, bei dem der Konsument kein schlechtes Gewissen haben will. Das passt mit den Berichten über Kinderarbe­it in Westafrika nicht gut zusammen.“

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[ Reuters ] Schokolade­konzerne interessie­ren sich verstärkt für faire Bohnen, um Skandale in der Lieferkett­e zu vermeiden.

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