Fairtrade: Geliebt und geprügelt
Handel. Vom Weltladen in das Supermarktregal: Fairtrade-Produkte sind in und verzeichnen jährliche Umsatzsprünge. Mit der breiteren Akzeptanz mehren sich aber die kritischen Stimmen.
IWien. Vor 25 Jahren waren Menschen, die im Weltladen einkauften, die scheel betrachtete Ausnahme. Heute greift jeder fünfte Österreicher im Supermarkt oder beim Diskonter zu Bananen mit dem grün-blauen FairtradeSticker. Die Umsätze mit fair gehandelten Produkten kletterten in den vergangenen Jahren rasant. 2016 legten sie in Österreich fast um die Hälfte auf 270 Mio. Euro zu. Das Siegel ist in der Mitte der Gesellschaft angekommen: 92 Prozent der Österreicher kennen es, 80 Prozent kaufen die damit gekennzeichneten Waren. Gleichzeitig mehren sich die skeptischen Stimmen, die der internationalen NGO mit Sitz im deutschen Bonn vorwerfen, den globalen Handel nicht nur zum Besseren zu ändern. Armutsbekämpfung: Schon 2014 sorgten Forscher der University of London für Aufregung: Nach einer vierjährigen Feldstudie auf Kaffee-, Tee- und Rosenplantagen in Äthiopien und Uganda waren sie zu dem Ergebnis gekommen, dass die Arbeiter dort teilweise weniger verdienten als auf konventionellen Farmen. Fairtrade hatte bereits 2012 eine Studie in Auftrag gegeben, die das Gegenteil ergab: Ihre Kleinbauern würden „leicht höhere und vor allem stabilere Einkommen“beziehen, so die Autoren.
Hartwig Kirner, Fairtrade-Österreich-Chef, widerspricht den Resultaten aus London. „Ich habe gesehen, dass es funktioniert“, sagt er der „Presse“. Seine NGO schreibe die Einhaltung der gesetzlichen Mindestlöhne vor. „Das ist oft leider schon ein Fortschritt“, sagt Kirner. Das Problem dabei sei nur: Diese Mindestlöhne deckten nicht immer die realen Lebenskosten.
IDer Fall der Blumenfarmen in Äthiopien beschäftigt die NGO nach wie vor: Bei Rosen könne man aufgrund der großen Qualitätsunterschiede keine Mindestpreise festsetzen, erklärt sie in ihren Statuten. Und Äthiopien habe außerdem nicht einmal gesetzliche Mindestlöhne verankert, an die man sich halten kann, so Kirner. Es sei ein Henne-Ei-Problem: „Wenn ich nicht genug Volumen habe, wird die Plantage nicht die Gehälter erhöhen.“Aktuell können Fairtrade-Bauern im Schnitt nur ein Drittel ihrer Ernte unter dem Siegel verkaufen. Das soll sich laut der internen Strategie 2020 ändern: Darin wird eine stärkere Verhandlungsposition durch die Abnahme größerer Volumina angestrebt. Kaufmotive: Vergangenen Herbst motivierten die hohen Zuwachsraten auch das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin zu einer Studie: Viele Kunden würden den Preisaufschlag für Fairtrade- oder Bioprodukte aus Imagegründen zahlen, was wiederum die großen Konzerne verleiten könnte, eher „imageträchtige“als nachhaltige Produkte herzustellen. Kirner nennt den Bericht „esoterisch“.
„Wenn Sie einen Bauern fragen, ob es ihm wichtig ist, aus welchen Motiven Unternehmen bei ihm einkaufen, wird die Antwort sehr eindeutig sein.“In den Massenmarkt käme man eben nur, wenn eine Idee mehrheitsfähig werde, und das Momentum sei zurzeit durch die Freihandels- und Globalisierungsdebatten auf der Seite seiner Organisation.
In Deutschland hat sich der Fairtrade-Kakaoabsatz in drei Jahren fast verzehnfacht, nicht zuletzt, weil sich der Schokoladeriese Fer- rero lizenzieren ließ. „Die machen das, weil sie der Überzeugung sind, dass es ihnen etwas beim Kunden bringt, und weil sie keine Skandale in der Lieferkette haben wollen“, sagt Kirner.
Kakaobohnen seien auch in Österreich das beste Beispiel für den gesellschaftlichen Hebel: 2016 wurden hier knapp 2300 Tonnen Fairtrade-Kakaobohnen verarbeitet – um 80 Prozent mehr als 2015. Der Marktanteil ist zwar mit fünf Prozent gering. Aber die Schokoladeindustrie sei gerade sehr offen für Gespräche über Nachhaltigkeit, sagt Kirner. „Einerseits wollen sie ihre Rohstoffversorgung sicherstellen, bevor die Nachfrage in den Schwellenländern steigt. Andererseits ist Schokolade ein Luxusgut, bei dem der Konsument kein schlechtes Gewissen haben will. Das passt mit den Berichten über Kinderarbeit in Westafrika nicht gut zusammen.“