Es ist recht hart, so plötzlich alte Liebe abzulegen
Trennen will gelernt sein. Die jüngsten Abgänge in der Politik waren zwar stark, aber kein großes Theater. „Sie bezwingt sich und steht mit ruhiger Fassung da. Der Vorhang fällt.“
Nicht immer entpuppt sich der liebe Mai als Wonnemonat. Heuer zum Beispiel verläuft er in Wien als Periode der Abschiede aus verlorenen Illusionen. Bei einer einstigen Volkspartei, die nun ihren Namen in einer Liste verloren hat, war das Adieu des letzten richtigen ÖVPChefs verhärmt, bei den Grünen jenes ihrer Sprecherin verheult. Wer will es ihnen verdenken? Da haben zwei Alphatiere so viel Lebenszeit in Ideale investiert! Mit nur halb so viel Energie in einem anderen Beruf wären sie wahrscheinlich reich geworden. Aber in der Politik? Die ist ein Monster, das Menschen ausweidet, um dann wie zum Hohn Krokodilstränen über die Opfer zu vergießen. Das macht alt.
Die Abgänge von Herrn Mitterlehner und Frau Glawischnig gerieten zwar stark, sensible Seelen empfanden sie sogar als herzergreifend, aber großes Theater wurde nicht geboten. Vielleicht waren die Proben zu kurz? Jedes „Ich bin jetzt mal weg“, und handelt es sich nur um die Trennung von einer dem Untergang geweihten Kleinpartei, gehört ausführlich geübt.
Was sind die tollsten Abschiede in der Literatur? Ein Meister war Catull. So sehr gefiel es diesem jungen Römer, das Entlieben von Lesbia in Liedern zu inszenieren, dass er es mehrfach tat. Er schmähte die einst Angebetete, es riss ihn lang hin und her. Carmen 76 könnte der finale Bruch gewesen sein. Da jammert er, frei übersetzt: „Es ist recht hart, so plötzlich alte Liebe abzulegen, es ist recht hart, doch muss es sein. Wir schaffen das!“Fazit: Trennung soll erzwungen werden, als wolle man eine böse Krankheit besiegen. Das macht gesund.
Am besten aber gefällt mir persönlich der Abschied auf Französisch. Er lässt so vieles offen. Den schönsten erfand Schiller. In „Maria Stuart“stehen zwar meist zwei Königinnen im Mittelpunkt, es müssen aus Parteiräson Opfer gebracht werden, doch den effektvollsten Vers bekommt am Ende ein Mann. Königin Elizabeth (sie hat ihre Konkurrentin endgültig von der Liste der Nachfolge gestrichen – also köpfen lassen) ruft nach ihrem Ex-Favoriten, der zwischenzeitlich die Stuart angebraten hat: „Graf Leicester komme her!“Doch der kommt nicht. Kent sagt: „Der Lord lässt sich / Entschuldigen, er ist zu Schiff nach Frankreich.“Das trifft. Solch situationselastisches Verhalten prägt oft die hohe Politik. In der Regieanweisung heißt es lakonisch über die derart verlassene Queen: „Sie bezwingt sich und steht mit ruhiger Fassung da. Der Vorhang fällt.“