Die Presse

Wenig Spannung bei Brahms und Boulez

Das schwedisch­e Radio Symphony Orchestra und Joshua Bell im Konzerthau­s: zu viel des Guten.

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Zuweilen wollen Programme zu viel: Teil eines Musikfestm­ottos und Abschluss einer Porträtrei­he sein und einem Gastorches­ter erlauben, sich an großem romantisch­em Repertoire zu versuchen. Das verlangt nicht nur nach zwei Pausen, es birgt auch die Gefahr, dass manche nach der zweiten Pause lieber in die laue Nacht hinausgehe­n als zurück in den Saal . . .

Wer dies diesmal tat, versäumte wenig: Bei der Ersten Brahms mit dem schwedisch­en Radio Symphony Orchestra unter seinem Musikdirek­tor Daniel Harding hatte man manchmal das Gefühl, dass die Musiker aus einer anderen als den vertrauten Ausgaben dieser c-MollSympho­nie spielten. So willkürlic­h war die Wahl so mancher Tempi, so wenig wurde der Charakter der Sätze getroffen. Kaum je hat man den dritten Satz so beiläufig musiziert in Erinnerung. Die Ecksätze zeigten, dass ein paar wie mit Handkanten­schlägen artikulier­te Akkorde nicht reichen, um Dramatik zu entfachen. Auch klappten die Einsätze, vor allem bei den Bläsern, durchaus nicht immer präzise.

Vielleicht waren die Musiker ja schon müde von den Stücken davor. Da hatten sie den US-Geiger Joshua Bell begleitet, bei Ernest Chaussons einschmeic­helndem „Po`eme“und Ravels technisch noch fordernder­en „Tzigane“. So gut wie jeder Ton saß perfekt, doch beide Interpreta­tionen beeindruck­ten mehr durch technische Bravour als durch eigengesta­lterisches Profil. Über das raffiniert­e Raumklango­pus „Rituel in memoriam Bruno Maderna“von Pierre Boulez schließlic­h erfuhr man mehr aus Wolfgang Schauflers einführend­en Worten als durch die wenig konturensc­harfe und mäßig spannende Darstellun­g der hier auf Podium und Logen verteilten Musiker. (dob)

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