Amor deus und die Kraft der Venus
Göttliche und irdische Liebe. Die Internationalen Barocktage Stift Melk 2017 mit vielen internationalen Größen der Alten Musik stehen unter dem Motto „Love knows no ending: Liebe und Untergang“.
Melk. Liebe ist ein großes und inflationär gebrauchtes Wort, ein missverstandenes Wort, ein rätselhaftes Wort. Die Vorstellung der ewigen Liebe ist für viele nur ein Klischee. Das mag daran liegen, dass wir heute gewohnt sind, Liebe auf den Aspekt der romantischen Liebe zu beschränken und dort eher ihre Vergänglichkeit vor Augen haben – nicht so bei den diesjährigen Internationalen Barocktagen Stift Melk, die unter dem Motto „Love knows no ending: Liebe und Untergang“stehen. Obwohl die Barockzeit eher die Vergänglichkeit und den Kreislauf von Geburt und Tod alles Seienden beleuchtete, nimmt die Liebe hier eine Sonderrolle ein: Einerseits wird die göttliche Liebe als etwas Ewiges gesehen, dessen sich der gläubige Mensch gewiss sein konnte, andererseits ist Liebe ein Gefühl und ein Zustand, der sich dem Kreislauf des Entstehens und Vergehens zu widersetzen scheint: „Denn wo einmal Liebe existierte, so meine ich, bleibt immer auch Liebe zurück; und sei es als Erinnerung, Ahnung, Sehnsucht“, so Künstlerischer Leiter und Kammersänger Michael Schade über die Themenwahl, und: „Wir finden in dem Programm der Internationalen Barocktage 2017 alle Aspekte der Liebe – der irdischen ebenso wie der himmlischen. Das Spiel mit Gegensätzen ist eine barocke Erscheinung und der scheinbare Widerspruch zwischen Liebe und Untergang bietet Stoff für reizvolle Auseinandersetzungen.“Als Inspiration diente ein Aphorismus Theodor Fontanes: „Der Pfingsttag kennt keinen Abend, denn seine Sonne, die Liebe, kennt keinen Untergang.“
Auftragswerk und alte Meister
Matineen, Nachmittagskonzerte, abendliche Veranstaltungen, nächtliche Aufführungen, Kinderprogramm und Cross-over zwischen Barock und Moderne stehen auf dem Programm. Der Concentus Musicus Wien, den Internationalen Barocktagen als Residenzorchester eng verbunden, wird unter Stefan Gottfried sowohl den Eröffnungsabend am Freitag als auch das festliche Abschlusskonzert am Pfingstmontag gestalten. Der erste Abend mit der gefragten Sopranistin Sophie Karthäuser und Michael Schade ist der irdischen Liebe gewidmet, den himmlischen Abschluss bilden die Pfingstkantaten von J. S. Bach. Passend zum Motto konnte für die Eröffnungsrede die Psychoanalytikerin und evangelische Theologin Rotraud A. Perner gewonnen werden.
Ein weiterer Höhepunkt ist ein Abend mit Dorothee Oberlinger, der „Königin der Blockflöte“, mit dem spanischen Ensemble Al Ayre Espan˜ol. Erstmals in Melk zu hören ist das international hochge- schätzte britische Ensemble der Alten Musik The Sixteen unter der Leitung von Harry Christophers. Ebenso erstmals in Melk zu Gast ist das aus Spanien stammende Orchester La Grande Chapelle: Es thematisiert mit Musik von Juan Hidalgo unter der Leitung von Albert Recasens den Aufstieg und Fall des Eros im spanischen Barock. Ebenfalls neu bei den Barocktagen ist das mehrfach mit dem ECHO-Klassik ausgezeichnete deutsche Ensemble Hamburger Ratsmusik mit einer Liebeserklärung an die Musik Frankreichs im Schatten der drohenden Revolution. Das in Melk bereits etablierte ensemble 15.21 präsentiert – neben barocken Vertonungen des Hohen Lieds Salomos – mit einem für Melk verfassten Auftragswerk der mehrfach ausgezeichneten österreichischen Komponistin Johanna Doderer auch eine moderne Fassung des „Lied der Lieder“. Franziska Fleischanderl kehrt nach ihrem Auftritt 2015 auf die Melker Bühne zurück, dieses Mal als Teil des neu formierten Ensembles Il Dolce Conforto, das erstmals gemeinsam auftritt und im Zuge der Barocktage ihre neue CD präsentiert.
Das Jahr 2017 bietet außerdem besonderen Grund zum Feiern: Anlässlich des 250. Todestags Georg Philipp Telemanns präsentiert Maddalena del Gobbo auf der Viola da gamba zwölf Fantasien des Meisters, die man zweihundert Jahre lang für verloren gehalten und im Jahr 2015 wiederentdeckt hatte, und The Sixteen widmen einen Abend dem geistlichen Werk von Claudio Monteverdi, dessen Geburtstag sich zum 450. Mal jährt.
Poesie und Cross-over
Sowohl die Barocktage für Kinder, als auch das 2016 neu etablierte Format OffRoad Barock, ein Cross- over zwischen Barock und Moderne, werden aufgrund des großen Erfolges des vergangenen Jahres fortgeführt: Schikaneders Jugend widmet sich den barocken Wurzeln vieler auch heute noch aktueller Kinderlieder. Unter dem Titel OffRoad Barock spannt das Duo BartolomeyBittmann, das erst kürzlich mit einem viralen Musikvideo zu „Les Pauli“auf sich aufmerksam machte, den Bogen von klassisch-romantischen Balladen bis zu Rock- und Groovekompositionen. Das gemeinsame musikalische Frühstück mit dem Künstlerischen Leiter Michael Schade – Prima Colazione am Pfingstmontag – ist mittlerweile bereits Tradition, während mit Lesungen barocker Poesie im Kaffeehaus Mistlbacher und im Gartenpavillon des Stiftes Melk künstlerisches Neuland betreten wird: Die Schauspielerin Beatrice Fago wird Poesie aus der Barockzeit vorlesen.
Auch die Förderung junger Musiker ist Michael Schade ein Herzensanliegen. Seit 1993 bietet der Internationale Johann Heinrich Schmelzer Wettbewerb jungen Musikern und Musikerinnen alle drei Jahre die Möglichkeit, ihr Können an einem barocken Repertoire und auf historischen Instrumenten zu zeigen. Zum Hauptpreis gehört auch die Einladung, während der folgenden Internationalen Barocktage ein Konzert zu bestreiten.