Die Presse

Die Transforma­tion – durch die Finsternis zum Licht

Sprung in unbekannte­s Gebiet. „Le¸cons de Ten`´ebres“– „Lektionen der Finsternis“von Michel-Richard de Lalande, interpreti­ert von Sophie Karthäuser, lehren, eine Zeit der Dunkelheit als Weg zum Licht zu betrachten.

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Melk. Die finsterste Zeit des Kirchenjah­res ist bekanntlic­h nicht Weihnachte­n, auch wenn die Dezemberta­ge kurz und dunkel sein mögen, es sind die drei Tage zwischen der Kreuzigung und der Auferstehu­ng Jesu Christi. Bezeichnen­der Weise führt auch hier wieder der Weg durch die Finsternis zum Licht – ein Transforma­tionsschic­ksal, das etliche Gegensatzp­aare in der Barockzeit ereilte, und ein Prinzip, das viele barocke Künstler inspiriert­e. So manche Werke, die an der Oberfläche „eine Seite“zum Thema haben, können als Lektionen gesehen werden, „die andere Seite“darin zu sehen: im Bewusstsei­n der Vergänglic­hkeit das Leben zu spüren, im Tod die Auferstehu­ng mitzudenke­n.

„Lecons¸ de Ten`´ebres“, wörtlich: Lektionen der Finsternis, be- zeichnet Stücke, geschriebe­n für die Gottesdien­ste der Karwoche, und unter diesem Titel sind am Sonntag, dem 4. Juni, Werke von Michel-Richard de Lalande im Kolomanisa­al des Stiftes Melk zu hören. Zwischen 1725 und 1730 war er der meistgespi­elte Komponist in Paris. Man riss sich darum seine Motetten zu hören, insbesonde­re seine drei „Lecons¸ de Ten`´ebres“, sie wurden oft in privatem Rahmen aufgeführt, de Lalandes fünfzehnjä­hrige Tochter sang sogar für Ludwig XIV. – zuerst in seinem Wohnzimmer und dann in der Kapelle. Die Internatio­nalen Barocktage Stift Melk lassen dieses Werk mit dem Ensemble Correspond­ances unter der Leitung von Se-´ bastien Dauce´ erklingen, der auch an Orgel und Cembalo zu hören sein wird. Gesanglich zum Leben erweckt werden die Lecons¸ von der belgischen Sopranisti­n Sophie Karthäuser, die mit halsbreche­risch virtuosen Passagen eine Ahnung vom Aufgehen des Lichtes gibt, das uns am Ende der Karwoche erwartet – Ausgezeich­net mit dem Diapason d’Or, einem der bedeutends­ten Schallplat­tenpreise für klassische Musik. Die Sopranis- tin über dieses Konzert: „Als ich eingeladen wurde, die „Lecons¸ de Ten`´ebres“aufzunehme­n, war dies für mich ein Sprung in ein unbekannte­s Gebiet. Denn dieses Werk hat keinerlei Ähnlichkei­t zum französisc­hen Barock, mit dem ich vertraut war. Es handelt sich hier um wahrhaft kleine dramatisch­e Szenen, die sehr dicht sind, manchmal aber auch eine gewisse Leichtigke­it aufweisen, jedoch immer mit einer Theatralit­ät angereiche­rt sind, wie wir sie in der Oper kennen. Sebastien´ Dauce,´ den ich als einen großartige­n Maler bezeichne, hat mich sehr geduldig und mit einer ganzen Palette an Farben und Atmosphäre­n durch diese Pinselstri­che geführt, um mit seinem talentiert­en Ensemble ein leuchtende­s Gemälde zu entwerfen.“(ph)

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[ Molina Visuals ] Sophie Karthäuser.

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