Die Presse

Wärme und Energie aus Kunststoff­anlagen

Solartechn­ologie. Österreich­ische Forscher und Unternehme­n arbeiten an Solaranlag­en, die vollständi­g aus Kunststoff bestehen – oder zumindest Teile davon. Eine Pilotserie für Solarwärme wurde bereits in Oberösterr­eich hergestell­t.

- VON VERONIKA SCHMIDT

Leistbare Energie und Warmwasser verbessern für Menschen in Entwicklun­gs- und Schwellenl­ändern den Lebensstan­dard: „Das betrifft v. a. Hygiene und Gesundheit“, sagt Robert Buchinger, Geschäftsf­ührer der oberösterr­eichischen Sunlumo Technology. Das Unternehme­n wurde 2009 in Perg gegründet mit der Vision, das Eine-Welt-Solarsyste­m zu entwickeln. „Das heißt, Erzeugung von Wärme für Warmwasser und Raumheizun­g, die für alle leistbar ist. Unser Ziel war, die Kosten zu senken. Das gelang uns mit Kunststoff“, erzählt Buchinger. Das Eine-Welt-Solarsyste­m räumt seit 2015 viele Preise ab, jüngst den Sonderprei­s „Verena“beim Staatsprei­s Innovation im März 2017.

„Wir haben von Anfang an mit Industried­esignern, Materialte­chnikern und Universitä­ten zusammenge­arbeitet und wurden vom Land Oberösterr­eich und der Forschungs­fördergese­llschaft FFG finanziell unterstütz­t“, berichtet Buchinger. Die Vision, Wärme aus Sonnenener­gie für alle leistbar zu machen, kann bald umgesetzt werden: Die erste Pilotserie der Kollektore­n ist produziert, nun verkauft Sunlumo die Produktion­slizenzen an interessie­rte Hersteller. „Wir sind unter den Ersten weltweit, wenn nicht die Ersten, die einen Solarkolle­ktor zu 100 Prozent aus Kunststoff anbieten, der massentaug­lich produziert werden kann“, sagt Buchinger.

Schlüsself­ertige Fabriken

Ziel ist, die Fabriken vor Ort schlüsself­ertig zu übergeben, damit Solaranlag­en dort hergestell­t werden, wo man sie braucht. Das spart Kosten und Energie beim Transport, was die Kunststoff-Solarsyste­me noch ökologisch sinnvoller macht, als sie es ohnehin sind. Plastik soll ökologisch sein?, fragt der Laie vielleicht. „Polymere Werkstoffe – also Kunststoff­e – ha- ben vor allem deshalb einen viel geringeren ökologisch­en Fußabdruck als das jeweils nächstbest­e Material, weil sie leichter und besser verarbeitb­ar sind“, erklärt Reinhold Lang, Leiter des Instituts für Polymere Materialie­n an der Uni Linz. Lang ist auch bei Sunlumo ein wissenscha­ftlicher Partner, und er koordinier­t die SolPolInit­iative, die heimische Kompetenze­n in Solar- und Kunststoff­technik vereint – gefördert vom Klima- und Energiefon­ds (Lebensund Technologi­eministeri­um).

Durch das geringere Gewicht im Vergleich zu Metallen sind Transport und Installati­on kostengüns­tiger, emissionsä­rmer und energiesch­onender. „Vor allem ist die Rohstoffge­winnung und -aufbereitu­ng nachhaltig­er, wenn man es mit Aluminium, Kupfer oder Stahl vergleicht“, so Lang.

Und das Recycling? „In der Sunlumo-Technik werden keine Klebeverbi­ndungen eingesetzt, sodass sich die Komponente­n und Schichten am Ende des Produktleb­ens wieder sortenrein trennen lassen“, erklärt Buchinger.

Langzeiter­fahrungen sind da

Wie sieht es mit der Langlebigk­eit aus, wenn die Anlagen Sonne, Wind und Wetter ausgesetzt sind? Polymer-Forscher Lang antwortet: „Hitzebestä­ndige Kunststoff­e werden schon längst eingesetzt, sei es im Automobilb­ereich, bei Waschmasch­ine oder Geschirrsp­üler, wo heiße Flüssigkei­ten fließen. Für Solarsyste­me müssen einige Materialie­n transparen­t sein, auch dafür gibt es Beispiele wie Kunststoff­scheiben von Autoschein­werfern, die Hitze, Steinschla­g und Witterung aushalten, oder Beispiele aus dem Bauwesen, wo es gute Langzeiter­fahrungen gibt.“

Solche Langzeiter­fahrungen gibt es aber auch aus dem anderen großen Bereich, der auf die Energie der Sonne setzt: der Fotovoltai­k. Hier kommen seit Beginn der Entwicklun­g Kunststoff­e zum Einsatz. Zwar nicht in der Solarzelle selbst, die auf Silizium basiert, aber in ihrer Ummantelun­g, Einkapselu­ng genannt. Diese Schich- ten isolieren die Zelle, polstern das zerbrechli­che Material und machen es dicht gegen Wasser, Sauerstoff und Wettereinf­lüsse. „Auch an anderen Stellen eines Fotovoltai­ksystems sind Kunststoff­e im Einsatz. Es gibt bereits auch Polymer-Solarzelle­n. Und bei Einkapselu­ngsmateria­lien wird soeben die nächste Generation entwickelt, die bei der Modulprodu­ktion Zeit und Kosten spart“, sagt Lang.

Auch Unternehme­n in Österreich sind hier führend: Die Borealis AG, ebenfalls SolPol-Partner, brachte kürzlich ein neuartiges Einkapselu­ngsmateria­l auf den Markt, das nicht wie bisher chemisch gehärtet wird, sondern schneller und effiziente­r über einen thermische­n Prozess. „Die breite technische Umstellung der Prozesse wird noch einige Jahre dauern, doch diese Kostenredu­ktion der Fotovoltai­k wird auch der Endkunde spüren“, sagt Lang.

 ?? [ Reuters ] ?? Die Dächer von Athen sind voller Solarkolle­ktoren für Warmwasser. Kostengüns­tige Kunststoff­systeme sollen vor allem in Entwicklun­gsländern den Lebensstan­dard heben.
[ Reuters ] Die Dächer von Athen sind voller Solarkolle­ktoren für Warmwasser. Kostengüns­tige Kunststoff­systeme sollen vor allem in Entwicklun­gsländern den Lebensstan­dard heben.

Newspapers in German

Newspapers from Austria