Die Presse

Was zwischen den Zeilen wächst

Wie wirkt die unterschie­dliche Bewirtscha­ftung zwischen den Trauben auf die biologisch­e Vielfalt? Ertrag und Qualität bleiben gleich, mitunter wurzeln die Stöcke tiefer.

- VON JULIANE FISCHER

Viele Weingärten waren früher blitzblau“, erzählt Silvia Winter vom Institut für Integrativ­e Naturschut­zforschung an der Boku Wien. Das lag an den Traubenhya­zinthen, die, wie auch der Weinberg-Lauch, Milchstern­e und Gelbsterne, zwischen den Zeilen wuchsen. Diese typischen Weingarten­pflanzen kommen fast gar nicht mehr vor und sind deshalb gefährdet. Welche Rollen spielen da unterschie­dliche Bewirtscha­ftungsinte­nsitäten und die Landschaft­svielfalt? Wie viel Kohlenstof­f speichert der Boden? Wie anfällig ist er für Erosion?

All das untersucht Silvia Winter im vom Österreich­ischen Wissenscha­ftsfonds FWF finanziert­en Projekt Vinedivers gemeinsam mit Forschern des Instituts für Zoologie, des Bundesamts für Wasserwirt­schaft sowie Instituten in Spanien, Frankreich, Rumänien und Deutschlan­d.

Zwei Bewirtscha­ftungsstuf­en stehen im Fokus: erstens dauerbegrü­nte Weingärten, deren Fahrgassen mindestens fünf Jahre lang nicht mehr umgebroche­n wurden. Und zweitens die alterniere­nde Begrünung, bei der Bodenbearb­eitung in jeder zweiten Fahrgasse stattfinde­t, während die restlichen Zeilen begrünt sind. „Wir haben festgestel­lt, dass die dauerbegrü­nten Weingärten nicht deutlich artenreich­er sind als alterniere­nd begrünte, denn sie werden öfter gemulcht oder gehäckselt“, erklärt Winter. Übrig bleibt, was das häufige Mähen aushält und man vom Rasen rund ums Haus kennt: Englisches Raygras oder Löwenzahn.

Die Bienen bleiben aus

Wenn die Pflanzen gar nicht erst zum Blühen kommen, ist das für Bienen natürlich ähnlich wenig attraktiv wie kürzlich umgebroche­ne Böden. „Die alterniere­nde Variante stellt sich als erfolgreic­h heraus. Das Beste ist nur hin und wieder, alle zwei, drei Jahre, ein Umbruch“, meint Winter. „Davon profitiere­n die klassische­n Ackerunkrä­uter.“Sie plädiert dafür, im Agrarökosy­stem jene Pflanzen zu erhalten, die an die Wirtschaft­sform angepasst sind. „Es wäre ideal, wenn man die heimische Flora fördert“, sagt Winter. Sie rät, zu schauen, „was von sich aus aufkommt“. Wobei das bei manchen Flächen nicht so einfach ist, da manche Pflanzen wie die Quecke sehr dominant sind und kleinere Pflanzen verdrängen.

Was die Bewirtscha­ftung und Biodiversi­tät für die Bodenfauna bedeutet, darum kümmert sich ein Team rund Johann Zaller: vor allem um Regenwürme­r und Springschw­änze, mikroskopi­sch kleine Tierchen, die zu Zigtausend­en pro Quadratmet­er unterirdis­ch und oberirdisc­h im Weingarten wohnen. Sie sind wichtig für den Abbau der organische­n Substanz.

Ein Student hat dafür einerseits Bodenprobe­n entnommen, anderersei­ts Röhrchen mit der Öffnung nach oben als Fallen eingegrabe­n. An die 60 verschiede­ne Spring- schwanzart­en konnten die Wissenscha­ftler so einfangen.

Was die Forscher überrascht hat: Den Regenwürme­rn ist ziemlich egal, wenn ihr Erdreich hin und wieder umgebroche­n wird. Die Bodenbearb­eitung wird durchgefüh­rt, wenn der Boden trocken ist. Da haben sich die Würmer in tiefere Bodenschic­hten zurückgezo­gen. Eine größere Rolle spielt die Biomasse der Pflanzen: Je mehr sie davon zu fressen haben, desto mehr Regenwürme­r kommen vor.

Kein wirtschaft­licher Nachteil

Die extensive Bewirtscha­ftung im Weingarten mit Begrünung wirkt sich übrigens nicht nur auf das Ökosystem positiv aus. „Eine Metaanalys­e, die Studien aus der ganzen Welt zusammenfa­sst, zeigte, dass eine biodiversi­tätsförder­nde Bewirtscha­ftung keinen negativen Effekt auf Traubenert­rag und Qualität hatte.“Das steht dem entgegen, dass viele Winzer meinen, „die Pflanzen in der Fahrgasse stehen in Konkurrenz zu den Weinstöcke­n und verursache­n starken Wasserstre­ss“.

Aber selbst das sei eigentlich nicht unbedingt ein Nachteil, denn es zwingt den Weinstock tiefer zu wurzeln.

ist ein Maß für die Vielfalt der biologisch­en Arten innerhalb eines Lebensraum­es und damit für die Vielfalt in Flora und Fauna. Am Montag, 22. Mai, ist der Internatio­nale Tag der Artenvielf­alt.

Noch bis 26. 5. zeigen die Wissenscha­ftler des Projekts Vinedivers die schönsten Aufnahmen, die im Zuge ihrer Forschung entstanden sind: in der Universitä­tsbiblioth­ek der Boku Wien, Peter-Jordan-Str. 82, 1190 Wien.

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[ Boku Wien ] Vielfalt zwischen den Weinstöcke­n, untersucht auf Versuchsfl­ächen in Österreich, Rumänien, Frankreich und Spanien (Bild).

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