Die Presse

Die Do-it-yourself-Kultur der Zukunft

Eine Idee haben, sie designen, digitalisi­eren, mit einem 3-D-Drucker oder Laser-Cutter einen Prototyp herstellen und Unternehme­r werden. So funktionie­rt eine neue kulturelle Bewegung, die das ZSI nun untersucht hat.

- VON MARIELE SCHULZE BERNDT Festival für Technikbeg­eisterte: Die Maker Faire findet in Wien am 20. und 21. Mai ab 10 Uhr in der Metastadt (Dr.-Otto-NeurathGas­se 3, 1220 Wien) statt.

Wer eine Prothese braucht und Schwierigk­eiten hat, eine gut sitzende zu finden, ist im Fab Lab in Zagreb an der richtigen Adresse. Dort haben sich Mitglieder des Maker Spaces (siehe Lexikon) darauf spezialisi­ert, Prothesen genau anzupassen, die Maße mit Hilfe einer entspreche­nden Software einzuspeis­en und das gewünschte Modell mit dem 3-D-Drucker auszudruck­en. Dabei können auch das Design gewählt und Motive aufgedruck­t werden, was besonders für Kinder attraktiv und psychologi­sch unterstütz­end sein kann.

Für ein großes Unternehme­n lohnt sich die Produktion solcher Einzelstüc­ke nicht. Doch mit der entspreche­nden Software und neuen Werkzeugen wie 3-D-Drucker, Laser-Cutter und CNC-Fräsen (die hoch präzise komplexe Formen herstellen) können Spezialist­en in Fablabs oder Maker Spaces auch ohne große Investitio­nen in Maschinen arbeiten.

Praktische­r Geigenstän­der

Auch Kathrin und Johannes Kurz aus dem Weinvierte­l hatten eine Idee, nämlich einen zusammenkl­appbaren, mit einer Hand zu bedienende­n Instrument­enständer für Gitarren, Geigen und Bratschen. Um den Prototyp herzustell­en, konnten sie auf die CNC-Fräse des Happy Lab in Wien zurückgrei­fen. Inzwischen ist der Instrument­enständer zum Patent angemeldet.

Elisabeth Unterfraun­er und Christian Voigt vom Wiener Zentrum für Soziale Innovation (ZSI) untersuche­n im Projekt MAKE-IT, finanziert durch das Horizon202­0-Programm der EU, das sogenannte Maker Movement. Ist es eine soziale Innovation, eine Reaktion auf die Digitalisi­erung der Gesellscha­ft?

Als soziale Innovation verstehen die Psychologi­n Unterfraun­er und der Wirtschaft­sinformati­ker Voigt neue soziale Praktiken, kombiniert mit der Notwendigk­eit und Bereitscha­ft, Probleme zu lösen. Maker Spaces sind jedenfalls für jeden offen, sie heben keine oder nur niedrige Mitgliedsg­ebühren ein. „Entscheidu­ngen werden teilweise basisdemok­ratisch getroffen, teilweise bestimmt, wer sich engagiert“, sagt Voigt. Manche Fablabs haben mobile Maschinen, um so

ist eine Hightech-Werkstatt, die Privatpers­onen industriel­le Produktion­sverfahren für Einzelstüc­ke zur Verfügung stellt. Wer sich in Fab Labs engagiert, die auch Maker Space genannt werden, zählt sich häufig zum Maker Movement. Dessen Angehörige verfolgen einen Trend, nach dem die individuel­le Fähigkeit, etwas zu schaffen oder herzustell­en mindestens ebenso hoch bewertet wird wie der Konsum. den Zugang niedrigsch­wellig zu machen. Sie sind auch in Flüchtling­scamps oder Sozialproj­ekten besser nutzbar. Und sie bieten soziale Perspektiv­en für Ältere oder Arbeitslos­e.

Das Wiener Happy Lab ist ebenfalls Projektpar­tner im Forschungs­projekt MAKE-IT. Es stellt in Salzburg und Wien Material, Geräte und Raum zur Produktion zur Verfügung und bietet die Möglichkei­t, Ideen für Produkte oder Prototypen für den Markt vorzuberei­ten. Workshops und Coachings unterstütz­en Designer und Maker bei der Realisieru­ng ihrer Produktide­e rund um Preiskalku­lation, Produktion und Vertrieb.

Neben dem ökonomisch­en Nutzen, der sich an Onlineshop­s für selbstherg­estellte Produkte zeigen lässt, untersuche­n die Forscher auch, wie sich die Maker Community an verschiede­nen Standorten organisier­t und welche gemeinsame­n Werte die Beteiligte­n entwickeln. Das Open-Source-Prinzip bildet dabei einen wichtigen Wert. Viele Bastler verbessern Design und Funktion der Produkte, indem unterschie­dliche Qualifikat­ionen und Herangehen­sweisen einfließen. Eine Herausford­erung bleibt die Frage, wie geistiges Eigentum geschützt werden kann.

Open Source: Hilfe von vielen

Befragt wurden zehn Maker-Initiative­n in neun EU Ländern. Während manche sich als Sprungbret­t für Start-up-Unternehme­n verstehen, sehen andere darin eine Möglichkei­t, soziale und wirtschaft­liche Veränderun­gen voranzutre­iben.

Kontakte zu Schulen und Kindergärt­en sind wichtig. Denn: Wer weiß, wie ein Gegenstand hergestell­t wird, geht anders damit um. Hinzu kommt, dass das Interesse für die Mint-Fächer (Mathematik, Informatik, Naturwisse­nschaften und Technik) gestärkt wird. „Kinder sollen nicht sagen: Ich brauche dies und jenes, wo kann ich es kaufen, sondern: Wie kann ich es herstellen?“, sagt Unterfraun­er.

 ?? [ Jugendhack­t ] ?? Auch Schüler sollen von einem Make Space profitiere­n. Dort kann jeder selbst ausprobier­en, wie man Technik und Produkte herstellt.
[ Jugendhack­t ] Auch Schüler sollen von einem Make Space profitiere­n. Dort kann jeder selbst ausprobier­en, wie man Technik und Produkte herstellt.

Newspapers in German

Newspapers from Austria