Fahrräder mit Kofferraum
Wiener Forscherinnen berechnen, ob es sich auszahlt, Lastenfahrräder in die Lieferkette einzubinden. Die Waren werden auf Umschlagplätzen vom Lkw ins Cargobike verladen.
Immer öfter sieht man, dass Eltern ihre Kinder in Lastenfahrrädern befördern, doch meist nutzt man diese für den Gütertransport. Junge, trendige Unternehmen setzen seit einigen Jahren auf Lieferdienste mit Lastenrädern, um Lärm, Stau und Abgase in der Stadt zu verringern.
„Die Lieferkapazität und die Reichweite von Lastenfahrrädern sind aber begrenzt. Daher haben wir ein zweistufiges Logistiksystem untersucht, das Lastwagen oder Vans in die Lieferkette einbindet“, sagt Vera Hemmelmayr vom Institut für Transportwirtschaft der WU Wien. Ihr Spezialgebiet ist City Logistik, wobei sie Berechnungsmethoden wie Algorithmen und Simulationen entwickelt, um den urbanen Transport besser zu organisieren. „Wir haben zu Beginn des Projekts mit verschiedenen Unternehmen gesprochen, und alle haben die gleichen Probleme: Die Straßen sind zu eng und die Parkplätze zu knapp“, so Hemmelmayr.
So kam sie mit Alexandra Anderluh von der WU Wien und Pamela Nolz vom Austrian Institute of Technology (AIT) auf die Idee, Cargobikes in die Zulieferkette zu integrieren, die an Umschlagorten in der Innenstadt mit den Waren aus den Lkw beladen werden.
Die Forscherinnen entwickelten eine Methode, die drei Szenarien durchspielt, damit Städteplaner leicht entscheiden können, welcher Ansatz der jeweils geeignetste ist. Das erste Szenario nimmt an, dass an den Umschlagplätzen Lagermöglichkeiten vorhanden sind, wo Waren kurz zwischengelagert werden. Beim zweiten Szenario gibt es keine Lagermöglichkeiten, die Waren werden direkt vom Lastwagen in die Lastenfahrräder umverteilt. Der Vorteil: Man muss im eng verbauten Stadtgebiet keinen Lagerplatz anmieten. Nachteil: Die Vans und Lastenfahrräder müssen zeitlich und räumlich exakt synchronisiert werden. Das dritte Szenario dient zum Vergleich mit herkömmlichen Lieferketten und beinhaltet keine Lastenfahrräder: Hier bringt der Lkw oder Van die Waren bis zum Kunden.
„Wir haben die Szenarien mit generierten Daten durchgerechnet, aber auch mit Daten der Stadt Wien“, sagt Hemmelmayr. Gefüttert wird das Programm mit Informationen zu möglichen Kunden und möglichen Orten für die Umschlagplätze, mit Daten der Fahrzeugmodelle, Servicezeiten und der Frage „Was soll optimiert werden?“: Sollen die Kosten reduziert werden oder die Fahrtzeiten? Hat man ökologische Ziele, geht die Kundenzufriedenheit vor? „Wir haben einen Algorithmus entworfen, der für so ein System die Lösung findet“, sagt Hemmelmayr.
Beispiel Biokisterl
Vorbild aus anderen Städten hatten die Forscherinnen dabei keines, als Annahme galt vorerst ein Lieferdienst für Biokisterln, der wöchentlich frisches Obst und Gemüse vor die Haustür der Stadtbewohner bringt. „In Paris gab es ein zweistufiges Logistiksystem mit einer Fähre und Cargobikes“, er- zählt Hemmelmayr, „aber wir wollten es mit Vans und Fahrrädern ausprobieren.“Die Berechnungen der WU-Forscherinnen sind derzeit noch Grundlagenforschung, doch Interesse von Unternehmen besteht bereits. Bisher kamen Förderungen von der Forschungsfördergesellschaft FFG und dem EUProgramm JPI Urban Europe.
Soziale Daten einbinden
Die Zahl der Stadtbewohner steigt seit Jahren, bis 2100 werden laut OECD 85 Prozent der Weltbevölkerung in Städten leben. Gleichzeitig nimmt der Onlinehandel zu, Lieferungen am selben Tag sind immer gefragter. Wissenschaftler suchen weiterhin nach Lösungen, den dafür notwendigen Gütertransport umweltfreundlich zu meistern.
„Wir wollen im nächsten Projekt auch soziale Daten in das Modell einfließen lassen: Welche Auswirkungen hat das jeweilige Szenario auf die Bewohner der Stadt? Wie ist die Lärmentwicklung, was verringert Staus, wie sieht es mit den Emissionen aus?“, zählt Hemmelmayr auf.