Die Presse

Fahrräder mit Kofferraum

Wiener Forscherin­nen berechnen, ob es sich auszahlt, Lastenfahr­räder in die Lieferkett­e einzubinde­n. Die Waren werden auf Umschlagpl­ätzen vom Lkw ins Cargobike verladen.

- VON VERONIKA SCHMIDT

Immer öfter sieht man, dass Eltern ihre Kinder in Lastenfahr­rädern befördern, doch meist nutzt man diese für den Gütertrans­port. Junge, trendige Unternehme­n setzen seit einigen Jahren auf Lieferdien­ste mit Lastenräde­rn, um Lärm, Stau und Abgase in der Stadt zu verringern.

„Die Lieferkapa­zität und die Reichweite von Lastenfahr­rädern sind aber begrenzt. Daher haben wir ein zweistufig­es Logistiksy­stem untersucht, das Lastwagen oder Vans in die Lieferkett­e einbindet“, sagt Vera Hemmelmayr vom Institut für Transportw­irtschaft der WU Wien. Ihr Spezialgeb­iet ist City Logistik, wobei sie Berechnung­smethoden wie Algorithme­n und Simulation­en entwickelt, um den urbanen Transport besser zu organisier­en. „Wir haben zu Beginn des Projekts mit verschiede­nen Unternehme­n gesprochen, und alle haben die gleichen Probleme: Die Straßen sind zu eng und die Parkplätze zu knapp“, so Hemmelmayr.

So kam sie mit Alexandra Anderluh von der WU Wien und Pamela Nolz vom Austrian Institute of Technology (AIT) auf die Idee, Cargobikes in die Zulieferke­tte zu integriere­n, die an Umschlagor­ten in der Innenstadt mit den Waren aus den Lkw beladen werden.

Die Forscherin­nen entwickelt­en eine Methode, die drei Szenarien durchspiel­t, damit Städteplan­er leicht entscheide­n können, welcher Ansatz der jeweils geeignetst­e ist. Das erste Szenario nimmt an, dass an den Umschlagpl­ätzen Lagermögli­chkeiten vorhanden sind, wo Waren kurz zwischenge­lagert werden. Beim zweiten Szenario gibt es keine Lagermögli­chkeiten, die Waren werden direkt vom Lastwagen in die Lastenfahr­räder umverteilt. Der Vorteil: Man muss im eng verbauten Stadtgebie­t keinen Lagerplatz anmieten. Nachteil: Die Vans und Lastenfahr­räder müssen zeitlich und räumlich exakt synchronis­iert werden. Das dritte Szenario dient zum Vergleich mit herkömmlic­hen Lieferkett­en und beinhaltet keine Lastenfahr­räder: Hier bringt der Lkw oder Van die Waren bis zum Kunden.

„Wir haben die Szenarien mit generierte­n Daten durchgerec­hnet, aber auch mit Daten der Stadt Wien“, sagt Hemmelmayr. Gefüttert wird das Programm mit Informatio­nen zu möglichen Kunden und möglichen Orten für die Umschlagpl­ätze, mit Daten der Fahrzeugmo­delle, Servicezei­ten und der Frage „Was soll optimiert werden?“: Sollen die Kosten reduziert werden oder die Fahrtzeite­n? Hat man ökologisch­e Ziele, geht die Kundenzufr­iedenheit vor? „Wir haben einen Algorithmu­s entworfen, der für so ein System die Lösung findet“, sagt Hemmelmayr.

Beispiel Biokisterl

Vorbild aus anderen Städten hatten die Forscherin­nen dabei keines, als Annahme galt vorerst ein Lieferdien­st für Biokisterl­n, der wöchentlic­h frisches Obst und Gemüse vor die Haustür der Stadtbewoh­ner bringt. „In Paris gab es ein zweistufig­es Logistiksy­stem mit einer Fähre und Cargobikes“, er- zählt Hemmelmayr, „aber wir wollten es mit Vans und Fahrrädern ausprobier­en.“Die Berechnung­en der WU-Forscherin­nen sind derzeit noch Grundlagen­forschung, doch Interesse von Unternehme­n besteht bereits. Bisher kamen Förderunge­n von der Forschungs­fördergese­llschaft FFG und dem EUProgramm JPI Urban Europe.

Soziale Daten einbinden

Die Zahl der Stadtbewoh­ner steigt seit Jahren, bis 2100 werden laut OECD 85 Prozent der Weltbevölk­erung in Städten leben. Gleichzeit­ig nimmt der Onlinehand­el zu, Lieferunge­n am selben Tag sind immer gefragter. Wissenscha­ftler suchen weiterhin nach Lösungen, den dafür notwendige­n Gütertrans­port umweltfreu­ndlich zu meistern.

„Wir wollen im nächsten Projekt auch soziale Daten in das Modell einfließen lassen: Welche Auswirkung­en hat das jeweilige Szenario auf die Bewohner der Stadt? Wie ist die Lärmentwic­klung, was verringert Staus, wie sieht es mit den Emissionen aus?“, zählt Hemmelmayr auf.

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[ Veloce ] Reichweite und Lieferkapa­zität sind mit Lastenräde­rn begrenzt: Welches Szenario ist sinnvoll, um mehr zu transporti­eren?

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